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Wie Forscher die neuesten Erdbeobachtungsdaten nutzen - Teil 3

Neueste Veränderungskarte durch TerraSAR-X
Credit:
DLR/Simon Fraser University/Rebus, Eppler

Teil 3 folgt den Bewegungen unserer Erde: Wie verändert sich ihre Gestalt? Mit welcher Geschwindigkeit, und mit welchen Folgen? Die Satellitenmissionen TerraSAR-X und TanDEM-X bieten neue Perspektiven, die die Wissenschaftler zu neuen Ansätzen inspiriert.

Die Erde ist ständig in Bewegung - an manchen Stellen plötzlich und mit großer Gewalt, andernorts fast unbemerkt und schleichend. Je genauer wir die Mechanismen für Erdrutsche und andere Georisiken kennen, desto besser können wir vorbeugen und uns vor möglichen Gefahren schützen. Geophysiker wie Dr. Bernhard Rebus und Jayson Eppler von der Simon Fraser University richten daher ihr Augenmerk auf Veränderungen von Landoberflächen und Geländestrukturen. Unterstützung erhalten sie durch TerraSAR-X. Alle elf Tage kann der Radarsatellit Aufnahmen derselben Gebiete mit den selben Einstellungen erstellen - eine Zeitreihenmessung. Dabei nimmt TerraSAR-X Senkungen und Verschiebungen der Erdoberfläche von weniger als einem halben Meter wahr. Die hohe zeitliche und räumliche Auflösung der Daten brachte Rebus und Eppler auf eine weitere Idee: Die Wissenschaftler entwickelten ein besonderes Verfahren, das "Demodulation-Unwrapping", um ältere Datensätze neu und besser nutzbar zu machen - mit TerraSAR-X Daten als Grundlage.

Ältere Geländeaufnahme unterlegt mit TerraSAX- Daten
Credit:
Simon Fraser University/Rebus, Eppler

Hochsensible Riesen

Ordentlich Bewegung steckt auch im ewigen Eis. Die Dynamik unterliegt dabei einem feinen Gleichgewicht. Ob verankertes Festeis, Ozean überdeckendes Meereis oder offenes Treibeis - auf Veränderungen reagieren die wuchtigen Massen hochsensibel. So gehört der Rückgang des Meereises zu den stärksten Klimasignalen weltweit. Um den Anstieg des Meeresspiegels und andere Entwicklungen künftig zuverlässiger vorhersagen zu können, benötigen die Wissenschaftler genaue Informationen zu den dynamischen Prozesse auf, im und unter dem Eis. "TanDEM-X und TerraSAR-X bieten einzigartige Möglichkeiten, die Fließprozesse und Massenbilanz der Gletscher detailliert zu bestimmen", sagt Prof. Dr. Helmut Rott von der Environmental Earth Observation (ENVEO) IT GmbH. Mit der neuen 3D-Weltkarte der TanDEM-X-Mission steht auch erstmals ein Datensatz zur Verfügung, der die Polarregionen vollständig und hochgenau abbildet. Die Antarktische Halbinsel zählt zu den empfindlichsten Gletscherregionen der Welt. Die zeitlich und räumlich hochaufgelösten Radardaten machen den prekären Zustand des Gebiets rund um das Larsen-A-Schelfeis deutlich, das sich 1995 auf dramatische Weise durch einen Wärmeanstoß auflöste. Auf dem Science Meeting in Oberpfaffenhofen präsentierte Rott Auswertungen von TanDEM-X-Höhenbildern, die 2011 und 2013 einen durchschnittlichen Oberflächenrückgang von 1,99 Metern pro Jahr zeigen. Daraus folgen ein jährlicher Verlust des Gletschervolumens von 4,59 Kubikmetern und ein Massendefizit von 4,21 Gigatonnen. Die Fließgeschwindigkeit an der Gletscherfront ist auch 20 Jahre nach dem Zusammenbruch noch fünfmal höher als davor. Die Geschwindigkeitsschwankungen in jüngster Zeit deuten auf eine extreme hohe Instabilität des Gletschers hin. Die Analyse der TanDEM-X- und TerraSAR-X-Daten erfolgte in Zusammenarbeit mit ENVEO-Kollegen Dr. Jan Wuite, Dr. Thomas Nagler und Stefan Scheiblauer sowie den DLR-Wissenschaftlern Dr. Dana Floricioiu und Erling Johnson.

