S²TOL

Silent Short Takeoff and Landing

Mit S²TOL demonstriert das DLR eine neuartige Flugzeugkonfiguration im Flugtest und erforscht dabei ein datenbasiertes Nachweisverfahren zur Zertifizierung von Faserverbundbauteilen.

Ziel von S²TOL

Bereits jetzt erleben wir täglich die zunehmenden Schwierigkeiten, sich effektiv im Straßenverkehr zu bewegen. Staus, Parkplatzmangel oder Bauarbeiten sorgen nicht nur für erhitzte Gemüter, sondern vor allem für erhöhte Umweltbelastungen und Lärm. Die herkömmlichen Alternativen zeigen bereits heute, dass sie angesichts des steigenden Bevölkerungswachstums, des verstärkten Zuzugs in die Ballungsgebiete und eines anwachsenden Lieferverkehrs allein dieser Entwicklung nicht gerecht werden können. Um dennoch die inner- und interstädtischen Reisezeiten für Passagiere und Waren zukünftig deutlich zu reduzieren, soll der urbane und interurbane Luftverkehr einen immer größeren und weiterwachsenden Anteil am Passagier- und Frachtverkehr einnehmen.

Die technische Voraussetzung hierfür ist die Entwicklung innovativer Luftfahrzeugtypen, die die besonderen Anforderungen hinsichtlich Flugleistungen, -sicherheit und Lärmimmission erfüllen. Es existieren bereits weltweit verschiedene Ansätze für neue Flugzeugkonfigurationen, die die Anforderungen des zukünftigen urbanen Luftverkehrs adressieren. Dabei spielt insbesondere der Aspekt Lärm und Nachhaltigkeit bei dieser Suche eine immer entscheidendere Rolle. Fluggeräte, wie Hubschrauber, über die der urbane Luftverkehr derzeit primär verläuft, haben zwar die Fähigkeit auf sehr kleinen Plätzen zu operieren, werden aber in niedrigen Flughöhen als vergleichsweise laut wahrgenommen. Hinzu kommen deren hohe Komplexität und Energieverbrauch sowie die damit verbundenen Kosten.

Die gängigste Antriebsform stellt derzeit der Verbrennungsmotor dar, der eine schlechte Umweltbilanz sowie, in Verbindung mit der Anordnung der Propeller, ein hohes Lärmaufkommen darstellt. Als nachhaltigere Lösung steht daher der Wechsel zu elektrischen Antrieben in Verbindung mit der Reduktion des Propellerlärmes im Fokus. Derzeit ist allerdings die Frage nach den Anforderungen an die Flugleistungen und die Wirtschaftlichkeit neuer Flugzeugkonfigurationen nicht ausreichend beantwortet. Daher soll im Projekt S²TOL (Silent Short Takeoff and Landing) ein neues Konzept für ein extrem leises und kurzstartfähiges Luftfahrzeug entwickelt und im Flugexperiment demonstriert werden. Die Basis für dieses Luftfahrzeug stellt ein Tragschrauber dar.

Tragschrauber als Basis

Ein Tragschrauber ist ein Drehflügelflugzeug, bei dem der Rotor durch die anströmende Luft in Drehung versetzt wird. Im Gegensatz zum Hubschrauber wird der Rotor nicht durch ein Triebwerk angetrieben, sondern befindet sich während des gesamten Fluges im sogenannten Autorotationszustand. Durch die frei drehenden Rotorblätter ist ein komplexes Hauptrotorgetriebe überflüssig. Somit reduzieren sich die Herstellungs- und Betriebskosten eines Tragschraubers maßgeblich. Zudem zählen seine Wendigkeit sowie kurze Start- und Landestrecken – steile An- und Abflüge sind möglich – zu weiteren dringend notwendigen Eigenschaften für den Einsatz im urbanen Raum.

Zertifizierung der Tragschrauberkonfiguration

Aktuell verfügbare Tragschrauber finden sich ausschließlich in der Klasse ultraleichter Luftsportgeräte. Eine Musterzulassung erfolgt lediglich nach nationalem Recht und ist in Deutschland durch die „Bauvorschriften für Ultraleichte Tragschrauber“ (BUT) des Luftfahrtbundesamtes geregelt. Die Zulassung einer neuen Flugzeugkonfiguration ist ein sehr aufwendiger und zeitintensiver Prozess. Daher ist ein weiterer Schwerpunkt des Projektes die Erforschung eines datenbasierten Nachweises der Lufttüchtigkeitsanforderungen. Hierzu sollen bestehende Lufttüchtigkeitsanweisungen und -richtlinien analysiert und in eine luftfahrtzulassungsfähige Faserverbundprozesskette integriert werden.

Zum Abschluss des Projektes S²TOL soll diese neuartige Zulassungskette am Beispiel der komplexen Faserverbundstruktur einer Triebwerksgondel (Nacelle) demonstriert werden. Die Erbringung des Lufttüchtigkeitsnachweises soll ohne Begleitproben erfolgen, infolgedessen ist beispielsweise der Aushärtegrad sensorisch gekoppelt mit numerischen Modellen zu bestimmen.

Forschungsschwerpunkte Urban Air Mobility

Das Ziel des Projektes ist die Bewertung einer neuen Tragschrauberkonfiguration hinsichtlich Flugleistung, -sicherheit und Lärmimmission im Flugversuch sowie die Ableitung neuer Lufttüchtigkeitsanforderungen im Hinblick auf eine zukünftige EASA-Zertifizierung. So liegt das Augenmerk auf der Entwicklung und Erprobung von Technologien, die Lärmemission verringern sowie die Flugleistungen optimieren sollen. Für eine reduzierte Lärmimmission und mehr Nachhaltigkeit wird der Einsatz elektrischer Antriebe in Kombination mit zwei großen frei angeströmten Propellern bzw. mit zwei Mantelpropellern untersucht.

Schwerpunkt des Projektes ist die Flugerprobung mittels zweier Demonstratoren mit circa 400 kg Abflugmasse. Die Flugerprobung erfolgt unbemannt, dafür werden die Demonstratoren mit Akkus, Elektromotoren, Aktuatoren und einer kompletten Flugsystemsteuerung ausgestattet. Mit dem Aufbau und der Flugerprobung der Demonstratoren werden einmalige Messdaten generiert, die zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen beitragen werden.

Die Vision ist ein leiser, leistungsfähiger Tragschrauber mit EASA-Zertifizierung. Im Rahmen des Projekts S²TOL sollen alle erforderlichen Grundlagen hinsichtlich Struktur, Fertigungstechnik sowie Flugmechanik für die Zertifizierung definiert, erforscht und erprobt werden.

Projektdaten

 

Laufzeit

3 Jahre

Beteiligte Institute

  • DLR-Institut für Flugsystemtechnik
  • DLR-Institut für Systemleichtbau
  • Partner

    RWTH-Institut für Strahlantriebe und Turbomaschinen

    Kontakt

    Dr.-Ing Holger Duda

    Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
    Institut für Flugsystemtechnik
    Flugdynamik und Simulation
    Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig