ALiTrain

Fortgeschrittenes Leichtflugzeug-Training

Im Zuge des Projektes ALiTrain wird der Nutzen von Mixed-Reality (MR-) Simulatoren für das Training von Pilotinnen und Piloten für heutige und zukünftige Luftfahrzeugkonfigurationen untersucht.

Mit Blick auf die kommerzielle urbane Luftmobilität besteht großer Bedarf an flugzeugführendem Personal von neuartigen Kleinflugzeugtypen. Solche Luftfahrzeuge können sich insbesondere hinsichtlich des Automatisierungsgrades und neuer Antriebssysteme stark von heutigen Kleinflugzeugen unterscheiden. Die Ausbildung und das Training der neuen Pilotinnen und Piloten sind entsprechend ein entscheidender Faktor für die Flugsicherheit und Akzeptanz der neuen Luftmobilität, die auch unter dem englischen Begriff Advanced Air Mobility bzw. dessen Kürzel AAM bekannt ist.

Für das Training müssen von Luftfahrtbehörden zugelassene Flugübungsgeräte entwickelt und eingesetzt werden. Neue Technologien der Virtual-/Mixed-Reality bieten dabei die große Chance, ein effizientes Training für Pilotinnen und Piloten im Bereich kleiner Luftfahrzeuge zu marktfähigen Kosten zu realisieren. Wichtig für die Trainingseffektivität ist dabei die Immersion (das Eintauchen in eine künstliche Welt).

Zusammen mit externen Partnerorganisationen (Simulatorindustrie, Ausbildungsbetriebe) sollen neue Simulationssysteme für das Training von Kleinflugzeugpilotinnen und -piloten ausgelegt, im operationellen Trainingsbetrieb erprobt und deren Praxistauglichkeit bewertet werden. Dabei kommen Methoden basierend auf den neuesten Erkenntnissen der Lernpsychologie zur Anwendung.

Zur Untersuchung der Anforderungen, welche die Pilotinnen und Piloten der neuartigen Flugzeugkonzepte erfüllen müssen, werden zuerst Simulationsmodelle verschiedener AAM-Flugzeuge entwickelt und daraufhin in das Simulationssystem implementiert. Dabei wird zum einen auf bestehende Konzepte aus den Projekten FGAA und S²TOL zurückgegriffen, zum anderen werden für diesen Zweck auch Konzepte und Einsatzszenarien für senkrechtstartende Flugtaxis entwickelt.

Ziele von ALiTrain

Die wesentliche Zielsetzung des Projekts ALiTrain besteht in der Bewertung neuer Trainingssimulatoren mit Einsatz von Virtual-/Mixed-Reality Technologien. Dabei soll insbesondere die Frage nach der Trainingseffektivität beleuchtet werden, ergo der Übertragbarkeit der Trainingsergebnisse vom Simulator in den realen Flug. Dabei ergeben sich Fragen zu der geforderten Güte einzelner Simulatorkomponenten, z. B. der Bedeutung der Bewegungssimulation.

Darüber hinaus muss die Notwendigkeit zu einer Anpassung der Simulatoren an neue didaktische Konzepte und damit an die zu vermittelnden Trainingsinhalte untersucht werden. Zu diesen neuen Konzepten gehört auch das Training von Pilotinnen und Piloten durch Instruktorinnen und Instruktoren, die nicht mehr direkt vor Ort im Simulator sitzen müssen (Remote Simulator Training). Wegen des damit verbundenen Optimierungspotentials ist das Interesse an den Ergebnissen seitens der Ausbildungsbetriebe entsprechend groß. Neben der konventionellen Vermittlung der fliegerischen Grundfertigkeiten gilt dies insbesondere für das Erkennen und Beenden gefährlicher Fluglagen (Upset Prevention and Recovery Training, UPRT).

Ein weiteres Ziel im Zusammenhang mit der Trainingseffektivität bezieht sich auf das stadtnahe Fliegen mit neuen hochautomatisierten Fluggeräten (AAM). Deren Pilotinnen und Piloten müssen völlig neuartige Konfigurationen mindestens mit dem gleichen, sehr hohen Sicherheitsniveau der heutigen zivilen Luftfahrt betreiben. Das Erlernen grundlegender fliegerischer Fähigkeiten auf kleinen Flugzeugen verliert in dieser Umgebung gegenüber dem Verständnis der komplexen Flugsteuerungssysteme an Bedeutung. Das Situationsbewusstsein der flugzeugführenden Belegschaften und deren Verständnis zu den physikalischen Grenzen der Flugenveloppe muss sehr gut ausgeprägt sein, um die Gefahr der Fehlbedienung in Extremsituationen zu minimieren. Diese Veränderung des Arbeitsplatzes wirkt sich zunehmend auf das Training des Flugpersonals aus.

