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Leben und Forschen auf 7000 Meter: die "MyoCardioGen"-Studie des DLR - Teil 1

Während die Probanden der sauerstoffarmen Luft ausgesetzt sind, betreten die Ärzte des DLR das Wohnmodul der beiden nur mit einer Sauerstoffversorgung über eine Maske.
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© Ralf Dujmovits

7000 Meter hohe Berge sind nur in Asien zu finden. Die Luft dort oben ist dünn, es ist extrem kalt, oft stürmisch und es gibt reichlich Schnee. Schlechte Voraussetzungen, um Herzforschung zu betreiben. Etwas einfacher ist dies auf einer Höhe von nur 53 Metern über dem Meeresspiegel: Die Forschungsanlage :envihab des DLR in Köln verfügt über ein Labor-Modul, in dem Experimente unter veränderten atmosphärischen Bedingungen durchgeführt werden können. Für die Studie "MyoCardioGen" wird dort schrittweise - über fünf Wochen hinweg - ein Sauerstoffdruck von 7000 Meter zu simulieren. Alle anderen Härten der Höhe werden dabei ausgeschlossen. Die Mediziner des DLR und verschiedener Partner wollen so einen möglichen Nutzen von Sauerstoffmangel für die Zellteilung des Herzen erforschen.

 
Zwei Probanden haben sich für diese Studie unter extremen Bedingungen gefunden: die beiden Profibergsteiger Nancy Hansen aus Kanada und Ralf Dujmovits aus dem Schwarzwald. Bis zum 19. Juni werden die beiden im :envihab leben und dabei zeitweise eine Luft mit einem Sauerstoffgehalt von nur acht Prozent atmen. Ralf Dujmovits wird in den nächsten Wochen in diesem Blog von dieser Studie aus erster Hand berichten.

Tagebuch 24/05/2018

Die vergangene Nacht hier in 'unserer' Kammer - erstmals schliefen wir auf 6000 Meter - war reichlich zäh: Ab 23 Uhr entwickelte Nancy starke Kopfschmerzen. Die Folge: Sie schlief kaum - und wenn überhaupt nur sehr unruhig. Für 6000 Meter - das entspricht einem Sauerstoffanteil in der Umgebungsluft von 9,5 Prozent - ist das keine völlige Überraschung. Trotzdem haben wir nach eingehenden Untersuchungen heute Morgen in einem gemeinsamen Gespräch mit dem Team um Prof. Jens Tank vom DLR und Dr. Ulrich Limper vom Krankenhaus Köln-Merheim zunächst beschlossen, nochmals vorübergehend auf einen Sauerstoffgehalt zurückzukehren, der einer Höhe von etwa 5.300 Metern entspricht. 5.300 Meter - das ist Äquivalent zu einem Sauerstoffanteil von 10,5 Prozent und ziemlich genau die Höhe des Basislagers am Mount Everest auf der nepalesischen Seite.

Profibergsteigerin Nancy Hansen hat sich im Wallis für die Studie des DLR akklimatisiert, bei der sie mit Höhenbergsteiger Ralf Dujmovits bei Sauerstoffmangel im :envihab lebt.
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© Ralf Dujmovits

Einige Fragen wirft die obige Einleitung und dieser Tagebucheintrag auf: Was ist der Hintergrund der Studie, und wie könnte Sauerstoffmangel (Hypoxie) zukünftig Herzpatienten helfen? Wie werden in Köln im :envihab 6000 und später 7.000 Meter simuliert? Warum sind zwei Profibergsteiger die Probanden der Studie? Und wie lange dauert so eine Studie?

Ein starkes Probandenherz unter Sauerstoffmangel - mit regelmäßigen Messungen untersuchen die Mediziner die Funktion des Herzens.
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DLR

In diesem ersten Blogbeitrag möchte ich auf diese Fragen und Hintergründe eingehen und im Folgenden dann auch die Routine unserer Tage in der Hypoxie-Kammer des :envihab beschreiben.

Von Mäusen und Menschen

Herzmuskelgewebe beim erwachsenen Menschen (und anderen erwachsenen Säugetieren) kann sich nach einer Schädigung durch einen Herzinfarkt nicht selbst regenerieren. Im Mutterleib entwickeln sich menschliche Babys und deren Herzen unter einem sehr geringen Sauerstoffdruck, vergleichbar mit dem in über 7000 Metern Höhe, und das Herzmuskelgewebe kann sich bis etwa eine Woche nach der Geburt regenerieren. Forscher an der Universität von Texas führten an herzinfarktgeschädigten Mäusen eine geeignete Akklimatisation durch und exponierten diese Mäuse danach für zwei Wochen einer Umgebung mit 7 Prozent Sauerstoff. Das Herzgewebe der Mäuse zeigte eine signifikante Regeneration, und es konnte nachgewiesen werden, dass sich die Herzmuskelzellen begannen zu teilen. (Nature: Hypoxia induces heart regeneration in adult mice, 2017). In der "MyoCardioGen"-Studie des DLR soll nun mit Nancy und mir als Probanden gezeigt werden, ob die sauerstoffarme Umgebung von 7000 Metern die Herzfunktion verbessert und sich erste Hinweise daraufhin finden lassen, dass sich auch die erwachsenen menschlichen Herzmuskelzellen durch Sauerstoffmangel zur Teilung anregen lassen.

