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Der Moment, wenn das Triebwerk zündet

Bierwagen Vorschau
Der Oxidator wird vom Lager zum Prüfstand gebracht, wo er für den Triebwerkstest verwendet wird.

Nora Bierwagens Arbeitsplatz ist eher ungewöhnlich: Sie arbeitet am so genannten „Viererblock“, einer Anlage mit mehreren Prüfständen, an der die Ingenieurin Raketentriebwerke testet. Möglich ist das an unserem Standort Trauen, einem der flächenmäßig zwar größten Standorte, aber wohl auch einem der abgelegensten in der Lüneburger Heide. Nora hat ihren Bachelor in Maschinenbau und ihren Master in Luft- und Raumfahrttechnik an der TU Braunschweig gemacht. Noch als Studentin kam sie 2018 ans DLR. Nachdem sie ihre Bachelor- und Masterarbeit am DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik geschrieben hat, ist sie für ihre Promotion an unser Kompetenzzentrum für Reaktionsschnelle Satellitenverbringung gewechselt. Im Rahmen ihrer Dissertation forscht die 24-jährige Wissenschaftlerin an Hybridraketentriebwerken. Diese kombinieren Feststoff- und Flüssigtriebwerke und vereinen dabei die besten Eigenschaften beider Triebwerkstypen miteinander.

Woher kommt die Begeisterung für Raktenantriebe und wie hat sie dich ins DLR geführt?

Ich war schon immer eher technisch versiert und bin in der Nähe vom Frankfurter Flughafen groß geworden. Flugzeuge haben mich schon als Kind absolut fasziniert. Dadurch ist es dann auch gekommen, dass ich Luft- und Raumfahrttechnik studieren wollte. Im Studium war ich in einer studentischen Gruppe, die Raketen gebaut hat, wodurch ich schon als Studentin Modellraketen entwickelt habe. Darüber bin ich dann auch am DLR gelandet.

Kannst du uns ein paar Einblicke geben, in welche Richtung deine Forschung am DLR geht?

Im Rahmen meiner Doktorarbeit forsche ich an der Katalysatorkammer unseres Hybridraketentriebwerkes. Diese ist wichtig für eine erfolgreiche Zündung des Triebwerkes. Neben meiner Dissertation wollen wir aber auch unser Triebwerk, das wir schon seit Jahren entwickeln, das erste Mal in einer Single-Stage-Rakete starten, um zu zeigen, dass es sich als Triebwerk für zukünftige Oberstufenkonfigurationen eignet. Zusätzlich bin ich am Ausbau des Prüfstands „Viererblock“ beteiligt, damit hier auch Feststofftriebwerke getestet werden können.

Wie kann man sich die Arbeit auf dem Prüfstand überhaupt vorstellen?

Am Prüfstand validieren wir die theoretischen Arbeiten, wie zum Beispiel verschiedene Simulationen am PC, direkt durch Versuche. In der Raketentriebwerkstechnik sind Versuche enorm wichtig, weil wir dadurch unsere theoretischen Überlegungen stützen und unsere Triebwerke verifizieren können. Die Durchführung der Versuche auf dem Hybridraketentriebwerksprüfstand gehört definitiv zu meinen Highlights bei der Arbeit. Der Hybridraketenprüfstand wurde vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik aufgebaut. Der Feststoffprüfstand soll nun im Rahmen der Erweiterung des „Viererblocks“ neu errichtet werden - wir sind gerade dabei, diesen Prüfstand zu planen und zu konstruieren. Dieser muss erst entworfen werden, weil man Prüfstände nicht einfach im Kaufhaus einkaufen kann. Wir machen dabei, abgesehen von der Fertigung, alles selbst: von der Auslegung, über die Konstruktion bis hin zum Zusammenbau.

Du sagst, dass die Versuche am Prüfstand zu den Highlights deiner Tätigkeit gehört. Was macht die Arbeit dort so besonders?

Druckgasflaschen
Bevor der Triebwerkstests starten kann, werden die Druckgasflaschen geöffnet. Diese sind für die Bedrückung des Leitungssystems zuständig.

Für mich ist das Besondere am Raketenprüfstand, wenn das Triebwerk tatsächlich brennt. Es ist ein beeindruckendes Gefühl, wenn es das erste Mal „atmet“.  Wir arbeiten die ganze Zeit auf diesen Moment hin, und das macht auch die Zeit am Prüfstand so intensiv.

Der Standort in Trauen ist ja doch sehr abgelegen. Was macht diesen Standort so einzigartig und vielleicht auch attraktiv, um dort zu arbeiten?

Wir sitzen mitten im Wald. Die Gegend ist durch die Truppenübungsplätze sehr militärisch geprägt, daher haben wir hier einzigartige Möglichkeiten, was die Genehmigungen für die Raketenprüfstände angeht. Mit den Prüfständen können wir Theorie und Praxis optimal kombinieren. Außerdem ist die Atmosphäre am Standort sehr familiär, da wir zwar flächentechnisch einer der größten Standorte des DLR sind, aber hier nur wenige Mitarbeiter arbeiten. Jeder kennt hier jeden, wodurch eine ganz besondere Arbeitsatmosphäre entsteht.

Das Kompetenzzentrum für reaktionsschnelle Satellitenverbringung:

Das im September 2020 neu gegründete Kompetenzzentrum für Reaktionsschnelle Satellitenverbringung an unserem Standort Trauen verfolgt das Ziel, Technologien zu untersuchen und zu entwickeln, mit denen innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden neue Satelliten in die Erdumlaufbahn gebracht und dort betrieben werden können. Dabei werden alle relevanten Segmente – Weltraum, Boden, Start und Mission – abgedeckt.

DLR-Standort Trauen
Credit:

DLR

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Notwendig sind diese Kompetenzen durch die verstärkte Nutzung und Abhängigkeit der Gesellschaft von weltraumgestützten Diensten u.a. zur Kommunikation oder Navigation. Aus diesem Grund gilt der Weltraum inzwischen als kritische Infrastruktur, die z.B. vor Satellitenausfällen geschützt werden muss.

Weitere Infos zum Kompetenzzentrum hier: 
Kompetenzzentrum für Reaktionsschnelle Satellitenverbringung