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Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung: Wie vor 60 Jahren ein Zufallsfund das kosmologische Weltbild erhellte

Erstes Gesamtbild der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung
Dieses allererste Gesamtbild der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung mit minimalen Temperaturunterschieden im Strahlungsspektrum wurde mit dem Differential Microwave Radiometer (DMR) auf dem Cosmic Background Explorer (COBE) gemessen. Die Fluktuationen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds betragen nur ein Hunderttausendstel der durchschnittlichen Temperatur des Strahlungsfelds von 2,73 Grad Kelvin. Sie spiegeln den Dichtekontrast im frühen Universum wider, aus dem sich Galaxienhaufen und riesige galaxienleere Regionen bildeten. Die DMR-Messungen sind das Ergebnis einer zweijährigen Beobachtungszeit zwischen den Jahren 1989 und 1993.
Credit:

NASA Goddard Space Flight Center/COBE Science Working Group

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Als die beiden Physiker und Radioastronomen Arno Allan Penzias (1933 bis 2024) und Robert Woodrow Wilson (geboren 1936) am 20. Mai 1964 auf die Registrierkurve ihrer Messungen, die sie soeben mit der 20-Fuß-Hornantenne der Bell Telephone Laboratories auf dem Crawford Hill in Holmdel gewonnen hatten, schauten, waren sie überrascht, bei einer Wellenlänge von 7,35 Zentimetern einen Exzess, ein Rauschen in der Antennentemperatur zu sehen, das sie sich beim besten Willen nicht erklären konnten.

Alle Möglichkeiten, die ihnen bekannt waren und plausibel erschienen, wurden als Quelle für das eigenartige Rauschen in Betracht gezogen und geprüft. Doch weder besondere Eigenschaften der Erdatmosphäre noch eine von Menschen verursachte Störung kamen infrage. Eine Strahlung aus der Milchstraße oder von unaufgelösten fernen Radioquellen konnte ebenfalls ausgeschlossen werden, denn das Signal wurde gleichstark aus allen Richtungen aufgefangen. Andernfalls hätte sich infolge der Erdrotation eine richtungsabhängige Intensität herausgestellt.

So blieben also nur noch eventuelle Fehler durch die Teleskopstruktur und das radiometrische Empfangssystem als Ursache. Doch dessen Bauteile funktionierten, wie eine intensive Überprüfung ergab, einwandfrei. Und sogar, nachdem die beiden Wissenschaftler ein Taubenpaar aus der Hornantenne vertrieben und dessen „weißes dielektrisches Material“ beseitigt hatten, änderte sich nichts: Das eigenartige Rauschen hielt unvermindert aus allen Richtungen kommend an.

Holmdel-Hornantenne der Bell Telephone Laboratories in New Jersey
Die Holmdel-Hornantenne wurde 1959 für die Telekommunikation mit den Echo-Ballonsatelliten errichtet. Mit dieser empfindlichen Antenne wurde die Drei-Kelvin-Strahlung von Arno Penzias und Robert Wilson 1964 nachgewiesen.
Credit:

NASA

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Der Mikrowellenhintergrund wird entschleiert

Beide Radiowellenphysiker arrangierten sich zunächst mit dem Problem, um sich weiter ungestört ihren eigentlichen Forschungsarbeiten, technisch-instrumentellen Verbesserungen des Teleskops und Themen aus ihren Dissertationen zu widmen. So verging fast ein Jahr und noch immer gab es keine plausible Erklärung für die rätselhafte Strahlung und woher sie kam. Immerhin ließ sich nach dieser längeren Zeitspanne auch eine Quelle im Sonnensystem ausschließen, denn der Sonnenumlauf der Erde und die damit verbundene Positions- und Distanzänderung zum strahlenden Objekt hätte die Charakteristik des Signals verändert. Und letztlich konnte man auch den Starfish Prime-Kernwaffentest als Ursache verwerfen, der die Van-Allen-Gürtel vorübergehend mit ionisierten Teilchen aufgefüllt hatte, deren Strahlung aber mit der Zeit abklang.