Dass solche Tests hier im :envihab des DLR gemacht werden können, liegt an der weltweit einzigartigen Möglichkeit, innerhalb der Kammer die Umgebungsluft fast nach Belieben zusammenstellen zu können. Das heißt, dass im Falle unserer Studie nach und nach der Sauerstoff-Anteil der Umgebungsluft von den üblichen 21 Prozent auf bis zu 8 Prozent reduziert wird - was ungefähr einer Höhe von 7000 Metern entspricht. Dies geschieht, indem Stickstoff fein dosiert in die Kammer gepumpt und dadurch der Sauerstoff-Anteil reduziert wird.

Für fünf Wochen ist die Forschungsanlage :envihab das Zuhause der beiden Profibergsteiger Ralf Dujmovits und Nancy Hansen.
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© Ralf Dujmovits

Erfahren mit dem Sauerstoffmangel

Normalerweise schnuppern Bergsteiger die sauerstoffarme Höhenluft bei dieser Aussicht. In der Atmosphärenkammer des DLR werden diese Bedingungen für eine Studie derzeit simuliert.
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© Ralf Dujmovits

Warum das DLR ausgerechnet Höhenbergsteiger für diese erste Studie haben wollte, liegt an unseren zahlreichen Aufenthalten in großer Höhe, die uns erlaubt haben, unsere Körper und deren Reaktionen auf Sauerstoffmangel sehr genau zu kennen. Neben den messtechnischen Möglichkeiten des DLR, das Befinden des menschlichen Körpers bei Sauerstoffmangel zu bewerten, können wir auch unseren subjektiven Input aus jahrelanger Erfahrung heraus beisteuern. So können wir mitentscheiden, ob wir eventuell noch einmal etwas tiefer - sprich bei höherem Sauerstoff-Anteil - übernachten, um der Akklimatisationsphase noch mehr Raum zu geben.

Um während der langen Zeit dieser Studie fit bleiben zu können, hatten wir von Anfang an darum gebeten, in "unserer Kammer" auch trainieren und fit bleiben zu können. Radeln, Laufen und Klettern wollen wir - um für die Zeit danach nicht wieder bei Null anfangen zu müssen. Für alles hat das DLR eine Lösung gefunden - vor allem von der rotierenden Kletterwand sind Nancy und ich begeistert. Dazu aber mehr im nächsten Blog-Beitrag.

Mit einer Kletterwand wollen die Bergsteiger auch im irdischen Labor des DLR fit bleiben.
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© Ralf Dujmovits

Akklimatisation im Wallis

Die Dauer einer solchen Studie muss sehr großzügig bemessen sein. Die Akklimatisation des Körpers für große Höhen - sprich niedrigen Sauerstoff-Anteil - braucht Zeit. Sehr viel Zeit, wenn man keinen gesundheitlichen Schaden nehmen möchte. Und auch hier konnten wir unsere Erfahrung vom Höhenbergsteigen einfließen lassen und die Planung der Akklimatisation mit beeinflussen. Fünf Wochen sind für die gesamte Studie vorgesehen, zwei davon bei 8 Prozent Sauerstoffanteil, was einer Höhe von ca. 7000 Metern entspricht.

Um weniger Zeit in der Abgeschlossenheit der Kammer verbringen zu müssen, schlugen Nancy und ich vor, zu Beginn der Studie einen Akklimatisationsaufenthalt im Wallis im Bereich der Monte Rosa zu machen, mit Skiern von einer hochgelegenen Hütte zur nächsthöher gelegenen Hütte zu touren und letztlich auf 4.550 Metern auf der Margherita Hütte auf der Signalkuppe, einem der Gipfel der Monte Rosa, zu übernachten. Die Idee fand Anklang, und so waren wir vom 3. bis 9. Mai bei teilweise anspruchsvollen Bedingungen im Wallis unterwegs - und konnten damit einen Teil der Anpassung des Körpers an den geringen Sauerstoff-Anteil schon vorab bewältigen.

Seit dem 15. Mai sind wir nun hier im futuristisch anmutenden :envihab des DLR. Versorgt und umsorgt, untersucht, ausgetestet und erforscht von einem supersympathischen und enorm motivierten Team um Professor Jens Tank und Dr. Ulrich Limper. Es geht uns trotz der Isolation und der ‚dünnen Luft" sehr gut, wir fühlen uns wohl und sind genauso wie das Team motiviert, die Studie zum Erfolg zu führen. Wie genau unser Tagesablauf aussieht, was für Untersuchungen täglich gemacht werden, welches Training wie hier machen können und welchen Akklimatisationsplan wir bisher eingehalten haben, werde ich im Teil 2 meines Blog-Beitrags berichten.

Danke heute erst einmal fürs Interesse und bis zum nächsten Beitrag,