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Das weihnachtliche Rendezvous von Jupiter und Saturn

Die schematische Aufsicht auf unser Planetensystem zeigt die Konstellation von Erde, Jupiter und Saturn zum Zeitpunkt der diesjährigen großen Konjunktion.
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Sternwarte Kraichtal

Wenige Tage vor dem diesjährigen Weihnachtsfest, am 21. Dezember, haben sich der König der Planeten, Jupiter, und der Ringplanet Saturn zu einem besonderen Rendezvous am Himmel verabredet: zu einer großen Konjunktion. Dann stehen beide Riesenplaneten für den irdischen Beobachter am Firmament so eng beieinander, dass sie dem bloßen Auge nahezu wie ein einziger Lichtpunkt erscheinen. Schon einige Tage zuvor und danach wird man am Himmel verfolgen können, wie sich beide Planeten scheinbar immer mehr annähern und dann wieder voneinander entfernen.

Dieses Schauspiel tritt rund alle 20 Jahre ein, was sich anhand der siderischen Umlaufzeiten der beiden Planeten errechnen lässt. Bezogen auf die Fixsterne benötigt Jupiter rund zwölf Jahre, um einmal vollständig die Sonne zu umrunden, bei Saturn sind es knapp 30 Jahre. Das Produkt dieser beiden Umlaufzeiten geteilt durch deren positive Differenz, in Zahlen 360/18, ergibt den zwanzigjährigen Turnus der großen Konjunktion, bei der die beiden größten Planeten unseres Sonnensystems für den Beobachter auf der Erde ziemlich genau entlang einer Sichtlinie stehen.

Schleifen am Himmel

Das alles war den Astronomen schon seit dem Altertum bekannt und ließ sich auch in einem geozentrischen Weltbild mit einer im Raum ruhenden Erde mathematisch beschreiben. Konsistent verstanden wurden die Planetenbewegungen jedoch erst durch das heliozentrische Weltbild von Nikolaus Kopernikus (1473-1543) und insbesondere durch die Werke Johannes Keplers (1571-1630) und Isaac Newtons (1643-1727). Denn nun begriff man, dass sich ein Planet, je näher er der Sonne stand, desto schneller auf seiner Bahn bewegen musste und dabei regelmäßig alle außerhalb seiner Bahn liegenden langsameren Planeten gewissermaßen auf der Innenkurve "überholte". Bei einem solchen Überholvorgang nimmt zunächst die scheinbare voranschreitende "rechtläufige" Bewegung des weiter entfernten Planeten relativ zu den Fixsternen ab, kommt dann zum Stillstand und kehrt sich um, bis ein zweiter Stillstand erreicht ist, von dem aus sich die Bewegung des Planeten wieder im Einklang mit der Richtung seines Sonnenumlaufs fortsetzt.

Die Grafik veranschaulicht, wie eine Planeten- bzw. Oppositionsschleife entsteht. Zwischen den Positionen 3 und 5 erfolgt die Bewegung des äußeren (= oberen) Planeten rückläufig. Die Bewegungsrichtung der Planeten, hier von 1 nach 7, ist in ähnlichen Zeichnungen gelegentlich umgekehrt dargestellt, was am Vorgang als solchen nichts ändert.
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Schorschi2, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

Das ist die kurze Beschreibung, wie eine sogenannte Planeten- oder Oppositionsschleife zustande kommt. Noch bis zu Keplers Zeiten war die Theorie des Ptolemäus, der zufolge sich ein Planet auf einer kleinen Kreisbahn (Epizykel genannt) bewegt, deren Mittelpunkt auf einem großen Kreis (dem Deferenten) ein exzentrisch gelegenes Centrum Mundi (Erde) umwandert, die gängige Methode, solche Schleifenbewegungen der Planeten am Himmel zu erklären. Doch seit Kopernikus die Sonne an die Stelle der Erde gesetzt und Kepler anhand der Marsbeobachtungen Tycho Brahes (1546-1601) den wahren Sachverhalt, wie sich Planeten bewegen, erkannt hatte, wurde die Epizykeltheorie bald überflüssig und verworfen.

