Deutsch-brasilianische Kooperation besteht erste Feuertaufe
Als ich eintraf, ertönte bereits die erste Warnung über dem Standort: Noch 20 Minuten bis zum Test. Ab diesem Zeitpunkt heißt es für alle im Kontrollraum, sich bereit zu machen. Für alle anderen ist es ein Signal, den Gefahrenbereich des Teststands aus Sicherheitsgründen zu verlassen. Der Kontrollraum füllt sich schnell. Alle Beteiligten nehmen ihre Plätze ein, dazu gehörten Verantwortliche für die Testvorbereitung und Testdurchführung, zusätzlich noch Sicherheitsbeauftragte, Feuerwehr und natürlich die Nutzer des Prüfstandes, deren Prüfling getestet werden soll.
Was bisher geschah: Der Weg zum ersten gemeinsamen Flüssigraketentriebwerk für Kleinträger
Normalerweise verfolge ich solche Tests nicht vor Ort. Als Projektleiterin erhalte ich die Ergebnisse nachträglich in einem Kurzbericht. Die Vorbereitungen für diese Kampagne begannen bereits im Sommer 2014, als zwischen dem DLR Raumfahrtmanagement und der brasilianischen Raumfahrtagentur AEB (Agência Espacial Brasileira) vereinbart wurde, die anstehenden Tests in Deutschland durchzuführen. Anfang 2015 wurde ein Vertrag mit Airbus Safran Launchers geschlossen, diese Tests vorzubereiten, durchzuführen und auszuwerten. Gemeinschaftlich wurde beschlossen, dafür den Prüfstand P8 des DLR in Lampoldshausen zu nutzen.
Im Juli dieses Jahres ging es dann richtig los: Seitdem testet ein gemischtes Team aus Mitarbeitern von Airbus Safran Launchers, DLR und IAE den Einspritzkopf für das zukünftige brasilianische L75-Triebwerk. Letzten Mittwoch - am zehnten und letzten Testtag dieser Kampagne - war ich endlich auch dabei.
Das L75 wird in Brasilien vom Insituto de Aeronáuticae Espaço (IAE) seit 2008 entwickelt. Es sollte ursprünglich als Oberstufentriebwerk für die Trägerrakete VLS ALFA eingesetzt werden. Da dieses Projekt von der brasilianischen Regierung nicht weitergeführt wird, wird das Triebwerk vorerst unabhängig von einem Träger entwickelt. Es handelt sich um ein Raketentriebwerk mit 75 Kilonewton Schub, das mit Flüssigsauerstoff und Ethanol angetrieben werden soll. Seit 2011 kooperiert das DLR Raumfahrtmanagement mit AEB auf dem Gebiet der Flüssigantriebe für Raketen.
In dieser ersten Kampagne sollen das Einspritz-, Zünd- und Anfahrverhalten des Triebwerks getestet werden, um die grundsätzliche Eignung des Triebwerkentwurfs nachzuweisen. Dazu wurden zuerst im Juli 2016 einfache Zündversuche mit Testzeiten von bis zu 1,5 Sekunden durchgeführt. Ab dem 21. Oktober wurde die Kampagne mit längeren Testzeiten fortgesetzt. Von anfänglich 2,5 Sekunden wurden die Zeiten schrittweise auf bis zu sechs Sekunden verlängert. Unser Ziel ist es nachzuweisen, dass der Triebwerksentwurf ein stabiles Verbrennungsverhalten bei unterschiedlichen vorab definierten Betriebspunkten besitzt. Besonders kritisch sind dabei solche Betriebspunkte, sprich Zeitpunkte im Betrieb, bei denen die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Verbrennung nicht mehr stabil abläuft. Der Betriebspunkt wird zum einen durch das Mischungsverhältnis der Triebstoffe und zum anderen durch den Brennkammerdruck definiert. Kritisch sind meist geringe Drücke und geringe Mischungsverhältnisse. An diesem letzten Testtag untersuchen wir solch kritische Betriebspunkte.
Bereits am Morgen fand ein erster Test statt. Da es dabei keinerlei Beanstandungen gab und die ersten Testergebnisse gut aussahen, wurden auch die für den Nachmittag geplanten Tests freigegeben. Die eigentliche Testsequenz wird vor dem Test anhand von Zielvorgaben diskutiert, erstellt und dem Betriebsteam übergeben. Für heute stehen Versuche von sechs Sekunden Dauer an. Dies ist die maximal zulässige Versuchsdauer für diesen Prüfling, dessen ungekühlte Brennkammer sonst Schaden nähme. Die Sequenz ist automatisiert und wird fünf Minuten vor der eigentlichen Zündung auf Zuruf gestartet. Die nächste standortweite Warnung wird ausgelöst. Noch fünf Minuten bis zum Start. Jetzt sitzen alle an ihren Plätzen und beobachten den Teststand. Vom Kontrollraum aus ist es möglich, die über mehrere Videokameras aufgenommenen und auf insgesamt elf Bildschirmen übertragenen Echtzeitaufnahmen zu sehen. Dem Testteam ist die Routine anzumerken: Jeder Handgriff sitzt, von Nervosität keine Spur. Auch bei der "Eine-Minute-Warnung" gibt es kaum eine Reaktion, nur die Gespräche verstummten ohne zusätzliche Aufforderung. Ohne Probleme läuft die Testsequenz durch. Die ersten Testergebnisse zeigen, dass sogar noch ein weiterer Test durchgeführt werden kann. Innerhalb von 30 Minuten sind die Systeme für den weiteren Test bereit.
Diese erste Kampagne mit insgesamt zehn Testtagen und verschiedensten Testeinstellungen wurde erfolgreich abgeschlossen. Außerdem wurden die Möglichkeiten, weitere Tests in Lampoldshausen durchzuführen, zwischen dem DLR Raumfahrtmanagement und der brasilianischen Raumfahrtagentur AEB diskutiert.
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