Erst ein Kontakt mit dem Massachusetts Institute of Technology, kurz MIT, brachte die beiden Radioastronomen auf die richtige Spur. Denn dort forschte eine Gruppe um Robert Henry Dicke (1916 bis 1997) über die Annahme, dass aus der extrem heißen, dichten Frühphase des Universums eine kosmische Reststrahlung übrig geblieben sein müsste, welche heute einem Schwarzen Körper mit einer Strahlungstemperatur von rund drei Kelvin entspricht – die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung. Auch der Kosmologe und spätere Nobelpreisträger James Peebles (geboren 1935) gehörte zu Dickes Team.

Der spektrale Verlauf der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung
Bei einer Wellenlänge von 2,64 Millimeter erreicht die Mikrowellenhintergrundstrahlung ihr Intensitätsmaximum. Der Verlauf entspricht dem Strahlungsverhalten eines schwarzen Körpers mit einer Temperatur von 2,7255 ± 0,0006 Kelvin über dem absoluten Nullpunkt.
Credit:

NASA

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In der gemeinsamen Diskussion mit den Wissenschaftlern des MIT kristallisierte sich rasch heraus, was die Zufallsentdeckung, die Penzias und Wilson gemacht hatten, wirklich war: Das thermische „Nachglühen“ aus einer Zeit nach dem Urknall, als das Universum tausendmal kleiner als heute und knapp 3.000 Kelvin heiß war. Nicht selten wird diese „fossile“ Reliktstrahlung aus der Anfangszeit des Kosmos auch als „Echo des Urknalls“ bezeichnet. Noch im selben Jahr veröffentlichten Dicke et al., Penzias und Wilson und Peebles aus einer jeweils unterschiedlichen Perspektive ihre Ergebnisse dazu.

Der Weg zum ältesten Licht der Welt

Dabei lag die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung seit geraumer Zeit in der Luft und sie war tatsächlich auch beobachtet worden, ohne jedoch als solche erkannt zu werden. Schon 1934 hatte der amerikanische Physiker Richard Chace Tolman (1881 bis 1948) wenige Jahre, nachdem der belgische Priester und Kosmologe Georges Lemaître (1894 bis 1966) einen expandierenden Kosmos postuliert hatte, die Entdeckung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds quasi vorweggenommen, als er zeigte, dass die Schwarzkörperstrahlung in einem expandierenden Universum abkühlen und trotzdem thermisch bleiben würde.

Im Jahr 1941 fand dann der Astronom Andrew McKellar (1910 bis 1960) im optischen Wellenlängenbereich bei der Doppellinie des interstellaren Cyanidradikal-Moleküls CN im Spektrum des Sterns Zeta Ophiuchi aus dem Intensitätsverhältnis ihrer Rotationszustände eine Anregung, die einer effektiven Temperatur des interstellaren Raums von 2,3 Kelvin entsprach – ein unerkannt gebliebener Hinweis auf das Vorhandensein einer kosmischen Hintergrundstrahlung als Quelle eben dieser Anregung.

Überhaupt hatten sich schon seit Ende des 19. Jahrhunderts manche Astronomen mit der Frage nach einer universalen, alldurchdringenden Strahlung und deren Herkunft befasst. Doch meist bezogen sich ihre Rechnungen und Analysen auf ein allgemeines interstellares Strahlungsfeld, das der Strahlung vieler einzelner Sterne ausgesetzt ist und von diesen gespeist wird, oder sie waren durch die im Jahre 1912 von Viktor Franz Hess (1883 bis 1964) gefundene kosmische Höhenstrahlung zu weiterführenden Überlegungen angeregt worden. Und einige wenige könnten sich dabei auch einen „besseren“ Ersatz für das verworfene und widerlegte (aristotelische) Ätherkonzept erhofft haben, das noch einige Jahrzehnte zuvor die Physiker umgetrieben hatte.