Die im Projekt gewonnenen Ergebnisse zur Trainingseffektivität mit neuen Simulationstechnologien können sowohl von der Simulatorindustrie als auch von den Ausbildungsbetrieben verwertet werden, um damit für zukünftige Entwicklungen die richtigen Entscheidungen zu treffen. In der zivilen Großfliegerei sind Flugsimulatoren akzeptierte, kosten- und zeiteffiziente und von den verantwortlichen Behörden zugelassene Trainingsgeräte. Im Bereich der Kleinflugzeuge ist die Kosteneffizienz aufgrund der vergleichsweise geringen Flugstundenkosten von noch größerer Bedeutung. Darüber hinaus muss auch bei nachgewiesener Trainingseffektivität der Weg zu einer Zertifizierung, etwa bei der EASA, aufgezeigt werden.

Mixed-Reality vs. Full-Flight Simulatoren

Die Luftfahrt ist eine Erfolgsgeschichte in punkto Sicherheit, die signifikant durch das effektive Training der Flugzeugbesatzung begründet ist. Das DLR erforscht mit dem Air Vehicle Simulator (siehe Abb. AVES) weitere Optimierungen insbesondere für das Training der Cockpit-Crew von Airlines, Hubschraubern und militärischen Luftfahrzeugen. Der Zusammenhang zwischen der Simulationsgüte eines Flugsimulators (simulator fidelity) und der Trainingseffektivität wird dabei untersucht. Die Simulationsgüte eines Simulators ergibt sich aus der Qualität der einzelnen Komponenten und wird anhand eines regulatorisch festgelegten Testkataloges ermittelt. Die Trainingseffektivität ist ein Maß für den Lerneffekt, den eine Person im Simulator erfährt, und dessen Übertragbarkeit auf das reale Luftfahrzeug.

Air Vehicle Simulator (AVES)

Hochwertige Flugsimulatoren benötigen ein aufwendiges Projektionssystem, um die erforderliche Immersion für die flugzeugführenden Belegschaft zu ermöglichen. Das Projektionssystem des AVES besteht beispielsweise aus über zehn LED Projektoren, welche die Außensicht über das gesamte Sichtfeld in den Simulatordom projizieren. Dieser Dom hat einen Durchmesser von etwa 6 Metern und erlaubt ein Sichtfeld von 240 Grad in der Horizontalen und 95 Grad in der Vertikalen. Der Vorteil dieser bewährten Technologie besteht darin, dass die Perspektive der Pilotinnen und Piloten im Simulator der tatsächlichen Sicht aus einem Cockpit heraus entspricht – ganz ohne zusätzliche Hilfsmittel.

Die Nachteile liegen in dem komplexen Hardware-Aufwand, der einen erhöhten Platzbedarf erfordert: Zum einen der monumentale Dom, der zusammen mit dem Cockpit ein großflächiges Bewegungssystem mit entsprechenden baulichen Maßnahmen voraussetzt und zum anderen das Hexapodsystem mit einer Nutzlast von 14 Tonnen, das ein entsprechend starkes Betonfundament benötigt.

Im Bereich der neuen hochautomatisierten Kleinflugzeuge für die kommerzielle urbane Luftmobilität ist eine ähnliche Entwicklung, wie bei den Verkehrsflugzeugpilotinnen und -piloten zu erwarten. Die Bedeutung des Systemverständnisses der hochautomatisierten Flugsteuerungssysteme (system skills) und der sozialen Kompetenz der zukünftigen flugzeugführenden Belegschaften (soft skills) wird gegenüber den grundlegenden Flugfertigkeiten (flying skills) zunehmen. Letztere müssen allerdings jederzeit abrufbar bleiben, wenn sich auch der Fokus hin zu Überwachungsprozessen verschieben wird. Das Training muss daher für die zukünftigen kommerziellen Kleinflugzeugpilotinnen und -piloten im Hinblick auf eine zunehmende Automatisierung der Systeme angepasst werden, was diesen spezifischen Flugsimulator dafür geradezu prädestiniert.

Neue Aufgaben für innovative MR-Simulatoren

Dieses Projekt soll die Verwendung von Mixed-Reality Simulatoren (MR-Simulatoren) für das Training für Pilotinnen und Piloten im Bereich der Kleinflugzeuge und für das zukünftige Training für Advanced Air Mobility hinsichtlich der Trainingseffektivität bewerten. Hierfür werden zwei MR-Simulatoren beschafft und zur Untersuchung folgender Themen am DLR-Innovationszentrum in Würselen (StädteRegion Aachen) sowie bei kooperierenden Flugschulen eingesetzt:

  1. Upset Prevention and Recovery Training

    Wenn ein Luftfahrzeug in eine unkontrollierte Fluglage gerät, endet dies häufig tödlich! Laut Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen ist auch im Kleinflugzeugbereich die Ereigniskategorie ‚Kontrollverlust im Flug' (Loss of Control in Flight, LOC-I) die häufigste Unfallursache. Daher besteht in diesem Bereich das größte Potential durch Schulungen die Flugsicherheit zu erhöhen.

