Elektromagnetische Levitation

Tiegelfreie Prozessiertechniken erlauben Untersuchungen an Schmelzen von Materialen mit hohem Schmelzpunkt oder von chemisch reaktiven Schmelzen, bei denen bei einem konventionellen Aufschmelzen in einem Tiegel unerwünschte chemische Reaktionen zwischen der Schmelze und Tiegelmaterialien auftreten. Durch Vermeidung von heterogener Keimbildung an Tiegelwänden oder anderen Fremdphasen ermöglichen tiegelfreie Prozessiertechniken es zudem, Schmelzen unter ihren Schmelzpunkt in den metastabilen Zustand einer unterkühlten Flüssigkeit zu unterkühlen.  Bei der Anwendung von Schwebeschmelztechniken (Levitationstechniken) sind die frei schwebenden Proben  dabei zugänglich für unterschiedliche diagnostische Methoden, wie z.B. der pyrometrischen Temperaturmessung, der Beobachtung mit Videokameras oder auch Streuexperimenten mit Neutronen- oder Synchrotronstrahlung. Dies erlaubt  die Untersuchung des Nicht-Gleichgewichtserstarrungsverhaltens unterkühlter Flüssigkeiten, die Messung thermophysikalischer Eigenschaften, wie z.B. der Dichte oder der Oberflächenspannung, sowie die Untersuchung der atomaren Struktur und der atomaren Dynamik der Schmelze als Funktion der Temperatur.

Elektromagnetische Levitation

Eines der im Institut für Materialphysik im Weltraum eingesetzten Schwebeschmelzverfahren ist die elektromagnetische Levitationstechnik. Hier befindet sich eine massive elektrisch leitende Probe mit einem typischen Durchmesser von 5-10 mm in einem inhomogenen elek­tro­ma­gnetischen Wechselfeld, das von einer Levitationsspule, die von einem hoch­frequenten Wechselstrom durchflossen wird, erzeugt wird. Hierdurch werden Wirbel­ströme in die Probe induziert. Die durch Ohmsche Verluste bedingte Erwärmung der Probe ermöglicht es, die Probe aufzuschmelzen. Gleichzeitig resultiert aus der Wechselwirkung des magneti­schen Dipolmoments der von den Wirbelströmen durchflossenen Probe mit dem inhomogenen magnetischen Wechselfeld der Levitationsspule eine auf die Probe wirkende Kraft. Wird diese Kraft so eingestellt, dass sie die Schwerkraft kom­pensiert, so kann die Probe im festen und flüssigen Zustand frei schwebend prozessiert werden. Zur Abfuhr überschüssiger Wärme werden die Proben unter einer hochreinen Schutzgasatmosphäre prozessiert.

Das Institut für Materialphysik im Weltraum besitzt mehrere elektromagnetische Levitationsanlagen, die mit unterschiedlichen diagnostischen Methoden ausgestattet sind. Darunter befinden sich auch mobile Anlagen für die Durchführung von Streuexperimenten mit Neutronen- oder Synchrotronstrahlung an externen Strahlungsquellen. Die in den bodengebundenen Levitationsanlagen des Instituts durchgeführten Arbeiten ergänzen ähnliche Levitationsexperimente unter Mikrogravitationsbedingungen während Parabelflügen (TEMPUS) oder in einer von der ESA auf der internationalen Raumstation zur Verfügung gestellten elektromagnetischen  Levitationsanlage (EML-ISS). Der Prozess unter Mikrogravitationsbedingungen hat hierbei den Vorteil, dass eine stabile Positionierung der Proben mit um mehrere Größenordnungen schwächeren elektromagnetischen Wechselfeldern erreicht werden kann als auf der Erde, wodurch z.B. Flüssigkeitsströmungen in den Proben reduziert werden und ein Prozess der Proben im Vakuum ermöglicht wird