Vom wissenschaftstheoretischen Standpunkt aus betrachtet, ist dies ein lehrreiches Beispiel, wie man mit einer rein mathematischen Vorschrift für sehr lange Zeit, in diesem Fall etwa 1.400 Jahre, durchaus zutreffende Vorhersagen über Naturphänomene machen kann, ohne dass man die wirklichen Zusammenhänge, die diesen Erscheinungen zugrunde liegen, zu verstehen braucht. Die Hypothesen einer Theorie müssen sich stets durch Beobachtung und Experiment als tragfähig erweisen, damit die Theorie standhält, wie es zum Beispiel bei Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und ihren Voraussagen bisher par excellence der Fall ist. Der diesjährige Nobelpreis in Physik zur "erlaubten" Bildung Schwarzer Löcher und zur Entdeckung eines solch supermassereichen kompakten Objekts im Herzen der Milchstraße unterstreicht das nebenbei in aller Deutlichkeit.

Jupiter auf der "Überholspur"

Am 21. Dezember 2020 zieht nun im Sternbild Steinbock der schnellere Riese Jupiter sechs Bogenminuten südlich am langsameren Ringplaneten Saturn vorbei. Von der Sonne aus gesehen, geschah dies bereits am 2. November; demzufolge ließe sich am Jupiterhimmel feststellen, dass Saturn kurz vor diesem Zeitpunkt rückläufig wird und seine Bahn einer Schleifenbewegung folgt. Für den Beobachter auf der Erde ist der Lauf beider Planeten jedoch schon seit Oktober rechtläufig, denn beide Riesenplaneten befanden sich bereits im Monat Juli um eine Woche zeitversetzt in Opposition zur Sonne. Für eine große Konjunktion lagen Jupiter und Saturn dabei zu weit auseinander.

Der Lauf der Planeten Jupiter und Saturn zwischen den Sternen im Jahr 2020. Rund zwei Monate vor und nach den Oppositionszeitpunkten im Juli, von Mai bis September/Oktober, liefen die Planeten rückläufig (retrograd) zwischen den Sternen. Zum Zeitpunkt der Großen Konjunktion am 21.12. bewegen sich beide Planeten rechtläufig (prograd). In Konjunktion zur Erde werden Saturn am 21. Januar und Jupiter am 29. Januar 2021 stehen. Dann stehen sie für uns jenseits der Sonne und gehen mit ihr auf und unter.
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A. Pikhard/WAA

Stehen allerdings beide Riesenplaneten für den irdischen Betrachter innerhalb eines Zeitfensters von 1,7 Tagen in Opposition zur Sonne und durchlaufen sie demzufolge ihre Bahnschleife nahezu am gleichen Ort entlang der Ekliptik, so können sie infolge der parallel zueinander ausgerichteten Lage der Schleifen dreimal nah aneinander vorbeiziehen. Man spricht dann von einer dreifachen großen Konjunktion. Zuletzt war eine solche größtmögliche Konjunktion zwischen dem 14. Januar und 30. Juli 1981 zu beobachten; die nächste wird man erst wieder in den Jahren 2238/39 erleben können.

Nur ein kurzes Gastspiel am Abend

Während sich Jupiter und Saturn am 21. Dezember abends am irdischen Himmel bis auf sechs Bogenminuten, einem Fünftel des Mondscheibchendurchmessers, nahekommen, sind sie tatsächlich 886 Millionen beziehungsweise 1,62 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt. Wer dieses besonders innige Stelldichein der beiden Gasriesen beobachten möchte, hat dafür in Deutschland nicht viel Zeit; beide Planeten tauchen bereits gegen 19 Uhr unter den südwestlichen Horizont. Die absolute Minimaldistanz wird erst, nachdem sie untergegangen sind, um 19:21 Uhr MEZ erreicht. Beobachter in westlich gelegeneren Zeitzonen werden diesen Moment beobachten zu können.

Die große Konjunktion am Abend des 21. Dezember 2020. Mit Hilfe der Seite timeanddate lässt sich für den jeweiligen Standort der genauen Sichtbarkeitszeitraum abrufen.
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timeanddate.com

Lohnenswert ist auf jeden Fall der Anblick durch ein Fernrohr, denn dann sind im Gesichtsfeld außer den beiden Planeten auch deren hellste Monde zu sehen. Und freilich sind alle Astrofotografen an diesem Abend aufgerufen, ihr Können unter Beweis zu stellen.

