24. Juli 2017

Fährtensucher in der Atmosphäre

Woher kommt die Luft, die wir atmen? Woher stammte der rote Staub auf unseren Autos, aus welchen Quellen sind die erhöhten Konzentrationen von Feinstaub, Pollen, Gasen oder auch Radioaktivität, zur Messstation vor Ort gelangt? Ein online-verfügbares Werkzeug, das unter Mitwirkung des EOC entstanden ist, hilft jetzt diese Fragen zu beantworten.

Stoßen Wissenschaftler mit ihren Messgeräten auf unerwartete Signaturen in der Luft, beginnt die Fährtensuche. Wird ein Luftpaket über einen langen Zeitraum zurückverfolgt, so kann der Weg der Luft Aufschluss über ihre Fracht liefern: ist die Luft auf ihrem Weg über brennende Flächen gezogen, war dem Smog von Ballungszentren und der Emission von Wäldern ausgesetzt, haben Vulkanausbrüche, Staubstürme in Wüsten, oder Leckagen von Gaspipelines und nuklearer Anlagen ihre Spuren hinterlassen?

Um die Flugbahn („Trajektorie“) eines Luftpakets zurückzuverfolgen, wird ein Konzept genutzt, das in der Physik eine lange Tradition hat: die „Lagrange-Beschreibung“ einer Strömung. In dieser wird für jedes Luftpaket, für jeden Zeitpunkt, Position, Geschwindigkeit und Richtung angegeben. Änderungen der Lufteigenschaften, wie z.B. Temperatur, Dichte und der stofflichen Zusammensetzung ergeben sich dabei zum einen aus der Dynamik der direkten Umgebung der Luft, zum anderen durch die Verlagerung der Luftpakete in ein neues Umfeld mit anderen Bedingungen. Physiker sprechen von dem sogenannten „totalen Differential“, wenn sie die Veränderungen der Luftpaketeigenschaften während des Flugpfades beschreiben. Ein Beispiel: ein Wanderer, welcher einen ganzen Tag auf der Zugspitze sitzt und dort die Temperatur misst, zeichnet den Tagesverlauf der Temperatur auf. Geht der Wanderer nun aber während des Tages von dort nach Innsbruck, so zeichnet sein Thermometer neben dem Tagesgang der Temperatur auch deren Veränderungen auf, denen er entlang seines Weges über Täler und Gipfel ausgesetzt ist.

Mit wenigen „Klicks“ können nun komplexe Trajektorienberechnungen online durchgeführt werden. Nach kurzer Rechenzeit werden für den gewünschten Ort und Zeitpunkt die Zugbahnen der dort ankommenden Luftpakete angezeigt. Über einen Schieber kann der gewünschte Zeitraum weiter feinjustiert werden. Für die Berechnung kommen die Codes FLEXTRA und FLEXPART (Autoren: A. Stohl et al., siehe Link FLEXPART) zum Einsatz. Das Werkzeug ist nur eines von vielen, die im Rahmen des Virtuellen Alpenobservatoriums (VAO) für das „Alpine Environmental Data Analysis Center, AlpEnDAC“  entstehen. Das DFD ist maßgeblich an der Entwicklung des AlpEnDAC beteiligt. Weitere Partner sind das Leibniz Rechenzentrum (LRZ), die UFS GmbH, die bifa GmbH sowie das Institut für Physik der Universität Augsburg, das die Projektleitung innehat. AlpEnDAC ermöglicht es Wissenschaftlern (auch ohne Erfahrung im Simulationsbereich), komplexe numerische Simulationen über eine einfach zu bedienende Oberfläche auszuführen („computing-on-demand“).

Wenn Sie sich also einmal fragen sollten, woher die Luft, die Sie gerade einatmen eigentlich herstammt, loggen Sie sich im AlpEnDAC ein, betätigen Sie sich als Fährtensucher und verschaffen Sie sich einen Überblick ("Computing-on-demand" z.B. Flextra).

Das Projekt AlpEnDAC wird finanziert von Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, BayStMUV

Gezeigt sind die Pfade der Luftmassen, die am 21. Juli 2017 zwischen 1:00h und 23:00h Oberpfaffenhofen erreicht haben.
Die verschiedenen Farben geben die Höhe an, aus denen die Trajektorien stammen.

Links

Kontakt

Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Michael Bittner

Abteilungsleitung
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum (DFD)
Atmosphäre
Oberpfaffenhofen, 82234 Weßling
Tel: +49 8153 28-1379