Fräsen, Blechbiegen, Schleifen und Anreißen

Samira Bingen wird im DLR zur Industriemechanikerin ausgebildet.

Samira Bingen zieht die schwere Rolltür zur Seite und greift nach dem montierten Werkzeug der Fräsmaschine. Ein kurzes Tippen auf das Bedienfeld mit der rechten Hand und das Werkzeug lässt sich leicht von der Maschine ablösen. Die 20-Jährige stellt gerade für das Institut für Antriebstechnik einen Haltewinkel exakt nach den Anforderungen her. In der Fräsmaschine ist das Metallstück dafür eingespannt, auf der Arbeitsfläche liegt die technische Zeichnung, die das Objekt mit den entsprechenden Maßen aus verschiedenen Perspektiven zeigt. Ohne räumliches Denken kommt man hier nicht weit. Samira Bingen ist im dritten Lehrjahr und mitten in ihrer Ausbildung zur Industriemechanikerin mit dem Schwerpunkt Feingerätebau. Vor zwei Wochen ist sie von der benachbarten Lehrwerkstatt in die Zentralwerkstatt des DLR gewechselt, die im Auftrag der Institute fertigt. Das, was die Auszubildende hier herstellt, wird später in Anlagen oder für Experimente eingesetzt.

Hauptsache Handwerk

Arbeiten an den Maschinen in der Zentralwerkstatt

Im August 2020 hat die angehende Industriemechanikerin am DLR mit der Ausbildung begonnen. Dass es etwas Handwerkliches sein sollte, war ihr schon während der Realschulzeit klar. Schon oft hatte sie ihrem Vater Zuhause geholfen, baute gerne Sachen zusammen. Chemielaborantin, Schreinerin, das alles konnte sie sich vorstellen. Über Freunde, die ihre Ausbildung beim DLR gemacht hatten und von ihrer Arbeit erzählten, kam eine neue Option hinzu. „Ich kannte das DLR auch schon, weil ich mit meiner Schulklasse mehrfach im DLR_Schoollab zu Besuch war.“ Nach dem erfolgreichen Einstellungstest kam dann nach der Einstellung die Aufgabe, die auf alle Anfängerinnen und Anfänger wartet: U-Stahl feilen. Keine Maschinen, sondern echte Handarbeit, bei der ein u-förmiges Stahlstück präzise auf Maß gefeilt werden muss. „Das ist nicht gerade die spaßigste Arbeit, aber man lernt dadurch und danach kommen dann auch die coolen Sachen.“ Die coolen Sachen? „Man freut sich, wenn man endlich an der Maschine steht.“

Eine Dampfmaschine als Projekt

Samira Bingen lernt einen Beruf mit vielen Möglichkeiten.

Der gefeilte U-Stahl ist aber keine reine Fingerübung – das Werkstück ist vielmehr das erste Teil einer Dampfmaschine, die jede Auszubildende und jeder Auszubildender der Lehrwerkstatt bis zum ersten Teil der Abschlussprüfung bauen muss. „Bei uns sollen die Auszubildenden nicht für die Tonne arbeiten, sondern gleich ein großes, eigenes Projekt verfolgen“, sagt Jörg Hofmann, gewerblich-technischer Ausbildungsleiter am DLR-Standort in Köln. Vor 40 Jahren hat er selbst seine Ausbildung am DLR absolviert. Damals hieß das noch „Mechaniker“ – „heute ist das alles viel komplexer geworden - man erlernt einen sehr breit gefächerten Beruf und kann sich später ein Spezialgebiet auswählen“, sagt der Ausbildungsleiter.

Ausbildungsplan für 3,5 Jahre

Seine Ausbildungsjahrgänge – mit Samira Bingen sind noch sechs weitere Azubis im selben Jahrgang – durchlaufen einen umfangreichen Ausbildungsplan. Sägen, Feilen, Anreißen, Körnen, Bohren, Reiben, Senken, Gewindeschneiden, Schleifen, Meißeln, Blechbiegen, Nieten, Löten und Federwickeln sind die Fähigkeiten, die die Auszubildenden innerhalb von 3,5 Jahren lernen. Wer gut ist, kann auf drei Jahre verkürzen. Ausgebildet wird an den Maschinen der Lehrwerkstatt, in den Instituten und am Berufskolleg. Nach der Ausbildung werden die Azubis für neun Monate übernommen und in den Werkstätten arbeiten. „Manche bleiben dann im DLR, andere entscheiden sich fürs Studium oder die Meisterausbildung.“ Das Spektrum der Auszubildenden geht über alle Schulformen und Altersgruppen hinweg. „Im Zeugnis sollten nur keine allzu langen Wörter als Noten stehen, und in unserem praktischen Einstellungstest sollte man gute Leistung zeigen.“

Lernen mit fachkundiger Unterstützung

David Merten und Samira Bingen fertigen einen Auftrag für ein Institut.

In der Zentralwerkstatt hat mittlerweile der Fertigungsprozess des Haltewinkels begonnen. Der Werkzeugarm der Maschine fährt dicht an das Metallstück heran. „Als erstes werden alle Seiten angetastet, bevor das Fräsen beginnt“, erläutert Samira Bingen. Gemeinsam mit Maschinenbediener David Merten hat die angehenden Industriemechanikerin das entsprechende Programm für die CNC-Fräse vorbereitet. Und dann blinkt sie auf, die Fehlermeldung. Der Werkzeugarm fährt nicht in die Position, in die er fahren soll. Nach einigen Versuchen holt die Auszubildende den erfahrenen Maschinenbediener hinzu. Der guckt, erklärt kurz und korrigiert am Bedienfeld. Das eingespannte Metallstück dient schließlich nicht der Übung, sondern ist eine beauftragte Maßanfertigung – bevor etwas schiefgeht, fragt Samira Bingen lieber nach. „Ich habe gerade erst meinen CNC-Lehrgang an der Fräsmaschine gemacht und die Maschinen unterscheiden sich auch immer etwas voneinander.“

„Prüf- und Teststände finde ich sehr spannend“

In ihrer frisch begonnenen Ausbildungsetappe in der Abteilung Fan und Verdichter des Instituts für Antriebstechnik hat sie bisher viel Montagearbeiten ausgeführt, geprüft und getestet. Auch dort hat sie einen festen Ansprechpartner, der sie in ihrer Ausbildung begleitet und betreut. „Rundlauf“ nennt sich das Konzept, bei dem die Azubis im zweiten und dritten Lehrjahr durch die verschiedenen Institutswerkstätten wandern. „Prüf- und Teststände finde ich sehr spannend“, sagt sie. Nach ihrer Ausbildung, da ist sie sicher, will sie gerne neun Monate am DLR weiterarbeiten. Als Industriemechanikerin wird sie einen Beruf haben, der sehr gute Perspektiven mitbringt. „Wir müssen einfach regelmäßig und gut ausbilden, denn wir brauchen solche Leute für unsere Institute“, sagt Ausbildungsleiter Jörg Hofmann.