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Eine Rakete, viele Hände

Eine Rakete, viele Hände
Ein Team für einen Raketenstart
Um eine Rakete und ihre Experimente sicher in die Höhe zu bringen, ist eine Zusammenarbeit über Institute und Einrichtungen hinweg notwendig.

Es braucht Raketenstarter/innen, Zahlenkünstler/innen, Datenkönner/innen, Organisationstalente, Erfinder/innen, Projektleiter/innen und vieles mehr, um eine Rakete mit Experimenten in die Schwerelosigkeit zu bringen. Die Aufmerksamkeit liegt aber immer auf dem Augenblick des Starts und dem erfolgreichen Flug. Etwas tritt dabei schnell in den Hintergrund: Es sind die Menschen – und meistens viele Menschen – mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten, die eine Startkampagne wie beispielsweise die des Flugexperiments ATHEAt vom norwegischen Spaceport Andøya planen, vorbereiten und zum Erfolg machen. In unserem Blog stellen wir einige davon vor.

Projektleitung vom Entwurf bis zur Auswertung

Prof. Ali Gülhan
Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik

Zum Beispiel Prof. Ali Gülhan, der wissenschaftliche Leiter für das Experiment. Der Ingenieur, der wie bei den früheren Flugexperimenten ATEK und STORT die technologischen Ziele des ATHEAt-Flugexperiments definiert hat, leitet seit 24 Jahren am Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik die Abteilung Über- und Hyperschalltechnologien. In Köln hat seine Abteilung mehrere Windkanäle, in denen Modelle von Raumfahrzeugen und Flugkörpern unter anderem aerodynamisch und aerothermal charakterisiert werden können. Für ATHEAt hat er die Fäden in der Hand, hat Ablauf, wissenschaftlichen Fortschritt und Finanzen kontrolliert und ist Ansprechpartner für Industrie-Kooperationen. „Uns ist wichtig, dass unsere Forschung auch in die Anwendung, in den Transfer, geht“, sagt er über die Arbeit seiner Abteilung. ATHEAt ist nicht die erste Flugkampagne, an der er beteiligt ist, aber zum ersten Mal ist ein Flugkörper ca. zwei Minuten mit Geschwindigkeiten zwischen fünf- und neunfacher Schallgeschwindigkeit in niedrigeren Atmosphärenschichten geflogen. Dabei steigen die Anforderungen an das Thermalmanagement, Hitzeschutzsystem und Instrumentierung von Projekt zu Projekt. Raumtransport soll wiederverwendbar werden, bei ATHEAt haben dafür mit mehr als 300 Sensoren während des Flugs die aerodynamische und thermo-mechanische Belastung gemessen.

Ingenieurskunst für die richtige Struktur

Ingenieur Thomas Reimer
Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie

Sensoren, die unter anderem im vorderen Teil – dem Vorkörper – des Raumfahrzeugs sitzen. Ingenieur Thomas Reimer vom Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie hat gemeinsam in einem Team die Struktur für diese Spitze entworfen, den keramischen Faserverbundwerkstoff produziert, die Strukturen damit hergestellt und alles zusammengebaut. „Wir lernen im Laufe der Projekte, wie wir die Strukturen auslegen und herstellen müssen.“ Das Material ist bekannt, aber die Formgebung der Strukturen ist jetzt viel komplexer. Bei ATHEAt entstanden am Flugkörper Temperaturen von über 2000 Grad Celsius. „Gerade das“, sagt er, „ist die spannende Sache: die Strukturen für den Hitzeschutz noch besser zu machen.“ In seinem Team war er mit über 30 Jahren beim DLR der „alte Hase“, 1994 ist er für seine Abschlussarbeit ins DLR gekommen – und geblieben. Seine Erfahrung ergänzte sich perfekt mit den Kompetenzen der jüngeren Teammitglieder. „Das war eine absolut erfolgreiche Mischung – die Jüngeren haben enorme Kenntnisse bei den Berechnungs- und Konstruktionstools, ich hatte meine Erfahrung der vergangenen Missionen.“

Organisationstalent mit Zahlenverstand

Doreen Kupka
Einrichtung Raumflugbetrieb und Astronautentraining

Neben dem technischen Aufwand geht es aber auch nicht ohne den administrativen: Doreen Kupka, Betriebswirtin im Internationalen Management, arbeitet bei der Mobilen Raketenbasis (MORABA) des DLR in der Einrichtung Raumflugbetrieb und Astronautentraining. Zur MORABA kam sie vor zehn Jahren als Elternzeitvertretung, seitdem haben sich ihre Aufgaben weiterentwickelt und ein breites Spektrum eingenommen. Vor und nach der Kampagnenbegleitung ist sie als Projektkoordinatorin und -leiterin vor allem in administrativen Prozessen der Drittmittelakquise, des Projekt-Controllings, in Vertragsverhandlungen und der Organisation von Konferenzauftritten heimisch. „Eine Affinität zu Zahlen ist hierbei schon wichtig“, sagt sie. Seit drei Jahren ist sie administrative Kampagnenbegleiterin und reist auch mit dem Team zu den Raketenstartplätzen. Vor Ort in Norwegen baute sie ein Projektbüro auf, war Schnittstelle zwischen allen und erledigte „1000 kleinere und größere Aufgaben“, um die Kampagnenleitung und das gesamte Team zu unterstützen. Eine Regelung, die sich bewährt hat. „Bei den Aufgaben weiß man nie, was auf einen zukommt – das ist individuell und auf Zuruf und erfordert ein hohes Maß an Flexibilität sowie die Liebe im Umgang mit Menschen.“ Eines ist allerdings immer der Fall: Die Aufgaben gehen nie aus, wenn ein größeres, interdisziplinäres Team eine Rakete mit Experimenten in die Schwerelosigkeit schickt, um den Raumtransport der Zukunft zu verbessern.