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Déjà-vu im All: Das Atomuhren-Experiment ACES wird auf der ISS installiert

Überwachung der ACES-Installation im Columbus-Kontrollzentrum
Gespannt verfolgt Flugdirektor Julian im Columbus-Kontrollzentrum des DLR die Installation von ACES.

Eines der allerersten Kommandos, die ich als Flight Controller vor vielen Jahren an die Internationale Raumstation ISS geschickt habe, ging zu einer unserer externen Experimentplattformen des Forschungsmoduls Columbus. Ich weiß nicht mehr genau, welches Experiment es war. Ich weiß nicht mehr, ob es das Einschaltkommando oder der Aktivierungsbefehl des „Pin Pullers“ war, der einen Sicherungsbolzen entfernte, mit dem die Experiment-Aufhängung während des „turbulenten Ritts in den Orbit“ gesichert gewesen war.

Was ich aber noch weiß: Ich war furchtbar aufgeregt. Ich war der Unerfahrenste der drei Columbus Operation Controller der Space-Shuttle-Mission STS 122. Die Astronauten in ihren Raumanzügen mussten auf das Kommando warten, bevor sie mit ihrem Außenbordeinsatz fortfahren konnten – und unsere Kommandierungs-Software war damals alles andere als stabil und verlässlich.

Zwei neuartige Präzisionsuhren nutzen die Schwingungen von Atomen als „Pendel“

Annäherung von ACES an das Columbus-Modul
Das ACES-Experiment wird mit Hilfe eines Roboterarms zum Columbus-Modul der ISS (rechts im Bild) manövriert. Am 21. April 2025 war ACES an Bord einer Falcon-9-Rakete von SpaceX vom Kennedy Space Center in Florida (USA) ins All gestartet.
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NASA/ESA

Atomuhr SHM
Die Präzisionsuhr SHM (Space Hydrogen Maser) nutzt Wasserstoff-Atome, um die Zeit zu messen.
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ESA / S. Corvaja

An alles das muss ich diese Woche denken, wenn ich in den Kontrollraum schaue, denn wieder hat Columbus eine neue externe Payload erhalten: ACES, das Atomic Clock Ensemble in Space. Das Experiment kam gerade mit einer SpaceX-Rakete zur ISS und ist etwas ziemlich Cooles: Zwei hochgenaue Atomuhren sind enthalten – eine Caesium-Fontänen-Uhr und eine Wasserstoff-Maser-Uhr. Beide nutzen die Schwingungsfrequenz von Atomen sozusagen als „Pendel“, mit dem sich die Zeit bestimmen lässt. Über ACES sollen zum einen Zeitsignale anderer erdbasierter „Superuhren“ mit einer bisher unerreichten Genauigkeit synchronisiert werden. Hightech erfordert heute genaueste Zeitstandards, etwa für Internetprotokolle, die Navigation oder globale Finanztransaktionen.

Die Atomuhr PHARAO
Die Caesium-Fontänen-Uhr PHARAO ist eine von zwei Präzisionsuhren an Bord des Experiments ACES.
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ESA / S.Corvaja

Zum anderen kann Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie hiermit geprüft werden: Zwar mit Schrecken, aber voller Ehrfurcht erinnere ich mich an die komplizierten Tensorgleichungen aus meinem Physikstudium, die besagen, dass der „Lauf der Zeit“ von dem Gravitationsfeld abhängt, in dem eine Uhr tickt. Dagegen war die Spezielle Relativitätstheorie, laut der die Zeit von der Bewegungsgeschwindigkeit abhängt, beinahe einfach… Solche fundamentalen Prinzipien messen wir also zukünftig mit „unserem“ Columbus-Modul – sehr aufregend!

Die ACES-Installation ist abgeschlossen
Der Roboterarm der ISS (links) hat sich nach erfolgreicher Installation von ACES gelöst. Nach der Komissionierungsphase wird der zweijährige wissenschaftliche Betrieb erfolgen.
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ESA/NASA

Stress pur: Der Kampf gegen die „Thermal Clock“

ACES von der ISS aus gesehen
Das Atomuhren-Experiment ACES wurde am 28. April 2025 erfolgreich auf der Internationalen Raumstation ISS installiert. Im Anschluss folgt eine sechsmonatige Kommissionierungsphase, in der verschiedene Systemtests durchgeführt werden.
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ESA/NASA

So wie damals bei meinem ersten Einsatz durchlaufen nun die Kollegen wieder die Phasen, an die ich mich auch noch so gut erinnern kann: Der Stromanschluss muss zuerst stromlos geschaltet werden. Aus Sicherheitsgründen müssen sogar zwei unabhängige Schalter geöffnet werden, und einer davon ist ein richtiger kleiner Hebel, den die Besatzung händisch umlegen muss.

Das schaltet aber auch den Strom anderer externer Payloads ab, die dann im kalten Weltall nicht mehr durch die „Survival Heaters“ geheizt werden. Daher läuft dann eine sogenannte „Thermal Clock“ los: Innerhalb einer bestimmten Zeit muss jetzt die Installation abgeschlossen und die Schalter wieder eingeschaltet werden, damit eine errechnete Temperatur nicht unterschritten wird. Das Ticken der „Thermal Clock“ fühlt man als Verantwortlicher geradezu – und bekommt sie auch groß vorne im Kontrollraum angezeigt, weil sie so wichtig ist.

Illustration des Columbus-Moduls der ISS mit ACES
Auf der künstlerischen Darstellung erkennt man, dass das ACES-Experiment am äußeren Rand des Columbus-Moduls auf der ISS platziert ist (rechts unten).
Credit:

ESA / D. Ducros

Dann folgt die eigentliche Installation – diesmal ohne Astronauten, sondern rein robotisch. Schließlich heißt es noch, die Crew zu bitten, den Schalter erneut umzulegen – und dann schnell die entsprechenden Kommandos, um den Strom für „Survival Heaters“ und Payloads wieder fließen zu lassen. Dann kann man kurz durchatmen. Man hat den Kampf gegen die „Thermal Clock“ gewonnen und muss nur noch die Experimente wieder in ihren Normalzustand bringen. Wieder fliegen einige Kommandos von uns Richtung Raumstation – und mit etwas Glück liefern nicht nur die „alten“ externen Payloads ihre Daten, sondern auch die gerade neu installierte. Das ist trotz aller Dokumente, Abstimmungen, Reviews und Tests dann doch der finale und letzte Beweis, dass wirklich alles passt.

Ich kann nach seiner Schicht kurz mit Julian sprechen, dem Flugdirektor, der die erste Aktivierung von ACES geleitet hat. Er ist sehr zufrieden mit dem Ergebnis: Die Installation war erfolgreich, die „Uhren ticken“… Jetzt ist in den kommenden Wochen noch einiges an „Commissioning“ nötig: Kalibrierungen, Einstellungen, Prüfungen. Und dann bricht für Columbus buchstäblich eine neue Zeitrechnung an – zumindest, was die Genauigkeit der Zeit angeht.

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