TRIPLE-IceCraft-Expedition in die Antarktis: Finale Systemtests und Abschluss der Vorbereitungen für die Bohrung – Teil 4
Bald ist es soweit – der große Test unserer Sonde TRIPLE-IceCraft, die sich durch das knapp 100 Meter dicke Schelfeis nördlich der Neumayer-Station III schmelzen soll, steht kurz bevor. Vorher müssen wir noch finale Systemchecks durchführen und eine erste Testbohrung machen.
Nachdem das Kamerasystem und das System zur Vorfelderkundung (FRS: Forefield Reconnaissance System) eingebaut sind, müssen wir noch eine Herausforderung meistern: Im Inneren der Sonde sind alle Subsysteme zur Kommunikation über einen Datenbus miteinander verbunden. Seit Beginn der Tests treten immer wieder Kommunikationsabbrüche zwischen den Systemen der vorderen Module und den Systemen im hinteren Modul auf. Während des Einbaus des Kameramoduls und des FRS wurden bereits in den vorderen Modulen alle Steckverbinder und Kabel überprüft. Dort konnten wir jedoch keinen Fehler feststellen. Das hintere Modul muss daher nun ebenfalls geöffnet werden. Dafür müssen wir zunächst die vorderen Module wieder verschließen.
Eine erste Inspektion zeigt hier keine offensichtlichen Fehler oder Beschädigungen. Wir überprüfen jeden Steckverbinder und jedes Kabel. Das erfordert viel Zeit, da die Elektronik hoch integriert und übereinander angeordnet ist, um den knappen Bauraum innerhalb der Sonde optimal zu nutzen. Um alle Komponente inspizieren zu können, müssen andere erst demontiert werden. Nach der mühsamen Suche finden wir aber endlich den Fehler: Eine Lötverbindung auf einem Spannungsversorgungsmodul der Kommunikation ist defekt! Zwei Lötkontakte zwischen der Platine und einem Stecker sind gebrochen, vermutlich ein Transportschaden. Damit ist die Lösung klar. Wir bauen das Modul aus, erneuern den Steckverbinder und die Lötverbindung. Zusätzlich fixieren wir die Buchse auf der Platine und bringen eine weitere Zugentlastung an dem Kabel an. Ein kurzer Test und endlich funktioniert die Kommunikation in der Sonde wieder stabil! Jetzt wird alles wieder zusammengebaut und das hintere Modul verschlossen.
Als nächstes kalibrieren wir die Kraftsensoren neu, da sich durch die neuen Systeme das Gewicht der Sonde geändert hat. Dazu wird zunächst die Sonde im Liegen auf null kalibriert und im Anschluss an den Kran aufgehängt und mit der Gewichtskraft kalibriert. Schlechtes Wetter zwingt uns dann leider zu einer weiteren Pause von eineinhalb Tagen. Die Windgeschwindigkeiten erreichen über 40 Knoten (circa 74 Kilometer pro Stunde), die Außentemperatur beträgt minus zehn Grad Celsius, und die Schneedrift ist sehr stark. Die Sicht ist dadurch stark eingeschränkt, sämtliche Arbeiten außerhalb der Station sind nicht mehr möglich. Auch bei kurzen Wegen stechen der kalte Wind und Schnee auf der Haut.
Als das Wetter wieder besser wird, können wir das Heiz- und das Windensystem abschließend testen. Dazu wollen wir die gesamte Sonde einschmelzen und wieder zurückholen. Zunächst beginnen wir mit der Bohrprozedur: Die Sonde wird gestartet und manuell am Kran aufgerichtet. Sämtliche Sensorwerte und die Subsystemstatus werden überprüft. Alles funktioniert und der Test kann starten. Die Sonde wird mit der Startvorrichtung circa zehn Zentimeter am Kran hochgezogen. Zum Starten wird dem Windensystem der Befehl zur Abwärtsbewegung gesendet. Es dauert einen kurzen Moment, dann hören wir das Anfahren der Motoren und das Drehen der Getriebe. Die Sonde beginnt sich zu bewegen und fährt gleichmäßig mit einer Geschwindigkeit von etwa sieben Meter pro Stunde in Richtung Eis. Am Eis angekommen, setzt der kalte, bisher ungeheizte Schmelzkopf auf. Durch die innere Kraftsensorik und -regelung der Sonde wird das Aufsetzen erkannt, und die Sonde verringert die Geschwindigkeit bis hin zum Stehenbleiben. Wir stoppen die Sonde per Befehl und initiieren die Aufwärtsbewegung. Auch hier dauert es wieder einen kurzen Moment, bis wir das erneute Anfahren hören. Die Sonde setzt sich wieder in Bewegung und fährt mit der gleichen Geschwindigkeit aufwärts. Nach einigen Zentimetern tritt ein unerwartetes Ereignis ein: Die Sonde stoppt, bewegt sich wieder abwärts in Richtung Eis und wird durch das Aufsetzen auf das Eis gebremst. Das Kabel ist durch das Treibrad gerutscht! Wie konnte das passieren? Während der Vortests trat das Problem nicht auf.
