| Raumfahrt

Schauen sie noch Videos - oder "streamen" sie schon?

NASA-Astronaut Scott Kelly an Bord der Internationalen Raumstation ISS.
Credit:
NASA

Machen wir doch mal einen Test zusammen, ob Sie ein "Innovator" sind (in unserer Uni-Arbeitsgruppe damals ein schwer umkämpfter Titel: Wer hatte die neuesten technischen Gimmicks...): Haben Sie eigentlich noch einen Videorecorder? Einen mit richtigen Bändern? Kassetten? Oder sagt Ihnen das gar nichts mehr? Bandsalat, rotierende Schreib-Leseköpfe und die Schreibschutzlasche sind Ihnen böhmische Dörfer? Naja, das qualifiziert Sie heutzutage wohl noch nicht wirklich zum "Innovator", aber Sie sind diesem wohl schon ein Stück näher als ein "VHS-Freak".

In der Raumfahrt sind die Skalen diesbezüglich oft etwas verschoben. Zwar operieren Raumfahrzeuge an der Grenze des Machbaren und sind daher an "Innovator-Potential" kaum zu überbieten, aber gleichzeitig vertrauen sie auf robuste Klassiker der Technik, die für modern-komfortable Erdverhältnisse oft etwas rustikal und antiquiert wirkt.

Beispielsweise hatte Columbus bislang als Teil seiner umfangreichen Videoausstattung noch immer zwei Bandlaufwerke für die Videoaufzeichnung an Bord: Wir brauchen solche Speichermedien, weil wir manchmal die Arbeit der Crew in unserem Modul festhalten wollen - und das, auch wenn die Funkverbindung abreisst. Dann konfigurieren wir unsere VDPU (Video Distribution and Processing Unit, die Schaltmatrix) derart, dass für die Dauer des "Blackouts" die Daten auf unsere VCRs (Video Cassette Recorders) laufen. Irgendwann später, wenn wir entspannt Zeit und eine solide Funkverbindung zur ISS haben, spulen wir die Recorder dann vom Boden aus zurück, verbinden sie per VDPU mit dem Funksystem und schalten sie auf Wiedergabe: Schon haben wir die Lücken in unserer Aufnahme nachträglich gefüllt.

Manchmal nehmen die Astronauten auch in ihrer Freizeit eines der zahlreichen Grussworte auf, die sie während ihrer Mission zu bewerkstelligen haben. Wir laden die Videos danach runter und schon kann die Eröffnung einer Ausstellung mit einer Einführung "aus dem Himmel" glänzen.

Über ein Jahr lang wurde in Bremen an einer Erneuerung unserer inzwischen in die Jahre gekommenen Videogeräte gearbeitet: Ein Festplattenrekorder sollte anstatt ihrer an Bord installiert werden - freilich "weltraumtauglich", also fähig, mit allen anderen Columbus-Geräten zu kommunizieren, qualifiziert zur Nutzung auf der ISS und kompartibel zu den scharfen Sicherheitsrichtlinien, die für den Flug zur Raumstation gelten.

Columbus verfügt nun über zwei brandneue Festplattenrekorder
Credit:
Quelle: NASA

Nachdem das neue Gerät inzwischen schon an Bord war und durch die Verschiebung der Sojusflüge Crew-Zeit zur Verfügung stand, wurde das Projekt "Neue Videoanlage im Weltall" letzte Woche endlich angegangen. Nach akribischer Vorbereitung seitens des Flight Control Teams - Prozeduren mussten geschrieben, die Reihenfolge der verschiedenen nötigen Arbeitsschritte von Col-CC und Crew und deren logische Verknüpfung in Flowcharts veranschaulicht, das benötigte Werkzeug mit gegenwärtigem "Stauort" aufgelistet, die Timeline zurechtgerückt, die Gesamtsequenz übungsmässig durchgespielt werden - konnten die Astronauten nach Columbus hereingebeten werden: Scott Kelly war für das Unternehmen bestimmt worden und er baute zunächst einen der Videomonitore am rückseitigen Ende von Columbus ab, um Zugang zu den beiden Videorekordern zu erhalten.

Die beiden Geräte wurden dann abgesteckt und abgebaut. Erst dann war die Installation des neuen Solid State Drive (SSD) möglich. Freilich waren bei einem so komplexen Unterfangen kleinere Überraschungen beinahe vorprogrammiert: Eine Steckverbindung machte Probleme - eine Aufgabe für das Team in den nächsten Tagen: Wie können wir mit den an Bord verfügbaren Mitteln möglichst bald diese Sache angehen? Aber der erste Checkout vom Boden her war vielversprechend: Columbus ist bezüglich Video somit wieder auf dem "Stand der Zeit"...