Sanft schwebt das DLR-Forschungsflugzeug A320 ATRA
(Advanced Technology Research Aircraft) im Landeanflug über
die Felder. Bei einem Blick aus dem Kabinenfenster sieht man,
wie die Landeklappen an der Vorder- und Hinterkante der Trag-
flächen ausgefahren werden. Ein leichtes Surren der Elektro­
motoren begleitet das Schauspiel, nachdem die Tragflächen fast
doppelt so breit wirken wie zuvor im Reiseflug. Die Fahrwerke
rasten in die Landeposition ein. Mit nur noch gut 200 Stunden-
kilometern passiert ATRA die Umzäunung seines Heimatflug­
hafens in Braunschweig und setzt auf der Landebahn auf.
Was im Flugversuch erforscht wird und so ähnlich im All-
tag von Fluggästen beobachtet werden kann, birgt eine techni-
sche Meisterleistung in sich. Die Tragflächen heutiger großer
und schwerer Passagiermaschinen sind für hohe Geschwindig-
keiten um die 850 Stundenkilometer in 10.000 Meter Höhe
ausgelegt. Im Landeanflug zeigen sie aber ihre andere Seite:
Erstaunlich langsam bei unter 250 Stundenkilometern halten sie
die Maschine auf dem letzten Wegstück in der Luft. Das gelingt
mit einem Griff in die aerodynamische Trickkiste. Das Zauber-
wort der Flugzeugingenieure heißt Hochauftriebssystem. Damit
meinen sie die vielen mechanischen Klappen an den Tragflächen,
die beim Start und vor allem bei der Landung ausgefahren sind,
und deren komplexe Steuerung.
Entscheidend ist dabei die vergrößerte Flügelfläche. Sie
sorgt für einen stärkeren Auftrieb an den Tragflächen, ebenso
wie die stärkere Flügelwölbung. Die dritte Szene in der Auffüh-
rung des Langsamfluges ist der Nase vorbehalten: Bis auf den
zehnfachen Anstellwinkel zieht der Pilot sie im Vergleich zum
Reiseflug in die Höhe und verstärkt den Auftrieb dadurch zu-
sätzlich. Das Klappensystem liefert auch hierbei die Vorausset-
zung, um sicher ohne größere Strömungsablösung fliegen zu
können.
Für die Leistungsfähigkeit eines Hochauftriebssystems
spielen aber auch die Spalten, die sich zwischen den Elementen
Vorflügel, fester Hauptflügel und Hinterkantenklappe öffnen,
eine ganz wichtige Rolle. Alle Elemente müssen exakt und
optimal zueinander ausgerichtet sein. Die Simulation des
Forschen bei maximalem Auftrieb und minimaler
Geschwindigkeit
Von Dr.-Ing. Ralf Rudnik und Falk Dambowsky
Die Vermessung der Langsamkeit
Ein Flugzeug bringt Urlauber und Geschäftsreisende schnell und direkt an ihr Ziel. Am Ende des Fluges warten auf
die Piloten und die Maschine noch einmal ganz spezielle Anforderungen: Der Flieger muss auch im langsamen Anflug
stabil in der Luft bleiben. Das DLR erforscht gemeinsam mit Airbus im Projekt HINVA (High Lift Inflight Validation) die
Langsamkeit von Verkehrsflugzeugen für leisere Anflüge, kürzere Landestrecken und größere Passagierkapazitäten.
Die Wissenschaftler nutzen dazu aufwändige Flugversuche, Windkanalexperimente und Computersimulationen.
Backbordflügel des DLR-Forschungsflugzeugs ATRA. Als silbrig
glänzende Streifen zu erkennen: die Messgurte für den Druck.
HINVA:
Simulation und Flug­versuch
gehen Hand in Hand
Seit numerische Methoden und moderne Hochleistungs-
rechner vor etwa 15 Jahren die Voraussetzung für die
rechnerische Behandlung realitätsnaher Hochauftriebs-
konfigurationen schufen, hat sich die Forschung auf das
detaillierte Verständnis der komplexen aerodynamischen
Phänomene und auf die Verbesserung der numerischen
Verfahren konzentriert. Das geschah überwiegend in
europäischen Projekten, wobei das DLR von Beginn an –
nicht zuletzt wegen der Bedeutung der Hochauftriebssys-
teme für den Airbusstandort Deutschland – eine promi-
nente Rolle spielte. Die experimentellen Daten für die Ver-
gleiche zwischen gemessenen und berechneten Daten
stammten dabei aus Windkanalversuchen. Aus diesen
Forschungsarbeiten wurde deutlich, dass die Genauigkeit
beim Bestimmen der aerodynamischen Hochauftriebsleis-
tung mit Blick auf die Weiterentwicklung der numerischen
Verfahren allein durch den Vergleich mit Windkanalergeb-
nissen nicht zu erbringen ist. Größenbeschränkungen so-
wie der Einfluss von Windkanalwänden und Modellhalte-
rungen stehen dem entgegen. Die Validierung, also die
Überprüfung der Messwerte, am fliegenden Objekt war
gefragt: Grund genug, im Jahr 2010 das Projekt High Lift
Inflight Validation, kurz HINVA, zu starten, das im Rahmen
des Luftfahrtforschungsprogramms vom BMWi gefördert
wird.
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