26. September 2022

DFG-Preis für EOC-Mitarbeiterin – Analyse von Schmelzprozessen in der Antarktis

Die EOC-Wissenschaftlerin Dr. Mariel Dirscherl ist für ihre Promotionsarbeit über supraglaziale Seen auf dem antarktischen Eisschild von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit dem Bernd Rendel-Preis 2022 für Geowissenschaften ausgezeichnet worden. Mit dem Preis werden jährlich lediglich zwei Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler bedacht.

Die Promotionsarbeit kombiniert Erdbeobachtung, maschinelles Lernen, sowie lokale, regionale und großräumige Umweltparameter und atmosphärenphysikalische Modellierungen. Die Jury hat Frau Dirscherl darüber hinaus für ihre wissenschaftliche Gesamtleistung und die interdisziplinäre Forschungsarbeit an der Schnittstelle von Fernerkundung und Kryosphärenforschung gewürdigt.

Frau Dirscherl hat mit Hilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz einen Algorithmus entwickelt, der in optischen Satellitenbilddaten (Sentinel-2) und Radarmessungen (Sentinel-1) automatisiert supraglaziale Seen erfasst. Dadurch konnte erstmals die saisonale Dynamik von supraglazialen Seen in mehreren Eisschelf-Regionen der Antarktis während der Jahre 2015 - 2021 beobachtet werden. 

Supraglaziale Seen entstehen durch Auftauprozesse an der Eisoberfläche und können sich über Spalten im Gletscher oder auf Schelfeis schlagartig entleeren. Daher ist eine zeitlich engmaschige Beobachtung wichtig. Das eindringende Schmelzwasser kann z.B. zum Abbruch von Schelfeis führen und das Abfließen von Inlandeis beschleunigen. Noch bis vor kurzem hielt man große Teile der Antarktis für zu kalt, als dass dort supraglaziale Seen auftreten würden.

Die Untersuchung zeigt, dass während der Schmelzsaisons 2015/2016 bis 2018/2019 auf der Antarktischen Halbinsel nur verhältnismäßig wenige und kleinflächige supraglaziale Seen zu finden waren. Indessen traten im Januar 2020 und 2021, zum Höhepunkt der Schmelzsaison, erheblich mehr Seen auf, als die Jahre zuvor. In den Schelfeis-Regionen der Ostantarktis zeigte sich ein anderes Bild. Hier traten während der sommerlichen Schmelzsaisons 2016/2017 bis 2019/2020 vermehrt supraglaziale Seen auf, während ihre Anzahl in der Schmelzsaison 2020/2021 stark abnahm. 

Durch die statistische Korrelation der Ergebnisse mit saisonalen Klimadaten und jährlichen Daten zur atmosphärischen Dynamik wurde untersucht, welche Faktoren die Entstehung der Schmelzwasserseen beeinflussen. In beiden untersuchten antarktischen Regionen wurde festgestellt, dass das komplexe Zusammenspiel von lokalen Umweltfaktoren (z.B. Firnluftgehalt, Albedo, Topographie), regionalen Klimafaktoren (z.B. Temperatur, Sonneneinstrahlung, Wind) und großräumigen atmosphärischen Zirkulationen (z.B. Southern Annular Mode, Amundsen Sea Low) die Entstehung von supraglazialen Seen begünstigt. Ferner deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Anzahl und Ausdehnung von supraglazialen Seen in der Antarktis durch den Klimawandels stark zunehmen wird. Dies hat dann maßgeblichen Einfluss auf die Stabilität der Schelfeisflächen, die künftigen Eismassenverluste und den globalen Meeresspiegelanstieg. Bislang wird der Einfluss der supraglazialen Seen jedoch nur unzureichend in Prognosemodellen berücksichtigt.