Planetare Wellen – wenn das Klimagetriebe stockt
Analysen des EOC belegen, dass sich die Anzahl der Hitzeepisoden in unseren Breiten in den letzten 30 Jahren in etwa verdoppelt oder gar verdreifacht hat. In kurzer Folge sind in den letzten Jahren Extremwetterlagen aufgetreten, wie die Hitzewellen 2018 und 2019, sowie die Starkregenereignisse 2020 und 2021. Solche Extremereignisse hängen einerseits mit den steigenden Temperaturen auf unserem Planeten zusammen. Andererseits gibt es aber auch Hinweise darauf, dass sich die Strömungsmuster in unserer Atmosphäre verändern. Forschende des EOC untersuchen, wie diese Vorgänge miteinander zusammenhängen.
Im Fokus der Untersuchungen stehen dabei sogenannte „planetare Wellen“. Sie stehen in Wechselwirkung mit dem globalen Starkwindband in der Troposphäre, dem Jetstream.
Die Zirkulation der Atmosphäre in unseren Breiten wird ganz maßgeblich durch diesen bestimmt. Dieses Starkwindband, in welchem der Wind mit vergleichsweise hoher Geschwindigkeit von Westen nach Osten bläst, befindet sich in wenigen Kilometern Höhe (typischerweise 7 bis 12 km) oberhalb des Erdbodens und trennt die kalten arktischen von den warmen subtropischen Luftmassen.
Der Jet wird allerdings durch eine Vielzahl von Effekten gestört, insbesondere von großräumigen Wirbeln, den sogenannten planetaren Wellen. Diese können sich über weite Höhenbereiche in der ganzen Atmosphäre ausbreiten und bewirken u.a., dass der Jet Mäander ausbildet. Das Starkwindband weht dann nicht mehr ideal parallel zu den Breitenkreisen, sondern eher in einer wellenartigen Form um einen Breitenkreis. In der Folge werden abwechselnd wärmere bzw. kältere Luftmassen in unsere Breiten gelenkt. Auf diese Weise nehmen planetare Wellen Einfluss auf die Großwetterlage.
Planetare Wellen werden in der Atmosphäre durch eine Vielzahl von Prozessen ständig angeregt. Prominente Quellen sind etwa große Gebirge, wie die Rocky Mountains oder Land-See-Übergänge, die der Luftströmung im Wege stehen. Wie ein Stein, der am Grund eines Baches liegt und eine Welle im Bachlauf erzeugt, so wirken orografische Hindernisse auch hier – ganz vereinfacht dargestellt – auf die Strömung in der Atmosphäre. Weitere Quellen für solche Wellen sind aber auch großräumige Temperatur- und Druckunterschiede oder Gebiete mit starker Konvektion, wie etwa der Golf von Mexiko. Auf diese Weise wird ständig ein ganzes Spektrum solcher Wellen erzeugt: mit unterschiedlichen Wellenlängen, Schwingungsdauern und Ausbreitungsgeschwindigkeiten. Nun können sich diese unterschiedlichen Wellen u.U. so überlagern, dass sie sich gegenseitig innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit verstärken und so den Jet besonders effizient „verbeulen“ können. Die Frage, wie sich die Struktur dieser planetaren Wellen im Zuge des Klimawandels verändert, ist ein aktuelles Forschungsthema, an dem viele Einrichtungen weltweit arbeiten.
In den letzten Tagen hat sich die Wechselwirkung der planetaren Wellen mit dem Jet in einer Weise ausgewirkt, die dann zur bislang verheerendsten Flutkatastrophe in Deutschland führte. Die Animation zeigt, wie der Jet „verbeult“ wird und sich aus einer sehr extremen Ausbuchtung aus dem Jet am 12. bis 13. Juli ein Zyklon abschnürt, der dann über Westdeutschland bis zum 17. Juli liegen bleibt. Fatal: Wasserdampfreiche Luftmassen werden dann durch diesen – quasi aus dem Jet abgetropften Zyklon – kontinuierlich vom Mittelmeer herangeführt und regnen sich über Westdeutschland ab. Die Folge: mehr als 200 Liter Regen innerhalb kurzer Zeit über immer der gleichen Region.
Die EOC-Forschungen zeigen erste Hinweise darauf, dass sich die Aktivität der planetaren Wellen in den zurück liegenden 40 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits verändert hat. Diese Veränderungen zeigen sich dabei deutlicher in den größeren Höhen der Atmosphäre. In der Troposphäre ist das nicht so einfach nachzuweisen, weil hier die Strömungsmuster so vielfältig sind, so dass der eindeutige Nachweis noch immer aussteht. Die Forschenden gehen einstweilen davon aus, dass sich derartige Abschnürungsprozesse und die damit verbundenen Extremwetterlagen in Zukunft häufen dürften. Eine Frage, der sie nachspüren, zielt darauf ab herauszufinden, ob es etwa bevorzugte Gebiete für solche Vorgänge geben wird.