Der Anblick des "Planetentreffpunkts" im Fernrohr am 21. Dezember 2020 um ca. 19 Uhr MST in Tucson/Arizona. Wegen des Zeitunterschieds von acht Stunden unterscheiden sich die Positionen einiger Monde leicht von denen am Abend in Mitteleuropa. Welche Monde man tatsächlich sehen wird, hängt vom Teleskop und den Beobachtungsbedingungen am Standort ab.
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The Cosmic Companion / Created in Stellarium

Mit sechs Bogenminuten Distanz zwischen Jupiter und Saturn ist die große Konjunktion dieses Mal nach rund 400 Jahren besonders eng; erst am 15. März 2080 wird es wieder zu einer vergleichbar nahen Begegnung kommen, zuletzt wurde diese „Planetennähe“ im Jahr 1623 erreicht. Noch engere große Konjunktionen liegen weit außerhalb unserer Lebenserwartung: Am 25. Dezember 2874 und am 30. Dezember 3728 kommen sich die beiden Gasriesen scheinbar bis auf rund zwei Bogenminuten nahe und am 9. März 4523 beträgt ihre Distanz nur knapp eine Bogenminute. Eine völlige Bedeckung des Ringplaneten Saturn durch Jupiter wird sich nach heutiger Kalenderzählung im Jahr 7541 am 17. Juni ereignen.

Eine Galerie von Jupiter / Saturn-Bedeckungen im Zeitraum von 10.000 v. Chr. und 10.000 n. Chr. Die Grundlage der Berechnungen sind die Planetenephemeriden aus dem JPL DE-431-Kompendium von Folkner et al. (2014). Von deren Genauigkeit hängt das Eintreffen der Voraussagen ab.
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P. Hartigan/Stellarium/JPL

Johannes Kepler und die dreifache Konjunktion des Jahres 7 v. Chr.

Seltene große Konjunktionen galten in der babylonischen Astronomie in der Regel als Himmelszeichen, die eine Änderung der bestehenden Weltordnung ankündigten. So ist es kein Wunder, dass man bei der Suche nach einer natürlichen Erklärung für den Stern von Bethlehem und nach dem historisch genauen Kalenderdatum für Jesu Geburt eine solche Planetenkonstellation als Anhaltspunkt mit in Betracht zog. Gewiss nicht der erste, aber doch der bekannteste Gelehrte auf diesem Gebiet war zu seiner Zeit Johannes Kepler. Im Dezember 1603 hatte er eine große Konjunktion von Jupiter und Saturn im Sternbild des Schützen beobachtet. Ein knappes Jahr später leuchtete am frühen Abend des 9. Oktober 1604, nur 9 Bogengrad weit vom Ort dieser Konjunktion entfernt, im Sternbild Schlangenträger plötzlich und hell ein neuer Stern auf - eine Supernova, wie wir heute wissen. Kepler nahm an, dass das Auftreten der großen Konjunktion ein Vorbote, ja gewissermaßen die Ursache des Neuen Sterns gewesen sei.

Er untermauerte seine Ansicht mit geometrischen Betrachtungen der astrologischen Aspektenlehre, dass die große Konjunktion nach 800 Jahren erstmals wieder im sogenannten "Feurigen Dreieck" stattfand und der Neue Stern bei seinem Aufleuchten von den Planeten Mars, Jupiter und Saturn am Firmament begleitet wurde. Trotz seiner Genialität als Astronom - Ellipsen- und Flächensatz, die ersten beiden der nach ihm benannten Gesetze, verdankt er quasi dem Einfall, den Lauf der Erde vom Standpunkt eines Beobachters auf dem Mars aus zu berechnen - blieb Kepler wie viele seiner Zeit auch ein Sterndeuter, wenngleich ein "aufgeklärter" und stets der Wahrheit verpflichtet. Mathematik und insbesondere die Geometrie waren für ihn Werkzeuge Gottes, der wie ein menschlicher Baumeister die Welt planvoll und harmonisch gestaltet hatte. Dessen Bauplan zu entschlüsseln, war zeitlebens Keplers Antrieb für sein unermüdliches Schaffen, allen Widrigkeiten zum Trotz, die er erfuhr.

