Déjà-vu im All: Das Atomuhren-Experiment ACES wird auf der ISS installiert

Eines der allerersten Kommandos, die ich als Flight Controller vor vielen Jahren an die Internationale Raumstation ISS geschickt habe, ging zu einer unserer externen Experimentplattformen des Forschungsmoduls Columbus. Ich weiß nicht mehr genau, welches Experiment es war. Ich weiß nicht mehr, ob es das Einschaltkommando oder der Aktivierungsbefehl des „Pin Pullers“ war, der einen Sicherungsbolzen entfernte, mit dem die Experiment-Aufhängung während des „turbulenten Ritts in den Orbit“ gesichert gewesen war.
Was ich aber noch weiß: Ich war furchtbar aufgeregt. Ich war der Unerfahrenste der drei Columbus Operation Controller der Space-Shuttle-Mission STS 122. Die Astronauten in ihren Raumanzügen mussten auf das Kommando warten, bevor sie mit ihrem Außenbordeinsatz fortfahren konnten – und unsere Kommandierungs-Software war damals alles andere als stabil und verlässlich.
Zwei neuartige Präzisionsuhren nutzen die Schwingungen von Atomen als „Pendel“

NASA/ESA

ESA / S. Corvaja
An alles das muss ich diese Woche denken, wenn ich in den Kontrollraum schaue, denn wieder hat Columbus eine neue externe Payload erhalten: ACES, das Atomic Clock Ensemble in Space. Das Experiment kam gerade mit einer SpaceX-Rakete zur ISS und ist etwas ziemlich Cooles: Zwei hochgenaue Atomuhren sind enthalten – eine Caesium-Fontänen-Uhr und eine Wasserstoff-Maser-Uhr. Beide nutzen die Schwingungsfrequenz von Atomen sozusagen als „Pendel“, mit dem sich die Zeit bestimmen lässt. Über ACES sollen zum einen Zeitsignale anderer erdbasierter „Superuhren“ mit einer bisher unerreichten Genauigkeit synchronisiert werden. Hightech erfordert heute genaueste Zeitstandards, etwa für Internetprotokolle, die Navigation oder globale Finanztransaktionen.

ESA / S.Corvaja
Zum anderen kann Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie hiermit geprüft werden: Zwar mit Schrecken, aber voller Ehrfurcht erinnere ich mich an die komplizierten Tensorgleichungen aus meinem Physikstudium, die besagen, dass der „Lauf der Zeit“ von dem Gravitationsfeld abhängt, in dem eine Uhr tickt. Dagegen war die Spezielle Relativitätstheorie, laut der die Zeit von der Bewegungsgeschwindigkeit abhängt, beinahe einfach… Solche fundamentalen Prinzipien messen wir also zukünftig mit „unserem“ Columbus-Modul – sehr aufregend!

ESA/NASA
Stress pur: Der Kampf gegen die „Thermal Clock“
ESA/NASA
So wie damals bei meinem ersten Einsatz durchlaufen nun die Kollegen wieder die Phasen, an die ich mich auch noch so gut erinnern kann: Der Stromanschluss muss zuerst stromlos geschaltet werden. Aus Sicherheitsgründen müssen sogar zwei unabhängige Schalter geöffnet werden, und einer davon ist ein richtiger kleiner Hebel, den die Besatzung händisch umlegen muss.
Das schaltet aber auch den Strom anderer externer Payloads ab, die dann im kalten Weltall nicht mehr durch die „Survival Heaters“ geheizt werden. Daher läuft dann eine sogenannte „Thermal Clock“ los: Innerhalb einer bestimmten Zeit muss jetzt die Installation abgeschlossen und die Schalter wieder eingeschaltet werden, damit eine errechnete Temperatur nicht unterschritten wird. Das Ticken der „Thermal Clock“ fühlt man als Verantwortlicher geradezu – und bekommt sie auch groß vorne im Kontrollraum angezeigt, weil sie so wichtig ist.

ESA / D. Ducros
Dann folgt die eigentliche Installation – diesmal ohne Astronauten, sondern rein robotisch. Schließlich heißt es noch, die Crew zu bitten, den Schalter erneut umzulegen – und dann schnell die entsprechenden Kommandos, um den Strom für „Survival Heaters“ und Payloads wieder fließen zu lassen. Dann kann man kurz durchatmen. Man hat den Kampf gegen die „Thermal Clock“ gewonnen und muss nur noch die Experimente wieder in ihren Normalzustand bringen. Wieder fliegen einige Kommandos von uns Richtung Raumstation – und mit etwas Glück liefern nicht nur die „alten“ externen Payloads ihre Daten, sondern auch die gerade neu installierte. Das ist trotz aller Dokumente, Abstimmungen, Reviews und Tests dann doch der finale und letzte Beweis, dass wirklich alles passt.
Ich kann nach seiner Schicht kurz mit Julian sprechen, dem Flugdirektor, der die erste Aktivierung von ACES geleitet hat. Er ist sehr zufrieden mit dem Ergebnis: Die Installation war erfolgreich, die „Uhren ticken“… Jetzt ist in den kommenden Wochen noch einiges an „Commissioning“ nötig: Kalibrierungen, Einstellungen, Prüfungen. Und dann bricht für Columbus buchstäblich eine neue Zeitrechnung an – zumindest, was die Genauigkeit der Zeit angeht.
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