Die folgenden Tage arbeiten wir an der Problemlösung: Wir inspizieren das Kabel und das Treibrad, aber es sind keine Verschmutzungen oder Beschädigungen sichtbar. Wir überarbeiten das Spulensystem und untersuchen mögliche Unterschiede im Vergleich zu den Tests zuvor: Diese Tests wurden in wärmeren Umgebungen durchgeführt. Daher heizen wir die Sonde im Bereich des Spulensystems auf und versuchen es erneut. Wieder rutscht das Kabel durch. Wir kalibrieren die Kraftsensoren neu und optimieren die Regelung des Spulensystems. Wir erhöhen die Vorspannung auf das Treibrad und überarbeiten die Kabelführung. Inzwischen sitzt das Kabel zwar fester im Treibrad, aber dennoch rutscht es wieder durch. Das Problem scheint in der zu niedrigen Reibung zwischen dem Kabel und dem Treibrad zu liegen. Wir sind uns sicher, durch eine Überarbeitung des Treibrads können wir dies korrigieren, aber die notwendigen Maschinen für diese Arbeit stehen nicht an der Neumayer-Station III zur Verfügung.
Um dennoch die Bohrung durchführen zu können, entscheiden wir uns, die Sonde bei der Rückfahrt extern zu unterstützen. Dafür benutzen wir ein Seil, das wir mit der einen Seite am Heck der Sonde und mit der anderen an einer Winde befestigen. Die Führung des Seils läuft über Umlenkrollen, sodass das Seil möglichst nah am Kabel ist und beide nebeneinander geführt werden können. Durch das manuelle Betätigen der Winde können wir nun das interne Windensystem entlasten: Die Kontrolle der Entlastung kann durch die Kraftmessung im internen Windensystem erfolgen. Diese Kraftmessung ermittelt, mit welcher Kraft die Sonde am Schmelzsondenkabel hängt. Durch das Nachregeln der externen Winde können wir die Gewichtskraft zu gleichen Teilen zwischen dem Schmelzsondenkabel und dem Rückholseil aufteilen. Mit dieser Unterstützung funktioniert endlich auch das Fahren in Rückwärtsrichtung und das Einspulen des Kabels.
Als nächstes testen wir das Heizsystem der Sonde: Wir starten mit circa einem Kilowatt Heizleistung am vorderen Schmelzkopf. TRIPLE-IceCraft schmilzt gleichmäßig, mit konstanter Geschwindigkeit ins Eis. Die Außenseiten der Sonde werden auf eine Temperatur einige Grad Celsius über Null geregelt, gerade so, dass die Sonde seitlich nicht am Eis festfrieren kann. Solange die Schmelzsonde sich noch an der Luft befindet, muss der elektrische Strom durch das Versorgungskabel begrenzt werden, da sonst das aufgespulte Kabel im Inneren der Sonde schnell überhitzt. Wir schmelzen TRIPLE-IceCraft etwa einen Meter ein und stoppen dann den Einschmelzvorgang. Danach fahren wir mit der Unterstützung durch das externe Seil hoch. Nachdem TRIPLE-IceCraft wieder auf der Startrampe angekommen ist, stoppen wir die Fahrt. Im Anschluss wiederholen wir den Schmelzvorgang und fahren die Sonde circa vier Meter tief ins Eis, was der Länge der Sonde entspricht. Während des Einschmelzvorgangs fotografieren wir das Eis im Schmelzkanal und detektieren durch das FRS keine Hindernisse oder andere Anomalien im Vorfeld der Sonde. Danach beginnen wir die Rückfahrt und bergen das TRIPLE-IceCraft.
Wir verstauen das Equipment und bereiten die Bohrung am Nordanleger vor. Endlich kann alles an den Bohrplatz transportiert werden!
Tags: