Öfter mal was Neues: Die NASA-Sonde Psyche startet, um ab 2029 erstmals einen Asteroiden aus Metall zu untersuchen
Wer denkt, dass es in der nunmehr 66 Jahre „alten“ Raumfahrt alles schon einmal gegeben hat, der kann auch heute immer noch Überraschungen erleben. Am 12. Oktober 2023 beginnt die NASA-Mission Psyche, die ab 2029 einen Himmelskörper untersuchen wird, dessen Eigenschaften bei allen bisherigen Objekten der Planetenforschung noch nie angetroffen wurden. Es handelt sich um den Asteroiden (16) Psyche, einen etwa 226 Kilometer durchmessenden Planetoiden im ausgedehnten Asteroiden-Hauptgürtel zwischen den Planeten Mars und Jupiter. Nach allem, was man bisher weiß, besteht er fast vollständig oder zumindest zu sehr großen Anteilen aus den Metallen Eisen, Nickel und Kobalt, und auch die begehrten Edelmetalle Gold, Silber und Platin dürften vorhanden sein. Also ein richtig „schwerer Brocken“ im Vergleich zu den Hunderttausenden anderen Asteroiden.
Es ist das erste Mal in der Geschichte der Planetenforschung, dass eine Raumsonde nicht einen Körper aus Fels, Gestein oder Eis besuchen wird, sondern eben ein Ziel ansteuert, das hauptsächlich aus Metallen besteht. Solche Körper sind sehr selten im Sonnensystem. Von etwa einer Million bekannter Asteroiden mit Durchmessern von mehr als einhundert Metern, das lässt sich aus Spektral- und Radarmessungen mit Teleskopen auf der Erde und der Parameter ihrer Umlaufbahnen ableiten, sind nur neun vergleichbare Metall-Asteroiden bekannt. (16) Psyche, wegen des hohen Metallanteils als M-Klasse-Asteroid eingeordnet, ist der größte (und gehört damit auch zu den zehn größten Asteroiden) unter ihnen. Bereits der zweitgrößte Metallasteroid, (216) Kleopatra, hat einen größten Durchmesser von nur 122 Kilometern.
Die Mission Psyche soll nach einem nahen Vorbeiflug am Mars im Mai 2026, der die Sonde beschleunigen und auf ihren endgültigen Kurs zu ihrem Ziel bringen wird, im August 2029 am gleichnamigen Asteroiden ankommen. In den folgenden 26 Monaten wird die Mission aus vier unterschiedlich hohen, zwischen 709 Kilometern und 75 Kilometern Höhe über der Asteroidenoberfläche angelegten und verschieden orientierten Umlaufbahnen ihre wissenschaftlichen Aufgaben erfüllen.
Vier wissenschaftliche Experimente
Dafür werden vier Experimente durchgeführt, mit drei Instrumenten und der Auswertung des X-Band-Radiowellen-Funkverkehrs zwischen Bodenstationen und Raumsonde (Dehnung und Stauchung der Funkwelle, „Dopplereffekt“). Damit kann gemessen werden, wie Psyche den Orbit der Sonde beeinflusst. Daraus wiederum lassen sich Rotation, Masse und Schwerefeld des Asteroiden ableiten, was weitere Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und Struktur im Innern des Körpers ermöglicht. Psyche ist keine Kugel, eher etwas kartoffelförmig und hat daher eine ungleiche Massenverteilung. Deshalb sind diese Informationen besonders wichtig für einen sicheren Orbit und vor allem auch, um den Treibstoffverbrauch für Korrekturen der Umlaufbahn zu optimieren.
