Außergewöhnlicher "Zuschauer" beim Simulationslauf für einen geostationären Satelliten
Zahlreiche Codezeilen laufen über den großen Bildschirm in einem Kontrollraum des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums, kurz GSOC (German Space Operations Center). Alles Kommandos, die an einen Satelliten im All geschickt werden - diesmal ist es allerdings eine Simulation. Bei aller Konzentration, die wir bei unserer Arbeit brauchen, ein außergewöhnlicher Zuschauer ist ab und zu willkommen. Heute "schaut" uns Käpt‘n Blaubär, die beliebte Figur aus der Sendung mit der Maus, bei der Arbeit zu. Er hat gut lachen. Er hat keinen Stress. Wir dagegen sind sehr beschäftigt: Unter den aufmerksamen und erfahrenen Augen von Flugdirektor Franck Chatel und Mission Operations Director Ralf Faller testen wir gerade einen Satelliten in seiner "geostationären Box" aus - aber nur in der Theorie. In Wirklichkeit steht die kleinwagengroße Maschine noch in einem Reinraum und wartet auf ihren Transport nach Kourou.
Mit dieser Simulation wird unser Team auf ein komplexes Zusammenspiel trainiert, verschiedene Prozeduren und Kommandosequenzen, die fließend und fehlerfrei durchlaufen werden müssen. Unsere Flight Controller müssen mit den Tools an der Konsole wie im Schlaf umgehen können und stets wissen, wer mit wem interagieren muss, wo die notwendigen Daten und Dateien zu finden sind. Und auch unter Stress müssen Probleme mit dem Satelliten oder dem Bodensystem gelöst werden können.
Geostationäre Satelliten - eine Klasse für sich
Unser "Baby" ist ein geostationärer Satellit. Am GSOC teilen wir die Projekte grob nach ihrer Flughöhe auf: In der LEO-Gruppe (Low Earth Orbit) sind die niedrig-fliegenden Satelliten beheimatet, in der GEO-Gruppe die geostationären. Sie sind weiter von der Erde entfernt, etwa 36.000 Kilometer. Ihre Geschwindigkeit ist sozusagen "synchron" zur Drehgeschwindigkeit der Erde, sodass sie dauerhaft stationär über einem Punkt am Erdboden bleiben. Ist der Satellit über dem Äquator, scheint er über einem bestimmten Gebiet der Erde stillzustehen. Jede Fernsehantenne ist auf einen solchen geostationären Satelliten ausgerichtet. Auch viele Kommunikationssatelliten benutzen den "Geo". Diese Bahnhöhe ist dementsprechend heiß begehrt bei kommerziellen Betreibern. Deshalb ist der zur Verfügung stehende Raum begrenzt und muss aufgeteilt werden. Es werden Boxen definiert, Bereiche auf der Umlaufbahn, die den Satellitenbetreibern zugeteilt werden.
Die Aufteilung der Satelliten am GSOC in zwei Gruppen nach Flughöhe ist sinnvoll, denn die Betriebskonzepte unterscheiden sich gravierend: Die Umlaufzeit hängt nach den Regeln der Physik direkt mit der Flughöhe zusammen. Die Umlaufzeit definiert die Sichtbarkeit des Satelliten für unsere Empfangsstationen am Boden. In der Bahnhöhe der niedrigeren LEO-Satelliten muss der Satellit sehr schnell seine Bahnen um die Erde drehen, um nicht wieder herunterzufallen: In 90 Minuten geht es einmal um den Erdball.
Da wir einen Satelliten im Routinebetrieb nur mit einer oder ein paar wenigen Bodenstationsantennen bedienen, ist die Sichtbarkeit dann auf ein kurzes Zeitfenster beschränkt. Aus Sicht unserer Antennenanlage geht der Satellit am Horizont auf, um nach einigen Minuten schon wieder zu "verschwinden". Es muss schnell gehen bei den LEOs: In dieser kurzen Zeit müssen die Kollegen im Kontrollraum die Verbindung mit dem Satelliten aufbauen, dessen Vitalparameter (Telemetrie) und auch die Daten der jeweiligen wissenschaftlichen Experimente herunterladen und prüfen. Außerdem werden die für den Zeitraum der "Unsichtbarkeit" auszuführenden Kommandos zum Satelliten hochgeschickt. Diese Kommandos sind mit einem sogenannten Time Tag versehen, der exakt bestimmt, zu welcher Zeit sie ausgeführt werden sollen. Dazu sind im Vorfeld jede Menge an Planung, Konzepten und Tools notwendig.
Wir haben - im Gegensatz zum LEO-Betriebskonzept - mit unserem GEO praktisch unbegrenzt Zeit: Nachdem der Satellit von der Erde aus gesehen scheinbar stillsteht, haben wir ununterbrochen Kontakt - von einer einzigen Antennenanlage aus, unserer Bodenstation in Weilheim. Das heißt, die Telemetrie-Daten kommen ständig rein und wir können jederzeit neue Befehle senden. Wir brauchen keine derart aufwändige Planung wie für die niedrigen LEO-Satelliten. Diese Vorteile gibt es allerdings nicht, ohne einen Nachteil in Kauf nehmen zu müssen: Es muss rund um die Uhr jemand an der Konsole sitzen, um die Überwachung unseres geostationären Satellitenparks zu gewährleisten.
Soweit ist es für den neuen Satelliten allerdings noch nicht. Die Simulation läuft unter den interessierten Augen von Käpt´n Blaubär noch einige Stunden weiter, das virtuelle Lageregelungssystem wird auf Herz und Nieren getestet. Aber bald fliegt der Satellit und der Käpt´n kann seinen Enkeln eine wahre Geschichte erzählen. Einmal kein Seemannsgarn.
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