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Von Pappkartons und Hightech-Drohnen – die Zukunft der humanitären Hilfe

Wings for Aid und DLR in letzten Flugvorbereitungen
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© DLR. Alle Rechte vorbehalten

Hallo, liebe Technikbegeisterte! Ich muss euch von einem Ereignis berichten, das uns kürzlich in Atem hielt. Es waren Tage voller Spannung, wenig Schlaf, ein paar Adrenalinschüben und reichlich Stolz. Die Protagonisten dieser Geschichte? Wir, das sind neben mir einige Kollegen aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), insbesondere Dr. Sven Lorenz und Martin Laubner, sowie unsere niederländischen Freunde von Wings for Aid. Zusammen haben wir den Himmel auf eine Art und Weise erobert, die noch vor wenigen Jahren wie Science-Fiction geklungen hätte und kämpften gegen widrige Bedingungen, um zu erproben, wie Technik Leben retten kann.

Ein Erfahrungsbericht aus Südafrika

Der MiniFreighter auf der „Start- und Landebahn"
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Endlich, nach einer 20-stündigen Reise, sind wir am Testgelände in der Nähe der südlichsten Spitze Südafrikas angekommen, erschöpft, aber gespannt. Und da steht es, das unbemannte Flugzeug: der MiniFreighter von Wings for Aid. Naja, „Testgelände“ klingt vielleicht etwas hochgegriffen. Eigentlich handelt es sich um eine einfache Farm inklusive Start- und Landepiste aus Erde, Matsch, Steinen und mit Büschen am Rand – und Kühen. Kaum feste Gebäude, Ausrüstung vor Ort ist nur das, was Wings for Aid selbst mitgebracht hat und eine Wellblechhalle, die sicher auch viel zu erzählen hätte. Ein Zelt haben wir selbst dabei, das uns vor Sonne und Niederschlag schützt. Es wird unsere Leitzentrale, bestehend aus einer Bodenkontrollstation, mehreren Laptops, einer Wetterstation und Aufbauten für die Datenverbindungen zur Drohne.

Was auf den ersten Blick nach widrigen Umständen aussieht, sind für uns ideale Voraussetzungen für einen automatisierten Flug außerhalb der Sichtweite. Das unbemannte Flugzeug ist soeben – nach wochenlanger Transportzeit auf dem Schiff in einem Container – angeliefert worden und wartet darauf, zum ersten Mal hier vor Ort in Betrieb genommen zu werden. Nach den notwendigen Inspektionen, Vortests, Briefings und einem starken Kaffee beginnen wir mit der Vorbereitung für den ersten Flug. Ein spannender Moment!

Der spannende Moment – Das neue unbemannte Luftfahrzeug bricht zu ersten Flügen außerhalb der Sichtweite auf
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Mit einer Abflugmasse von über 600 Kilogramm stellt dieses unbemannte Flugzeug eine neue und größere Generation von Transportdrohnen dar. Das Besondere daran: Sie ist dafür konzipiert, Hilfsgüter zu Menschen in Not zu liefern. Besondere Boxen aus Pappe werden dafür verwendet, die mehr als 20 Kilogramm Nutzlast tragen können und mit aerodynamischen Bremsklappen sowie einer Knautschzone ausgestattet sind. Ganze acht von diesen Kartons kann eine einzelne Drohne transportieren und zielgerichtet abwerfen. Mehrere Drohnen gleichzeitig sollen später enorme Mengen automatisch befördern können.

Ihr hättet den Flieger von Wings for Aid sehen sollen, wie er die unbefestigten und unbewachsenen Landebahnen meistert! Und das nicht nur einmal, sondern immer wieder. In stundenlangen Flügen beweist die Drohne ihre Ausdauer, wirft zuverlässig ihre Fracht ab und übersteht sogar die ersten Herausforderungen des Betriebs außerhalb der Sichtweite – ein wichtiger Schritt in Richtung einer autonomen Zukunft der Luftfracht.

Das Flugversuchsteam belädt das unbemannte Flugzeug für seine erste Mission in Südafrika
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Eine Technologie mit Potenzial zum Gamechanger, gerade in Zeiten des Klimawandels

Auch wir rechnen damit, dass Naturkatastrophen und Extremwetter-Ereignisse zunehmen werden und wir müssen effiziente und schnell einsetzbare Lösungen zur Unterstützung der betroffenen Menschen entwickeln. Diese Drohnentechnologie kann abgelegene Orte und sogar zielgerichtet einzelne Familien mit lebenswichtigen Hilfsgütern versorgen, selbst wenn herkömmliche Transportwege unpassierbar sind.

„Derart großen Drohnen, die nur über dünn besiedelten Gebieten und unterhalb des regulären Luftverkehrs fliegen würden, könnten eine innovative und kosteneffektive Lösung für den Transport darstellen”, erklärt Dr. Sven Lorenz, der das DLR-Projekt ALAADy-CC (Automated Low Altitude Air Delivery - Cross Country) leitet. Im Rahmen dieses Projekts sind die Flugtests mit Wings for Aid nur ein kleiner Teil einer Reihe von spannenden Forschungsaktivitäten am DLR-Institut für Flugsystemtechnik.

Idyllisch: Leitzentrale im Sonnenuntergang
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Wir beschäftigen uns unter anderem mit Methoden und Technologien für die Flugerprobung innovativer größerer Drohnenkonfigurationen, die so auf dem aktuellen Markt noch nicht zu finden sind. Dabei stellt sich uns die Frage, wie solche unbemannten Flugsysteme in Zukunft zertifiziert und sicher betrieben werden können, ohne die Kosten in die Höhe zu treiben. Sicherheit ist, wie in allen Bereichen der Luftfahrt, das oberste Gebot. Dennoch müssen Drohnen deutlich kostengünstiger sein als herkömmliche bemannte Luftfahrzeuge.

Glücklicherweise entstehen bei uns am Institut neue Methoden für die Nachweisführung. Unbemannte Luftfahrzeugsysteme haben dabei den großen Vorteil, dass (Achtung: Überraschung) sich niemand an Bord befindet. Es ist also wesentlich einfacher, Drohnen nur dort fliegen zu lassen, wo sich wenig anderer Luftverkehr oder kaum Menschen befinden –so wie bei der Flugkampagne hier in Südafrika.

Da heute noch eine Menge Personal in den Betrieb solcher Drohnen eingebunden werden muss, forschen wir an der zunehmenden Autonomie dieser Systeme. Drohnen sollen sich nahtlos in die Logistik der humanitären Hilfe einfügen und das mit so wenig menschlicher Interaktion wie möglich.

Interessieren Euch Details? Dann schaut doch zum Beispiel bei unserem Projekt Drones4Good vorbei. Hier forschen wir in der Abteilung Unbemannte Luftfahrzeuge am DLR-Standort Braunschweig daran, humanitäre Güter in Zukunft vollautomatisch abzuwerfen. Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) werden hier genutzt, um sicherzustellen, dass die Güter nur dann abgeworfen werden, wenn die Lieferzone frei ist. Die Herausforderung und besonderes Augenmerk liegen dabei auf der Zuverlässigkeit dieser KI-Methoden, die hier sicherheitskritische Aufgaben übernehmen sollen. Praktisch benötigt man dazu heute immer noch einen Menschen, der entweder vor Ort ist oder zumindest einen Blick auf Echtzeit-Videomaterial vom Lieferziel werfen kann.