Ganz ähnlich wie bei der Maßstäbe setzenden NASA-Mission Dawn (2007-2016) zum Asteroiden Vesta und zum Zwergplaneten Ceres sind Kameras mit an Bord: ein redundantes System aus zwei baugleichen Multispektralkameras, die Aufnahmen im Ultravioletten, im sichtbaren Licht und dem nahen Infrarot machen werden. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wird vor allem mit der Verarbeitung dieser Bilddaten wissenschaftliche Beiträge zur Mission leisten. Die Planetengeodäsie des DLR-Instituts für Planetenforschung in Berlin-Adlershof ist spezialisiert auf die Berechnung digitaler Geländemodelle der Oberflächen von Planeten, Monden und kleinen Körpern im Sonnensystem. Die Aufnahmesequenzen sind so geplant, dass sie sich seitlich und in Flugrichtung teilweise überlappen. Diese Stereo-Bildabdeckung ermöglicht die dreidimensionale Visualisierung der Psyche-Oberfläche und die Erfassung ihrer Topographie in großer Genauigkeit. So entsteht ein für die wissenschaftliche Auswertung wichtiger Datensatz. Die höchsten Bildauflösungen werden etwa 20 Meter große – oder kleine – Landschaftsdetails sichtbar machen. Mit acht Farbfiltern ausgestattet, lassen sich mit dem Kamerasystem auch Karten der Mineralogie von (16) Psyches Oberfläche erstellen. Ferner werden ein Gammastrahlen- und Neutronendetektor die chemischen Elemente, die das noch gänzlich unbekannte metallene Terrain bilden, analysieren. Schließlich wird ein Magnetometer (mehr dazu später) Stärke, Orientierung und „Geschichte“ eines bei einem metallreichen Körper sehr wahrscheinlich noch vorhandenen Magnetfeldes messen.
Was geschah vor viereinhalb Milliarden Jahren?
Wie immer bei der Erforschung von Asteroiden geht es auch bei der Psyche-Mission darum, weitere Erkenntnisse über die noch nicht vollständig verstandene früheste Zeit des Sonnensystems zu gewinnen. Asteroiden sind Überbleibsel aus der Zeit vor etwa 4,56 Milliarden Jahren, als sich nach der Sonne in der sie umgebenden, rotierenden Scheibe aus Staub, Gas und Eis in nur wenigen Zehnermillionen Jahren die Planeten geformt haben. Kleinste Molekülketten verbanden sich zu Materieklumpen, dann zu „Chondren“ (Kügelchen), wie sie in Meteoriten anzutreffen sind, und schließlich zu sogenannten Planetesimalen – den festen Bestandteilen, aus denen sich die Körper des inneren Sonnensystems mit festen Oberflächen gebildet haben. Auch im äußeren Sonnensystem, ab der Bahn des Planeten Jupiter, entstanden auf diese Art und Weise vermutlich Planetenkerne. Doch zogen diese mit ihrer gewaltigen Masse in der größeren Entfernung zur Sonne und damit kälteren Umgebung die dort viel stärker konzentrierten Gase an, was die vier äußeren Planeten zu riesigen Planeten anwachsen ließ.
Eines der Rätsel bei der Entstehung und Entwicklung der vier inneren Planeten Merkur, Venus, Erde (mitsamt ihrem Mond) und Mars ist, wie sich die Stoffe zu planetaren Kugeln zusammenballten. Sie erhitzten sich dann stark durch den Zerfall radioaktiver Elemente, waren bald zu großen Anteilen geschmolzen und konnten sich dadurch in die unterschiedlichen chemischen Bestandteile entmischen. Man geht davon aus, dass sich die jungen Planeten „differenzierten“, die Stoffe sich also trennten und dadurch ein schalenförmiger Aufbau entstand. Bei diesem Prozess bildete sich jeweils ein Planetenkern (mit den schwersten Elementen, den Metallen), darüber ein teils geschichteter Mantel aus Gesteinen mit schweren, eisen- und magnesiumreichen Mineralen und darüber eine Kruste aus Gesteinen, aufgebaut aus leichteren Elementen wie Silizium und Aluminium.
Gestattet (16) Psyche den Blick auf einen ehemaligen Planetenkern?
Das Innere der Erde, und erst recht das der benachbarten Planeten, ist direkten Messungen oder gar Beobachtungen entzogen. Das tiefste Bohrloch auf der Erde piekst nicht einmal 14 Kilometer in die Erdkruste – bis zum Zentrum des Erdkerns sind es dann noch mehr als 6.350 Kilometer. Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ von 1864 ist also nicht nur eine belletristische Utopie, es ist wissenschaftlich schlicht unmöglich, mit Messgeräten dorthin zu gelangen. Die Wissenschaft ist deshalb auf die Auswertung indirekter Beobachtungen wie die Messung der Geschwindigkeit von Erdbebenwellen angewiesen, oder auf (daraus abgeleiteten) geophysikalische Modelle.
Das führt uns zurück zur Mission Psyche: Warum gibt es diesen so massereichen, metallischen Ausnahme-Asteroiden überhaupt? Eine der plausibelsten Überlegungen ist, dass (16) Psyche nur der Rest eines ehemals größeren und auch schon differenzierten Protoplaneten ist, dessen Stoffe sich in Kruste, Mantel und Kern getrennt haben. Und dann in der extrem unruhigen Frühphase des Sonnensystems, in den ersten hundert Millionen Jahren seiner Existenz, mit einem anderen Planetenembryo kollidierte. Das geschah ganz gewiss sehr häufig, auch am Asteroiden (3) Vesta war das der Fall, wie die Dawn-Mission herausgefunden hatte. Bei Vesta wurde der Gesteinsmantel möglicherweise von einer größeren „Proto-Psyche“ mit mehreren hundert Kilometern Durchmesser weggesprengt. Übrig blieb fast nur der Kern, vorwiegend bestehend aus metallischen Komponenten. So die einfachste Theorie.
Jules Verne stand ein wenig Pate für die Mission
Die Mission Psyche soll genau dieses Szenario überprüfen. Verhielte es sich so, dass wir heute mit dieser außergewöhnlichen Mission also den Kern eines Protoplaneten beobachten könnten, dann wäre dies eine einmalige Konstellation: Kommen wir bei den Planeten im inneren Sonnensystem nicht „an den Kern“ eines solchen Körpers heran, so wäre dies bei (16) Psyche eben vielleicht doch möglich – wie bei Jules Verne eine Reise zum „Mittelpunkt“, nun, nicht der Erde, sondern zu einem ähnlichen terrestrischen, aber seines Gesteinsmantels entledigten Protoplaneten zu unternehmen.
Es gibt allerdings auch andere Szenarien, die diskutiert werden. Vielleicht ist (16) Psyche gar nicht das Ergebnis eines vergleichbaren Prozesses wie bei Erde oder Mars. Vielleicht verlief die Entwicklung des metallischen Sonderlings anders als bei den erdähnlichen Planeten. Vielleicht stammt er nicht einmal aus den Zonen, in denen sich die terrestrischen Planeten gebildet haben, sondern von weiter draußen im Sonnensystem – oder weiter innen. Hier hofft das Psyche-Team vor allem auf die Messungen mit dem Magnetometer. Mit ihnen soll herausgefunden werden, ob der metallische Körper tatsächlich einst komplett geschmolzen war (dann ist das Szenario eines differenzierten, erdähnlichen Protoplaneten eher wahrscheinlich), oder nur teilweise oder gar nicht (dann war es anders als beispielsweise bei der Erde).
Wie auch immer das Ergebnis der ungewöhnlichen Mission der NASA ausfallen wird, es wird zur Interpretation der Ereignisse vor etwa viereinhalb Milliarden Jahren ein hochinteressantes, wichtiges Kapitel hinzufügen. Psyche ist eine Mission ins Unbekannte, und es ist eine so ungewöhnliche Mission, dass an ihrem Ende die Geschichte der Frühzeit des Sonnensystems vielleicht sogar umgeschrieben werden muss.
P.S.:
Zu Beginn wurde erwähnt, dass neben den „banalen“ Metallen Eisen oder Nickel auch Edelmetalle auf (16) Psyche vorhanden sein dürften – wie sie eben im solaren Urnebel auch mehr oder weniger homogen und „statistisch“ verteilt waren und in die Planeten „eingebaut“ wurden. Ist (16) Psyche also eine unglaublich ergiebige Rohstoffquelle der Zukunft? Die wissenschaftliche Leiterin der Mission Psyche, Lindy Elkins-Tanton (Arizona State University) wurde 2017 bei der Bekanntgabe der Mission von den Medien darauf angesprochen. Aus purer Neugierde und Spaß an der Frage hat sie nachgerechnet, was bei den erwarteten, für Metallmeteoriten und -asteroiden üblichen Konzentrationen dieser metallischen „Rohstoffe“ für diese „Bonanza“ denn für ein Marktwert herauskommen würde: Der theoretische Wert summiert sich zu der unglaublichen Summe von zehn Trillionen Euro – eine eins mit 19 Nullen oder zehn Millionen Billionen. „Diese Zahl werde ich nicht mehr los“, sagt sie heute. „Aber wir werden nie in der Lage sein, diese Rohstoffe in die Nähe der Erde zu transportieren. Und selbst wenn: So viele Metalle würden die Märkte überfluten und ihr Preis sofort in den Keller fallen“. So bleibt die Reise von Psyche zu (16) Psyche das, für was die Raumsonde immer vorgesehen war: eine rein wissenschaftliche Mission.
P.P.S.:
Benannt ist der Asteroid (16) Psyche, und damit auch die gleichnamige Mission, nach einer sterblichen Prinzessin in der griechischen Mythologie, die so wunderschön gewesen sein soll, dass selbst die Göttin der Schönheit, Aphrodite, eifersüchtig wurde und um ihren eigenen Mythos fürchtete, die schönste Frau in der Götterwelt des Olymps zu sein. So sandte sie ihren Sohn Eros, den Gott der Liebe, auf die Erde, um Psyche dahingehend zu beeinflussen, dass sie sich in eine hässliche und böse Kreatur verliebe. Was geschah? Als Eros die schöne Psyche erblickte, verliebte er sich sogleich selbst in sie und ignorierte der göttlichen Mutter Befehl. Psyche ist im Altgriechischen das Wort für Hauch, Seele, Atem und Schmetterling. Es gibt auch einen Asteroiden (433) Eros, vom Astronomen Gustav Witt 1898 mit dem berühmten ‚Bamberg-Refraktor‘ auf der Berliner Sternwarte entdeckt, der mit maximal 30 Kilometer Durchmesser viel kleiner ist als (16) Psyche. Aber es ist ein Erdbahnkreuzer und wird deshalb genau beobachtet. (433) Eros, der zur Gruppe der Amor(!)-Asteroiden gehört, war der erste Asteroid, der nicht nach einer Frau benannt wurde – weil es der erste Asteroid war, der nicht zwischen Mars und Jupiter kreist, sondern die Erdbahn kreuzt. Er war der erste Asteroid, der von einer Raumsonde umkreist wurde, das war in den Jahren 2000 und 2001 die NASA-Mission NEAR Shoemaker.
Daten zur Mission Psyche
Mission: | Psyche |
---|---|
Betreiber | NASA (Discovery-Klasse)/Jet Propulsion Laboratory |
Hauptexperimentator | Prof. Dr. Lindy Elkins-Tanton (Arizona State University) |
Deutsche Beteiligung | Dr. Thomas Roatsch, Dr. Katharina Otto, Frank Preusker (DLR), Prof. Dr. Ralf Jaumann (FU Berlin) |
Start | 12. Oktober 2023 (Startfenster bis 25. Oktober 2023); 16:16 Uhr MESZ |
Startort | Kennedy Space Center, Florida (USA); Startkomplex 39A |
Trägerrakete | Falcon Heavy (SpaceX) |
Transfer zu (16) Psyche | 3,6 Milliarden Kilometer (Marsvorbeiflug: Mai 2026) |
Wissenschaftliche Mission an (16) Psyche | August 2029 bis November 2031 |
Wissenschaftliche Experimente | vier: zwei baugleiche Multispektralkameras (8 Filter UV-VIS-NIR), Magnetometer, Gammastrahlen- und Neutronenspektrometer, Funkverkehranalyse |
Raumsonde | 2.747 Kilogramm Masse |
Größe | Raumsonde: 4,9 m x 2,0 m x 2,4 m; mit Solarpanelen: 24,76 m x 7,34 m |
Energie | 2,3-3,4 KW am Asteroiden |
Antrieb | Ionenantrieb (Hall-Prinzip); 1.082 kg Xenon |
Kosten | 900 Millionen Dollar (circa 820 Millionen Euro) |
Ziel | Asteroid (16) Psyche |
Umlaufzeit | 5,0 Jahre |
Größe | max. 226 Kilometer Durchmesser |
Oberfläche | circa 130.000 km2 (entspricht etwa der Fläche Griechenlands) |
Masse | 2,3 x 1019kg (entspricht 1/260.000 Erdmasse) |
Rotationsperiode | 4,2 Stunden |
Dichte | 3.400-4.100 t/m3 |
Rückstrahlvermögen | 15 Prozent |
Entfernung | 2,5 bis 3,3 AU (Astronomische Einheiten) 375-495 Millionen Kilometer Sonnenentfernung |
Entdecker | Annibale de Gaspari (17.3.1852, Neapel) |
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