| Raumfahrt

Wanderer zwischen Labor und Werkbank

Dr. Jens Hauslage ist Biologe mit Hang zur Technik.

Jens Hauslage ist selbst im sehr diversen DLR ein Exot: Er ist Botaniker. Was auf den ersten Blick nur wenig Verbindung zu den Forschungsgebieten des DLR hat, ist auf den zweiten Blick ganz logisch mit der Raumfahrt verknüpft: Die Schwerkraft, sagt der Biologe, ist die einzige Konstante in der Evolution. Da stellt sich die Frage: Welchen Einfluss hat die Schwerkraft auf das irdische Leben? Zellen erkennen beispielsweise schon nach wenigen Sekunden, wenn statt Schwerkraft die Schwerelosigkeit auf sie wirkt. Jens Hauslage bringt daher seine „Probanden“ auf Parabelflügen, in Falltürmen, auf Satelliten und Höhenforschungsraketen wie MAPHEUS ins All. Meistens auf selbstgebauten Instrumenten, denn er ist nicht nur Biologe, sondern auch Techniker.

Wissenschaftler und Ingenieur

Arbeiten zwischen Bauteilen, Steinen und Kabeln.

Wenn Schreibtische und Bürofensterbänke ein Spiegel des jeweiligen Mitarbeiters sind, reicht ein Blick in das Büro von Jens Hauslage: Pflanzenableger, elektronische Bauteile, besondere Steine, Werkzeuge und zusammengebaute Gadgets wie eine Uhr, die seine Fahrzeit im Feierabendverkehr nach Hause anzeigt, bevölkern seine direkte Arbeitsumgebung. „Ich bin in beiden Welten unterwegs - in der Welt der Wissenschaft und des Ingenieurswesens“, sagt Jens Hauslage. „Beide haben ihre eigene Sprache, die ich verstehe.“ Meistens arbeiten sich beide Bereiche zwar im Team einander zu, aber nicht immer ist der Austausch zwischen den verschiedenen Disziplinen einfach. Der promovierte Botaniker sieht sich als Link, als Verbindungsglied zwischen beidem. Experimente entwerfen, Daten auswerten und wissenschaftliche Veröffentlichungen schreiben, aber auch frickeln, basteln, ausprobieren und für Probleme technische Lösungen finden. Der Arbeitstag von Jens Hauslage sieht immer anders aus und verbindet beides mühelos miteinander. Das DLR, sagt er, ist der Ort, an dem er sich entfalten kann.

Biofilter für Erde und All

Alleine mit den Höhenforschungsraketen des langjährigen MAPHEUS-Projekts hat er schon rund 15 Experimente betreut und durchgeführt. Hefen, Tiere, Pflanzen, die ganze Bandbreite des Lebens hat er dabei untersucht. Auf 15 Parabelflugkampagnen hat er über 600 Mal selbst den Wechsel von Schwerkraft und Schwerelosigkeit am eigenen Körper erfahren, während er seine Instrumente bediente und überwachte. Eines seiner größeren Projekte war der rotierende Satellit Eu:CROPIS, der 2018 ein geschlossenes Lebenserhaltungssystem ins All brachte. Unter Mond- und Marsbedingungen sollten damals Tomatenpflanzen in Gewächshäusern im Inneren des Satelliten zum Blühen gebracht werden. Ein Softwareproblem im All verhinderte das Einschalten des Experiments - Raumfahrt ist ein nicht zu hundert Prozent planbares Geschäft. Der von Jens Hauslage dafür entwickelte Biofilter C.R.O.P. findet derzeit dennoch seinen irdischen Einsatz: Was im All bei Langzeitmissionen zum Beispiel den Urin der Astronauten in Nährstofflösung für die Aufzucht von Lebensmitteln umwandeln könnte, wird in der nahen Zukunft über die Ausgründung „Nunos“ auf der Erde dafür sorgen, dass Gülle in eine geruchsfreie Nährstofflösung für die Landwirtschaft umgewandelt wird oder auch die Reste von Arzneimitteln aus dem Abwasser herausgefiltert werden.

Überzeugungstäter aus Neugier

Im Labor untersucht Jens Hauslage Proben.

„Ich sehe mich als Ideengeber, mich treibt die Neugier an“, sagt Jens Hauslage. Einen Überzeugungstäter nennt er sich selbst. Und das eigentlich seit Grundschultagen. „Ich wollte immer Wissenschaftler werden und Experimente machen.“ Naturwissenschaften waren sein Ding, die übrigen Fächer eher nicht so. Als Kind saß er bereits vor dem Fernseher, um die Shuttle-Starts zu verfolgen oder in den Nachrichten von dem Projekt Biosphere II in den USA zu hören, bei dem eine Crew für zwei Jahre in ein geschlossenes Ökosystem einzog.  Im Biologiestudium nahm er noch vor dem Diplom das erste Mal an einer Kampagne mit der Höhenforschungsrakete MAXUS 5 teil. 2003 war das auf dem schwedischen Raketenstartplatz Esrange. Seitdem sind Biologie und Raumfahrt endgültig für ihn untrennbar. „Raumfahrt ist für mich die Inspiration für unser Raumschiff Erde, dass so zerbrechlich und klein im Sonnensystem ist.“ Sein Ziel: die Welt verstehen und dafür seine Liebe zu Wissenschaft und Technik zusammenzubringen.

Katzengold und Stäublinge zur Erholung

Während der MAPHEUS-13-Kampagne in Schweden, bei dem er zwei Teams von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern mit neurobiologischen Experimenten betreut, nutzt er die Pausen ebenfalls für kleine biologische Exkursionen um die Integrationshalle. Flechten, Moose - Jens Hauslage findet für alle Überlebenstaktiken der Biologie Bewunderung. Pilze, die bei Berührung über Staubwolken ihre Sporen verteilen, zum Beispiel. Der Biologie sieht die Schönheit und Raffinesse der Natur auch im Kleinen. Immer wieder bückt er sich und hebt Steine auf - auf dem großen Ballonstartplatz schimmert in vielen Steinen Katzengold. „Heißt eigentlich Pyrit. Oder auch Narrengold.“ Das Laufen durch die Natur macht seinen Kopf zwischendurch angenehm leer. Die gefundenen Steine wandern in seine Jackentasche. Die Sammlung auf seinem Schreibtisch im improvisierten Kampagnenbüro wird also wieder etwas größer werden und sich den Platz mit Kabeln und Relais teilen.