Höhenveränderungen entlang des Drygalski Gletschers im Farbverlauf (Meter/Jahr)
Credit:
DLR/ENVEO-Rott, Nagler/DLR-Floricioiu

Ein weiteres großes Sorgenkind der Polarforschung befindet sich auf der Nordhalbkugel. Der Jakobshavn Isbræ gilt als der schnellste Gletscher Grönlands bildet die größte Austrittsfläche für das Inlandseis. Inzwischen gehört er auch zu den weltweit am besten beobachteten Gletschern - gemeint ist das wissenschaftliche Monitoring. Auch zu einem touristischen Anziehungspunkt ist der Jacobshavn avanciert, seit jemand vermutete, dort sei der Eisberg entstanden mit dem einst die Titanic kollidierte. Die rapiden Veränderungen des Gletschers geben weiterhin Anlass für ernste Betrachtungen aus dem All. "In den Zeitreihenaufnahmen von TerraSAR-X and TanDEM-X fällt auf, dass die Dynamik und Fließgeschwindigkeit des Jakobshavn Isbræ starken jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt, mit Rekordwerten im Sommer", bestätigt Glaziologe Dr. Ian Joughin von der University of Washington beim Science Meeting. Allein der Sommer 2012 bescherte einen Jahresrückzug des Inlandeises von 12 Kilometern. Dies entspricht einer Fließgeschwindigkeit von über 46 Metern am Tag. Seit den späten 1990er Jahren hat sich sein Tempo mehr als verdoppelt, sodass flachere Gletschergebiete um mehr als 200 Meter ausgedünnt sind. Als unmittelbare Folge stieg der globale Meeresspiegel in dieser Zeit um mehr als einen Millimeter. Die Radardaten sind daher auch in Zukunft unverzichtbar für die Erforschung der Eis- und Gletscherdynamik und den Schutz der sensiblen Riesen.

Richtung und Geschwindigkeit des Jakobshavn Gletschers im zeitlichen Verlauf
Credit:
University of Washington, Ian Joughin / DLR

Winzige Welle, weitreichende Wirkung

Wir blicken wieder in die Arktis - diesmal aber nicht nur auf, sondern auch in das Eis. Ein Forscherteam der University of Alaska Fairbanks hat TanDEM-X-Daten eine neue Möglichkeit entlockt, das Meereis und seine Bewegungen zu betrachten. Auf dem Science Meeting demonstrierten sie das anhand eines Beispiels vom Küstengebiet Barrow, an der nördlichsten Spitze Alaskas. Das Geländebild vom Januar 2015 zeigt die nahen Treibeisflächen auf offener See in erwartet hoher Auflösung - zentimetergenau zeichnen sich die leichten horizontale Verformungen und vertikale Bewegungen des Meereises ab. Bei der näheren Analyse dann die Überraschung: Die Auf- und Abwärtsbewegungen des Treibeises werden durch sogenannte Infra-Schwerewellen verursacht (Bildausschnitt C). Dass diese Wellen sich durch das Festeis ausbreiten war bekannt, jedoch konnte dies bisher nicht gemessen werden. Aus einem einfachen Grund: Die Welle ist winzig, ihre Amplitude beträgt etwa 1,2 bis 1,8 Millimeter. Umso erstaunlicher ist es, dass die Wellen ihren Ursprung vermutlich im Nordatlantik - und damit eine Strecke von über 3.000 Kilometern zurückgelegt haben. An den Studien beteiligt waren Dyre Oliver Dammann, Dr. Franz Meyer, Dr. Andrew Mahoney, Prof. Dr. Mark Johnson und Prof. Dr. Hajo Eicken von der University of Alaska Fairbanks. Anhand der Missionsdaten von TanDEM-X lassen sich nun weitere Erkenntnisse über den Einfluss von Infra-Schwerewellen und Deformationen im Inneren der Treibeisflächen gewinnen. Es verändert sich also nicht nur die Gestalt der Erde, sondern auch unsere Art und Weise ihren Bewegungen zu folgen.

Bewegungsanalyse der Meer- und Festeisflächen in Barrows, Alaska
Credit:
University of Alaska Fairbanks/Mahoney, Dammann, Johnson, Eicken, Meyer/DLR