Bild: Petra Bork/pixelio.de
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Wagner ist seit 2010 DLR-
Vorstand für Energie und Verkehr. Der gebür-
tige Passauer studierte Elektrotechnik in
Bogotá und an der Technischen Universität
München. Er ist verheiratet und Vater dreier
Kinder.
Alle reden von der Energiewende – mal euphorisch, mal skeptisch und manchmal, sind
wir ehrlich, auch ganz ohne Beachtung der Gesetze aus Physik und Ökonomie. Die Zeit
drängt – wir müssen jetzt handeln und die Grundsteine für die Zukunft unserer Energie
durchdacht und gezielt legen. Skepsis und Vorsicht sind dabei durchaus angebracht.
Die Energiewende zu vollziehen, ist ein ambitioniertes und weltweit einmaliges Vorha-
ben, es gibt keine Checkliste, die abgearbeitet automatisch zum Erfolg führt. Hinzu
kommt: Die Ziele, die die Bundesregierung in ihrem Energiekonzept vom Juni 2011 mit
einzigartigen Vorgaben zur Effizienzsteigerung und mit dem Ausbau von erneuerbaren
Energien steckt, sind hoch. So hoch, dass sie über eine kontinuierliche, lineare Weiter-
entwicklung der heutigen Techniken und Strukturen allein nicht erreicht werden kön-
nen. Für eine erfolgreiche Transformation unseres Energiesystems brauchen wir nicht
nur neue, noch effizientere Technologien, wir brauchen auch neue Markt-, Planungs-
und Betriebsstrukturen von der Erzeugung bis zum Verbraucher.
Im unternehmerischen und politischen Alltag werden zum Beispiel Strom-,
Wärme- und Kraftstoffversorgung meist noch getrennt aufgebaut und betrieben. Für
einen effizienten Umgang mit Energieressourcen ist es jedoch sinnvoll, diese Bereiche
stärker zu verzahnen und neue Energieträger übergreifende Managementstrukturen
für Erzeugung, Transport und Verbrauch zu schaffen. Koppelt man das Gassystem mit
dem Stromsystem, so kann bei einem Überschuss an erneuerbarem Strom Methan oder
Wasserstoff erzeugt und anderweitig, beispielsweise für Mobilität, genutzt werden. Mit
zunehmendem Anteil erneuerbarer Energien werden zudem auch zentrale und dezent-
rale Speicher in großem Umfang erforderlich, mit erheblichen Vorteilen für die Grund-
lastfähigkeit der erneuerbaren Stromerzeugung, aber auch zur besseren Auslastung
und Wirtschaftlichkeit konventioneller Kraftwerke.
Die Energiewende ist ein in Deutschland eingeschlagener Weg, dennoch müssen
wir über unsere nationalen Grenzen hinwegblicken. Es ist sinnvoll, dass wir alle Energie-
sparten, insbesondere aber die Stromversorgung, europäisch gestalten. In Zukunft
müssen wir Planung und Betrieb von erneuerbarer und konventioneller Stromerzeugung
sowie für den bedarfsgerechten Ausbau von Netzen und Speichern, europaweit in
einem gemeinsamen Binnenmarkt abstimmen.
Für alle diese Herausforderungen, und das ist die gute Nachricht, gibt es von Seiten
der Energieforscher bereits viele Lösungsansätze. So haben die DLR-Wissenschaftler
zum Beispiel im Bereich der Energiesystemanalyse schon lange Szenarien für große in-
ternationale Energieverbundsysteme erarbeitet. In den DLR-Instituten nehmen effizien-
tere Speicher immer mehr Gestalt an, werden Methoden entwickelt, um Methan oder
Wasserstoff im großen Maßstab und mit möglichst geringen Verlusten ins Gasnetz
einzuspeisen.
Die Energieversorgungswirtschaft ist ein schwerer, träger Tanker mit einer
jahrzehntelang gewachsenen, Milliarden Euro schweren Energie-Infrastruktur. Um ihn
umzusteuern, müssen wir alle Potenziale nutzen und eine offene Diskussion über den
Transformationsprozess und seine Konsequenzen führen. Auf die Energieforschung
kann hier gezählt werden! Als Forscher appelliere ich an die Energiewirtschaft und an
die Politik: Lasst uns zusammen Neues denken, uns gegenseitig fordern und fördern.
Die DLR-Forscherinnen und Forscher, Ingenieurinnen und Ingenieure sind bereit, eine
neue Energiezukunft zu gestalten und zu begleiten, allem voran mit Forschung, aber
auch über Ausbildung und Politikberatung.
Mit Energie
die Wende schaffen
Von Ulrich Wagner
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