29. Januar 2024

Das arktische Meereis im Blick – Das Projekt EisKlass2 liefert schnelle Meereisinformationen für die Schifffahrt durch Polargebiete

Die Weltmeere waren 2023 so warm wie nie zuvor. Im Zuge der Klimaerwärmung nimmt auch die Eisbedeckung und insbesondere das mehrjährige Meereis in der Arktis dramatisch ab. Die Nordost- und Nordwestpassagen durch die Arktis werden zunehmend schiffbar. Für die kommerzielle Schifffahrt sind diese Routen über die Arktis nach Asien interessant, da sie deutlich kürzer sind, als die Umwege über den Suezkanal bzw. den Panamakanal. Doch die Navigation durch eisbedeckte Gewässer ist mit großen Risiken behaftet. Wind und Meeresströmungen können innerhalb weniger Stunden große Eismassen zusammenschieben und offene Wasserbereiche schließen. Das so gebildete Packeis ist selbst für Eisbrecher teils unpassierbar. 

Unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurde im Projekt EisKlass2 nun eine prototypische Anwendung entwickelt, um die aktuelle Meereislage zu kartieren und diese den Kapitänen auf den Schiffen in Nahe-Echtzeit bereitzustellen. Dazu werden Daten der europäischen Copernicus-Satelliten Sentinel-1 und Sentinel-3 genutzt und erstmals kombiniert mittels einer Künstlichen Intelligenz ausgewertet. 

Was Satelliten sehen

Synthetic Aperture Radar (SAR) Satelliten wie Sentinel-1 zeigen hochaufgelöst und unabhängig von der Wolkenbedeckung verschiedene Strukturen im Meereis, wobei sich unterschiedliche Eisklassen meist durch unterschiedliche Radar-Rückstreueigenschaften voneinander abgrenzen. Sentinel-3-Daten liefern optische/thermale Informationen von Wasser, Eis und Schnee, die weitergehende Rückschlüsse erlauben und die Abstufung von Eisklassen wesentlich verfeinern. In der kombinierten Auswertung werden die Vorteile beider Sensoren nun miteinander vereint. Meereismodelle, wie das Max-Planck-Institut Ozean Model (MPIOM) sowie das North-Atlantic und Arctic Sea Ice-Ocean Model (NAOSIM) vom Alfred-Wegener-Institut sowie Vor-Ort-Beobachtungen und Altimetermessungen halfen bei der umfassenden Validierung und Analyse des Mehrwertes. Das Ergebnis ist eine verbesserte Kartierung der Meereislage.

Vom All auf die Schiffsbrücke

Um Nutzern, z.B. Kapitänen, die Produkte leicht zugänglich zu machen, wurde parallel zu der Meereisklassifizierungsalgorithmik eine operationelle Prozesskette entwickelt. Diese ermöglicht, die Meereislageinformationen automatisiert aus den Satellitenbildern zu extrahieren und dem Kunden in kürzester Zeit in der Endkundensoftware IcySea (https://icysea.app) zu Verfügung zu stellen. Bei der Entwicklung von IcySea wurde besonderes Augenmerk auf eine nahtlose Integration in die Entscheidungsfindung auf der Brücke gesetzt. Daher wurden schon früh im Projekt nautische Testnutzer miteinbezogen. So wurde die App auf die besonderen Bedürfnisse an Bord eines Schiffes angepasst, z.B. auf die geringen Internetbandbreiten in hohen geografischen Breiten.

IcySea auf der Le Commandant Charcot, November 2023
Credit:

Nicolas Vincent 

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Schiffsrouten durch polare, eisbedeckte Gewässer sollen durch Satellitendaten sicherer werden.
© Nicolas Vincent 

IcySea kam während der Projektlaufzeit auf mehreren kommerziellen und wissenschaftlichen Schiffspassagen zum Einsatz, unter anderem auf der S.A. Agulhas II während der Endurance22-Expedition. „Ohne aktuelle Eisinformationen hätte die Expedition im Packeis des Weddellmeeres wohl wertvolle Zeit verloren, die aber notwendig war nach dem Wrack zu suchen. Wir haben die „Endurance“ erst nach 18 Tagen und zwei Tage vor dem zwingenden Umkehrtermin gefunden“ berichtet Dr. Lasse Rabenstein, wissenschaftlicher Leiter der Expedition. 

Schiffsrouten durch polare, eisbedeckte Gewässer sollen zukünftig durch Satellitendaten sicherer werden.
Credit: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Durch die Implementierung der Eisklassifizierungen aus Eisklass2 in die nutzerfreundliche Endkundensoftware IcySea können Schiffsrouten effizienter geplant werden, wodurch neben Zeit auch Kosten und Emissionen minimiert werden sowie die Sicherheit von Schiff und Besatzung erhöht wird. 

Sentinel-1-basierte Differenzierung von mehrjährigem Eis (MYI), einjährigem Eis (FYI), Neueis (new ice), offenen Fahrrinnen (leads) und deformiertem oder rauem Eis (rough ice).
Die Eisklassen geben Auskunft über die Befahrbarkeit eines Gewässers. Zur Klassifizierung werden die verschiedenen Polarisationskanäle von Sentinel-1 ausgewertet.

Sentinel-1-basierte Differenzierung von mehrjährigem Eis (MYI). einjährigem Eis (FYI), Neueis (new ice), offenen Fahrrinnen (leads) und deformiertem oder rauem Eis (rough ice). Die Eisklassen geben Auskunft über die Befahrbarkeit eines Gewässers. Zur Klassifizierung werden die verschiedenen Polarisationskanäle von Sentinel-1 ausgewertet.

Darüber hinaus stellen die gewonnenen Daten langfristig eine wertvolle Informationsquelle für weiterführende Studien zur Klima- und Umweltforschung dar, wie durch die im Projekt ausgeführten Meereismodellstudien gezeigt werden konnte.

Das Projekt EisKlass2 wurde im Rahmen der Förderrichtlinie Modernitätsfonds („mFUND“) durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit insgesamt rund 1,3 Millionen Euro gefördert. Beteiligt waren neben dem DLR die Firmen Drift+Noise Polar Services GmbH, Ocean Atmosphere Systems GmbH, Dr. Thomas König & Partner Fernerkundung GbR sowie The Inversion Lab Thomas Kaminski Consulting. 

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