    Das Training zur Vermeidung von Gefahrensituationen und deren Ausleitung (Upset Prevention and Recovery Training, UPRT) im Simulator ist dabei sehr anspruchsvoll, da so genanntes ,negatives Training' unbedingt vermieden werden muss. Unter dem Begriff des negativen Trainings sind die Reaktionen der Pilotinnen und Piloten zu verstehen, die zwar im Simulator Gefahren vermeiden oder abwenden, die jedoch im realen Flug unwirksam sind oder schlimmstenfalls sogar gefahrverschärfend wirken. Ein Beispiel wäre hierzu das Trainieren der richtigen Reaktion auf einen sich anbahnenden Strömungsabriss. Infolge von Vereisung im Stau-Statik-System sei diese anhand der Fahrtmesseranzeige nicht erkennbar. Ein Indikator könnten dann die im Cockpit spürbaren Vibrationen sein, zusammen mit der (korrekten) Anzeige des Nickwinkels bei gegebener Triebwerksleistung geben diese einen Hinweis auf den, sich anbahnenden gefährlichen, Flugzustand. In einem solchen Fall könnte eine falsche Wiedergabe der letztgenannten Signale auf Grund fehlerhafter oder unvollständiger Datenpakete zu einer vom realen Flugzeug abweichenden Fluglage führen.

    Im Rahmen dieses Projekts wird untersucht, wie die Verwendung von MR-Simulatoren zu einer erhöhten UPRT-Trainingseffektivität beitragen können.

  2. Trainingseffektivität und Wirtschaftlichkeit

    Die Anpassung der Simulatoren an das didaktische Konzept und damit an die zu vermittelnden Trainingsinhalte trägt zum Erfolg der Flugsimulatoren bei. Für das Training des Flugpersonals in kleinen Flugzeugen ist jedoch ein gleichermaßen effektives wie kosteneffizientes Training eine große Herausforderung. Grundsätzlich wird es mit höherer Simulationsgüte einfacher, ein effektives Training bereitzustellen. Die größte Herausforderung besteht allerdings darin, im Simulator einen geringeren Stundenpreis als im Flugzeug zu ermöglichen.

    Hierzu müssen alle kostenaufwendigen Komponenten hinterfragt werden: Dazu zählt insbesondere die Simulation von Luftfahrzeugbewegungen. Zudem können Flugmanöver im Simulator nicht identisch zum realen Flug dargestellt werden, was besonders auf den beschränkten Bewegungsraum der eingesetzten Bewegungssysteme zurückzuführen ist. Gleichzeitig ist der Anteil der durch die Bewegungssimulation verursachten Kosten an den Gesamtkosten eines Flugsimulators relativ hoch. Daraus folgt der Zielkonflikt, dass auf der einen Seite die Kosten durch ein kleineres Bewegungssystem gesenkt werden sollen, während auf der anderen Seite die Einschränkungen durch ein kleineres System noch zunehmen.

    Es soll untersucht werden, inwieweit auch kleinere Bewegungssysteme zum Einsatz gebracht werden können, ohne die Immersion in wesentlichen Trainingsinhalten zu stark zu reduzieren. Hierfür werden neuartige Ansätze für die Umsetzung von simulierten Beschleunigungen in Bewegungen des Bewegungssystems (Motion Cueing) fortentwickelt und die Grenzen dieses Vorgehens untersucht. Im Ergebnis soll eine erste Abschätzung darüber vorliegen, welche Flugmanöver auch mit kleineren Bewegungssystemen ausreichend realitätsnah simuliert werden können, so dass die Trainingsziele dennoch erreicht werden. Dies ist ein wichtiger Beitrag bei der Beantwortung der Frage, in welchem Umfang Flugsimulatoren im Ausbildungsumfeld kleiner Luftfahrzeuge kosteneffizient eingesetzt werden können.

    Ein weiterer Ansatz zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit ist die Reduktion des Personals beim Training. Ein Remote Instruktor kann basierend auf objektiven Kennwerten wichtige Rückmeldungen geben, um den Lernerfolg zu maximieren.

    Die Messung der Trainingseffektivität erfolgt durch einen Vergleich mit realen Flügen. Dies soll in Kooperation mit den lokal ansässigen Flugschulen, wie der RWL in Mönchengladbach und der Westflug am Forschungsflugplatz Würselen-Aachen erfolgen. In diesem Rahmen soll auch der Einsatz eines so genannten Remote Instruktors zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit erprobt werden.

Advanced Air Mobility Training

Für das stadtnahe Fliegen werden neue Konfigurationen eingesetzt. Hierzu zählt beispielsweise der Tragschrauber, der im Projekt S²TOL entwickelt wird. Die Zukunftsvision S²TOL soll auf extrem kurzen Pisten starten und landen sowie auf engstem Raum steil an- und abfliegen können. Das Simulationsmodell kann in Synergie mit dem bereits laufenden Projekt entwickelt und auf den Simulator übertragen werden. Pilotinnen und Piloten sollen dieses hochautomatisierte Flugsteuerungssystem mit den elektrischen Antrieben bewerten, um damit Erkenntnisse zur Fliegbarkeit dieser neuartigen Konfiguration zu gewinnen.