Expansion des Universums
Schematische Darstellung der Entwicklung des Universums
Credit:

NASA / WMAP Science Team

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Die kausal richtige Voraussage, dass es ein alles durchdringendes Strahlungsfeld, die kosmische Hintergrundstrahlung, als Folge eines aus einem heißen, dichten Anfangszustand expandierenden Kosmos geben sollte, machten gegen Ende der 1940er Jahre die Physiker Ralph Alpher (1921 bis 2007), George Gamow (1904 bis 1968) und Robert Herman (1914 bis 1997). Doch ihre theoretischen Arbeiten gerieten in Vergessenheit, bis sie nach 16 Jahren durch die Messungen in Holmdel den Beteiligten in ihrer ganzen Tragweite wieder bewusst wurden. Weitere 14 Jahre vergingen, bis Penzias und Wilson im Jahr 1978 mit dem Nobelpreis für Physik für ihre wegweisende Entdeckung geehrt wurden.

Eine Säule der modernen Kosmologie

Heute ist die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung neben der kosmologischen Rotverschiebung und der primordialen Nukleosynthese als eine der drei Säulen der modernen Kosmologie nicht mehr wegzudenken. Sie ist gleichsam ein Beleg dafür, dass das Universum in seinem allerfrühsten Stadium tatsächlich äußerst heiß und dicht war und sich infolge einer bis heute anhaltenden Expansion abkühlte. Zugleich öffnete ihre Entdeckung ein weites Tor für die beobachtende Kosmologie. Denn die Feinanalyse der Hintergrundstrahlung dient dazu, die Gültigkeit kosmologischer Weltmodelle zu verifizieren und sie ist zudem ein Schlüssel zu verstehen, wie sich seit der Rekombination von Elektronen und Protonen, 380.000 Jahre nach dem Urknall, die allerersten Materiestrukturen aus dem riesigen Ozean der entstandenen ladungsneutralen Atome gebildet haben.

Sechs Jahrzehnte lang haben sich seit dem Zufallsfund von Arno Penzias und Robert Wilson unzählige Kosmologen, Astrophysiker und Radioingenieure der weiteren Erforschung der Drei-Kelvin-Hintergrundstrahlung gewidmet und sie mithilfe ausgeklügelter, kostspieliger Weltraummissionen hochgenau analysiert. Der Cosmic Background Explorer (COBE, 1989 bis 1993), die Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP, 2001 bis 2010) und der ESA-Satellit Planck (2009 bis 2013) sind die bekanntesten Missionen, die mit jeweils zunehmender Sensitivität und Auflösung den kosmischen Mikrowellenhintergrund und dessen Anisotropie vom Weltraum aus erforscht haben.

Der kosmische Mikrowellenhintergrund beobachtet mit dem Satelliten Planck
Winzige Temperaturschwankungen der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung im Mikrokelvin-Bereich, wie sie der Planck-Satellit der ESA in den Jahren 2009 bis 2013 mit einer bisher unerreichten Auflösung zwischen 33 und vier Bogenminuten Halbwertsbreite beobachtet hat.
Credit:

ESA/Planck Kollaboration

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Langzeitbeobachtungen mit dem James-Webb-Weltraumteleskop, künftige Messungen mit weltraumgestützten Gravitationswellenobservatorien und unterseeischen Teleskopen zur Messung primordialer Neutrinos dürften gewiss zu weiteren überraschenden, nobelpreisträchtigen Resultaten aus der Frühzeit des Universums führen. Jedoch bleibt festzuhalten: Mit der Sechs-Meter-Hornantenne von Holmdel in New Jersey, die anfangs dem Projekt Echo diente und die schließlich das „Echo des Urknalls“ aufspürte, fing dies vor 60 Jahren alles an...

Weitere Informationen zum Thema

  • Vortrag von Robert Wilson am Harvard-Smithsonian Center für Astrophysik über die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung