Freitag, 24. Januar – Donnerstag, 30. Januar 2020
Kapstadt – Antarktis
Die ersten beiden Tage auf See waren relativ ruhig und angenehm und die Medikamente haben ihre gewünschte Wirkung erbracht. In der Nacht zum Samstag haben die „Roaring Fourties“ und die „Furious Fifties“ dann doch ein wenig mit ihren Muskeln gespielt. Ein Tiefdruckgebiet sorgte für 3,5 m hohe Wellen aus süd-westlicher Richtung und ließen die S.A. Agulhas II im regelmäßigen Takt des Südatlantiks hin und her wiegen. Was zu Beginn der Nacht eher schlaffördernd war, entwickelte sich im Laufe der frühen Morgenstunden zu einem unangenehmen Schaukeln, das mit Knarren, Knarzen und Vibrieren im gesamten Schiff verbundenen war. Dennoch, so haben mir es andere seeerprobte Passagiere erklärt, seinen dies noch keine besonderen, sondern eher angenehme bis normale Bedingungen.
Seit der Abfahrt in Kapstadt am vergangenen Donnerstag bei Temperaturen um 25°C zeigte das Thermometer am Samstag nur noch 9°C und am Sonntag dann Temperaturen um 2°C. Am frühen Morgen des 27. Januar bei 57° südlicher Breite waren schließlich die ersten Eisberge zu sehen. Außerdem berichteten die Biologen seit Tagen von zahlreich gesichteten Walen, die sie von ihrem Beobachtungsposten hoch oben auf Deck über Kilometer hinweg erspäht hatten. Nun war es mir auch vergönnt, eine Gruppe von Buckelwalen zu beobachten, wie sie sich ihre morgendliche Portion Krill nahe der Wasseroberfläche einverleibten..
Im Laufe der ersten Tage konnte ich an Bord mit verschiedenen Verantwortlichen über die Nutzung von Satellitendaten während des weiteren Fahrtverlaufs sprechen. Das Interesse ist groß und deckt verschiedene Anwendungsmöglichkeiten ab. Von der Frage nach der Stabilität der Schelfeiskanten, an denen die S.A. Agulhas II Stopps einlegen wird, um Fracht für die Antarktisstationen zu entladen, bis hin zur schnellsten Route durch das zu erwartende Meereis, sollen Fernerkundungsdaten nach Möglichkeit einen Beitrag leisten.
Zwei Tage vor der geplanten Ankunft in der Antarktis erhielt ich direkt vom Kapitän detailliertere Informationen zu unserem ersten Antarktis-Stopp. Anhand von Sentinel-1-Daten war zu erkennen, dass die Entladestelle in der Crown Bay noch stark vereist war, sodass kurzerhand eine alternative Entladestelle angefahren werden sollte. Die Schelfeisformation bei 25° Ost – aufgrund ihrer Form sehr treffend als „Dog’s Head“ bezeichnet – war nun das Ziel. Zwischen dem nördlichen Schelfeisblock „Dog’s Ear“ und dem sich nach Süden erstreckenden „Dog’s Neck“ gibt es eine geschützte Bucht, in der für die belgische Antarktisstation Princess Elizabeth Fracht abgeladen werden musste. Somit stand fest, dass sowohl großräumige Aufnahmen als auch eine hochauflösende Aufnahme der Bucht zu planen sind.
Die auf Basis der aktuellen TSX-Aufnahmen erstellte Karte zeigte, dass Meereis den Zugang zum „Dog’s Head“ über eine Strecke von 15 bis 20 Seemeilen erschweren würde. Ursprünglich plante der Kapitän zwischen 24° Ost und 25° Ost nach Süden Richtung Schelfeisanleger zu fahren. Diesen ersten Plan änderte er und entschied sich anhand der TerraSAR-X-Aufnahme für einen meereisfreien Kanal westlich von 23° Ost. Dieser hatte sich zwischen Aufnahmezeitpunkt um 02:14 Uhr und Ankunft vor Ort gegen 13 Uhr zwar um einige Seemeilen nach Westen verlagert, war aber in seiner Form noch erhalten und konnte für eine zügige Fahrt nach Süd-Süd-Ost genutzt werden. Auf mächtige Schollen stieß S.A. Agulhas II bei 23,3° Ost und umfuhr das Gebiet weiter in süd-westlicher Richtung, um schließlich bei 70,1° Süd und 23,5° Ost die Fahrt in nahezu meereisfreiem Gebiet fortsetzten zu können.
Über Nacht, besser gesagt, während der drei Stunden und zwölf Minuten zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, lag das Schiff nördlich von Dog’s Head, wo am nächsten Morgen auch zunächst mit der Entladung begonnen wurde. Nach ca. 2h wurden aufgrund des starken Wellengangs, der das Absetzen der Container auf dem Schelfeis sehr erschwerte, die weiteren Entladearbeiten in die südlich gelegene Schelfeisbucht verlagert. Die drei Tage zuvor aufgenommene SpotLight-Aufnahme versprach weitere Fracht dort sehr viel einfacher auf einer scheinbar stabilen Meereisdecke entladen zu können. Beim Befahren der Bucht wurde jedoch schnell klar, dass dieser Bereich erst tags zuvor aufgebrochen war und sich uns nun als spektakuläres Mosaik aus Eisschollen präsentierte. Wieder einmal dürfte allen klar geworden sein, dass sich die Bedingungen in der Antarktis sehr schnell ändern können!
Heute Abend wird sich S.A. Agulhas II auf den Weg nach Westen zur Akta-Bucht in der Nähe der Neumayer-Station III machen. Für die Fahrt aus dem Meereis heraus konnten keine TerraSAR-X Aufnahmen geplant werden. Dafür sollten dann die am DLR in Oberpfaffenhofen automatisch generierten Karten basierend auf Sentinel-1-Daten zur Verfügung stehen. Die größere Abdeckung dieser Datenprodukte dient ebenso bei der Bewertung der aktuellen Meereissituation und erleichtert zudem die Planung detaillierterer TerraSAR-X-Aufnahmen. Auch diese Daten können dank eines zuverlässigen Datenzugangs über den Internal Data Access (IDA) des EOC und die Copernicus Data and Exploitation Platform – Deutschland (CODE-DE) zeitnah auf dem Schiff verwendet werden.
Ein antarktischer Gruß geht aus gegebenem Anlass natürlich an alle Kolleginnen und Kollegen der TerraSAR-X Mission: Herzlichen Glückwunsch zur 70.000 Erdumrundung von TerraSAR-X! Arbeiten, wie ich sie auf dieser Expeditionsfahrt nicht einfach nur durchführen, sondern hautnah erleben darf, sind insbesondere erst dank des großartigen Engagements und der Unterstützung vieler Beteiligter im EOC möglich.
An Bord freuen sich nun alle auf unseren Halt an der Atka Bucht. Wie mir Christine Wesche am Vormittag mitgeteilt hat, wird für uns ein Landgang in Verbindung mit einem Besuch der Neumayer-Station III des AWI organisiert. Bis dahin gilt: „Nach dem Meereis ist vor dem Meereis!“