Der Stern von Bethlehem

Kepler mutmaßte schließlich in mehreren seiner Schriften einen ähnlichen Zusammenhang für den Stern von Bethlehem. Denn er hatte berechnet, dass sich im Jahr 7 v. Chr. unter ähnlichen Aspekten wie 1603/4 eine dreifache große Konjunktion von Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische ereignet hatte, und war daher der Meinung, dass sie ebenfalls ursächlich für einen neuen hellen Stern am Himmel sein konnte - für den Stern von Bethlehem. Ein neuer Stern lässt sich allerdings mit der großen Konjunktion im Jahr 7 v. Chr. nicht in Verbindung bringen. Während spätbabylonische Keilschrifttafeln die Konjunktion im Jahr 7 v. Chr. bezeugen, belegen die astronomischen Aufzeichnungen aus dieser Zeit bisher kein Erscheinen einer hellen Supernova in jenem Jahr.

Im Jahr 7 v. Chr. (astronomisch 6 v. Chr.) zogen die Planeten Jupiter und Saturn in einem Zeitraum von einem halben Jahr gleich dreimal eng aneinander vorbei. Der scheinbare Minimalabstand zwischen den beiden Gestirnen betrug damals 60 Bogenminuten oder ein Bogengrad. Bei der diesjährigen großen Konjunktion am 21. Dezember beträgt die minimale Distanz beider Planeten nur sechs Bogenminuten, ein Zehntel dieses Wertes.
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A. Pikhard/WAA

Die Konjunktion selber wurde jedoch zunehmend bei den in der Chronologie bewanderten Gelehrten als eine plausible Möglichkeit angesehen, ebenjene Himmelserscheinung gewesen zu sein, die den Weisen aus dem Morgenland den Weg zum neugeborenen König der Juden wies. Als Sternkundige ihrer Zeit waren sie mit der babylonischen Astrologie vertraut. Für sie galt Jupiter als der Stern ihres obersten Gottes Marduk; Saturn als Stern seines Vertreters auf Erden, des Großkönigs ihres Reichs; zugleich war Saturn der Beschützer des jüdischen Volkes und der Stern der Weisheit und Gerechtigkeit. Das dreimalige enge Verweilen beider Gestirne, bevor sie den Tierkreis wieder auf gewohnter Bahn durchziehen würden, zeigte den Weisen an, dass die alte Weltordnung zu Ende gehen und ein neuer König der Gerechtigkeit und des Friedens auftreten würde - und zwar aus dem Westen herkommend, wo Palästina lag, dem der zentrale Teil des Sternbildes der Fische, in dem sich die dreifache große Konjunktion abspielte, zugeordnet war. Das ganze Himmelsschauspiel im Jahr 7 v. Chr. nahm immerhin einen Zeitraum von Mai bis Dezember in Anspruch. Das wäre auch in praktischer Hinsicht Zeit genug gewesen, um während einer ein- bis zweimonatigen Reise durch die Wüste einen hellen Wegweiser beim Wandern in die Nacht oder in den Morgen hinein am Sternenzelt gehabt zu haben.

Auch wenn es keine letzte historische Gewissheit darüber gibt, ob es den Stern der Weisen wirklich gab und was ihm astronomisch eindeutig zugrunde gelegen haben könnte, so bleibt dieser biblische Stern wie vor 2000 Jahren noch immer ein eindrucksvolles Sinnbild der Hoffnung und des Neuanfangs. Wer würde sich nicht nach einem solchem Zeichen des Friedens und der Hoffnung sehnen am Ende eines Jahres, das von einer aufreibenden weltweiten Pandemie gezeichnet ist? Die "Wiederkehr" des Sterns von Bethlehem könnte man am Ende dieses schicksalshaften Jahres geradezu als eine Andeutung des Himmels verstehen, dass schon bald bessere Zeiten anbrechen werden.