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Herr über mehr als 2000 bewegliche Spiegel

Ingenieur Oliver Kaufhold ist für das Spiegelfeld am Solarturm Jülich verantwortlich.

Oliver Kaufhold ist der Herr über 2016 Heliostate - bewegliche Spiegel, die das Sonnenlicht auf die Receiver in den beiden Solartürmen des DLR in Jülich lenken. Letztendlich gibt das Wetter seinen Tagesablauf vor: Im Sommer, wenn die Sonnentage ohne Bewölkung reichlich sind, sind die Arbeitstage für den Ingenieur intensiv und lang. Im Winter sind es die knackig kalten Tage, an denen die Sonne durch eine trockene Atmosphäre - ungehindert von Feuchtigkeit in der Luft - auf die Spiegel trifft. An diesen Tagen werden von DLR und externen Partnern Experimente durchgeführt, und Oliver Kaufhold ist für den Betrieb des Heliostat-Felds verantwortlich.

Die Sonnenseiten des Arbeitens

Während draußen das Sonnenlicht auf das acht Hektar große Feld mit den Heliostaten scheint, ist es im Kontrollraum auf halber Höhe des Solarturms kühl. Die Klimaanlage läuft, auf den sechs Bildschirmen sind die Heliostate als kleine Vierecke abgebildet, Kameras übertragen Außenaufnahmen und Daten in Echtzeit zeigen, was im Receiver des Turms gerade passiert. Eigentlich hätten heute gleich zwei Experimente angestanden, für die Ingenieur Oliver Kaufhold die Heliostate zur Verfügung gestellt hätte. Doch bei beiden Experimenten hatten sich kurzfristig Änderungen ergeben. Daher nutzt der 40-Jährige die heutigen Sonnenstrahlen, um den Speicher im Solarturm zu füllen. Der rund 60 Meter hohe Turm ist ein solarthermisches Versuchskraftwerk, das rund 400 Haushalte mit Strom versorgen könnte. Dafür wird die Sonnenstrahlung auf den aus keramischen Absorbermodulen bestehenden Hauptreceiver des Solarturms gerichtet. Dabei wird Luft auf etwa 620 Grad Celsius erwärmt. Mit der Wärme wird Wasserdampf erzeugt, der über eine Turbine Strom produziert. An sonnenreichen Tagen kann zudem ein Speicher erwärmt werden, der zum Ausgleich von Wolkendurchzügen oder an bewölkten Tagen seine Energie abgeben kann.

Über Bildschirme kann Oliver Kaufhold jeden einzelnen Spiegel kontrollieren und ansteuern.

„Wir müssen bei unserer Arbeit flexibel bleiben - unsere Planungen können kurzfristig immer über den Haufen geschmissen werden“, sagt Oliver Kaufhold, der in der Gruppe „Solare Kraftwerkstechnik“ im Institut für Solarforschung gemeinsam mit Ingenieur/innen und Technikern die beiden Türme am Standort in Jülich operationell bedient. Wolken, die über das Versuchsfeld ziehen, Experimente, an denen noch gefeilt und optimiert wird, Technik, die nicht so reibungslos funktioniert wie geplant. Das Team muss sich an alle Gegebenheiten anpassen, damit die Forschung möglich wird.

Erfahrungen und Fingerspitzengefühl

Oliver Kaufhold kam 2013 - nach Realschule, Ausbildung zum Industriemechaniker in der Geräte- und Feinwerktechnik, einem Maschinenbaustudium und der Tätigkeit als wissenschaftlichem Mitarbeiter am Solar-Institut Jülich - zum DLR-Institut für Solarforschung. Damals irgendwie als „Mädchen für alles“ am Spiegelfeld, sagt er, und dass diese Zeit zum Glück vorbei wäre. Bereits vier Jahre nach Errichtung waren Spiegel korrodiert, viele Antriebe zur Ausrichtung der Spiegelflächen defekt. Seine erste und große Aufgabe daher: Das Reflektorsystem auszubessern und für den Betrieb zu optimieren. Neubeschaffung, Wartung, Betrieb, alles musste möglichst zeitgleich erfolgen. Die hunderten Stunden im Spiegelfeld haben ihm allerdings die Erfahrung gebracht, von der er heute beim Betrieb, der Überwachung der Heliostate und der Analyse der Heliostat-Leistung profitiert. Welche Leistung benötigen die Experimentator/innen? Welche Heliostate lassen sich für ein Experiment ideal nutzen? Welche Versuche lassen sich gegebenenfalls kombinieren und parallel betreiben?

Oliver Kaufhold bespricht vor jeder Nutzung von Turm und Spiegelfeld mit den Forschenden den Versuchsablauf, erstellt mit ihnen eine Priorisierung und teilt dementsprechend die Spiegel für die Experimente zu. Teilweise laufen Experimente zeitgleich auf beiden Türmen - dem 2008 errichteten Solarturm mit seinem 22 Quadratmeter großen Receiver und dem 2020 erbauten Multifokusturm. Die Erfahrung der letzten zehn Jahren hat ihm das Fingerspitzengefühl gegeben, auch das kleinste Optimierungspotenzial zu erkennen und beispielsweise im Finetuning den Brennfleck ganz exakt auf die Mitte des Receivers auszurichten. Oder mit der richtigen Portion Geduld mit den Heliostaten die Rohre im Turminneren aufzuwärmen, in denen während des Versuchs flüssiges Salz als Wärmeträger fließen soll.

Taktgeber ist das Wetter

Über 2000 Spiegel stehen Oliver Kaufhold zur Verfügung, um die Sonnenstrahlung für Experimente an den Solartürmen zu bündeln.

„Ich fand die Technik schon immer spannend“, sagt der Planungs- und Versuchsingenieur. Schon in seiner Diplomarbeit am Solar-Institut Jülich beschäftigte er sich mit dem Aufbau eines Simulationsverfahrens zur Untersuchung keramischer Hochtemperaturabsorber für Solarturmkraftwerke. Letztendlich ist es auch wohl die Vielfalt der Aufgaben und die notwendige Flexibilität, die ihn an seiner Arbeit faszinieren. Wenn die Sonnenstrahlung die Taktung vorgibt, ist ein ganz geregelter Büro-Job nicht möglich. Die Schlechtwetterphasen sorgen dann für die Work-Life-Balance. Auf den Bildschirmen im Kontrollraum fahren die Heliostate gerade in einen Sicherheitsmodus. Alle Spiegelflächen zeigen in Richtung Himmel. Die Anlage ist nicht ungefährlich, wenn die Sonne von den Spiegeln gebündelt wird. Im laufenden Betrieb darf niemand auf das Dach der Türme, in den Versuchskammern schalten sich die Experimente ab, wenn jemand während eines Versuchs eintritt. Auch im Kontrollraum selbst ist ein großer roter Not-Aus-Knopf, der im Fall der Fälle die Spiegel unverzüglich defokussiert und die Bündelung der Sonnenstrahlen unterbricht. Warum die Spiegel gerade selbstständig in den Sicherheitsmodus gegangen sind? Das könnte eine kurze Stromunterbrechung gewesen sein. Oliver Kaufhold wird es herausfinden. Nichts kommt, wie es geplant ist. Das eine sind die Simulationen, das andere die Realität, sagt er.