Flugexperiment ATHEAt: Unterwegs in Norwegen für die nächste Generation des Raumtransports – Teil 2

Seitenlange Checklisten – sogenannte Countdown Procedures – gehören seit Beginn der Raumfahrt zu jedem Start. Darin sind alle wichtigen Schritte in den Stunden und Minuten vor und direkt nach dem Start im Detail festgelegt. Dieses Vorgehen gibt allen Beteiligten Sicherheit und Kontrolle angesichts der steigenden Aufregung. Aber auch ein solcher Prozess will gut geprobt sein: Erst beim Test-Countdown stellt sich heraus, ob der auf dem Papier geplante Ablauf auch in der Praxis funktioniert. Denn hier kommen alle Arbeiten der Teams von DLR und Andøya Space zusammen: Die Telefone laufen heiß, Köpfe werden zusammengesteckt und dann wieder auf die Phalanx von Monitoren vor ihnen gerichtet. Es kommt durchaus vor, dass der Countdown angehalten wir, zum Beispiel um den zeitlichen Ablauf nochmal anzupassen oder ein Teilsystem neu hochzufahren. Ist der Test-Countdown erfolgreich geschafft, wird es bald ernst: Der Weg zum tatsächlichen Start ist nicht mehr weit.
Auf geht’s zur Startrampe: Roll-out der Komponenten

Andøya Space
In den Tagen vor dem Test-Countdown hat das Team der ATHEAt-Kampagne den oberen Teil der Forschungsrakete fertig montiert und zur Startrampe gebracht. Er besteht aus dem Vorkörper mit der wissenschaftlichen Nutzlast und mehreren Servicemodulen für Messungen, Energieversorgung und Datenübertragung sowie der zweiten, oberen Antriebsstufe. An der Startrampe kam auch die erste, untere Antriebsstufe dazu und vervollständigte die insgesamt rund 13,5 Meter lange Rakete. Bei der ersten, unteren Antriebsstufe handelt es sich um einen RED KITE. Diesen Motor hat das DLR mit dem Unternehmen Bayern-Chemie entwickelt und im November 2023 erstmals getestet – ebenfalls vom Startplatz im Norden Norwegens. Hinter der Verkleidung des „roten Milans“ verbirgt sich ein Feststoffantrieb, der besonders leistungsstark ist.
Es wird heiß: hohe Geschwindigkeiten lassen die Temperaturen steigen

Während des rund 5 Minuten langen Fluges wird es nicht nur im Kontrollzentrum heiß her gehen: An der Spitze des Vorkörpers erwarten die Forschenden Temperaturen bis zu 2.500 Grad Celsius. Auch die etwas herausragenden Klappen werden mit 1.500 Grad sehr heiß werden. Solche Klappen könnten in Zukunft zum Einsatz kommen, um Fluggeräte zu steuern und sind deshalb aus wissenschaftlicher Sicht besonders interessant. Damit der Vorkörper den enormen aerothermischen und aerodynamischen Belastungen standhält, besteht er zu großen Teilen aus einer speziellen faserverstärkten Keramik. Sie wurde komplett am DLR hergestellt und ist sehr leistungsfähig: Sie hält nicht nur die hohen Temperaturen während des Fluges aus, sondern ist auch mechanisch sehr stabil und vergleichsweise leicht. Diese Anforderungen müssen auch die Hitzeschutzsysteme von Raumtransportfahrzeugen meistern, vor allem, wenn sie wiederverwendbar sein, also mehrfach eingesetzt werden sollen. Die dafür notwendigen Technologien und Bauweisen entwickelt und testet das DLR mit Flugexperimenten wie ATHEAt.
Technik und Teams bereit für den Start
Auch wenn der Start des ATHEAt-Flugexperiments schräg nach oben erfolgt, wurde die Rakete zunächst komplett aufgerichtet. Auf einer Gelenkarbeitsbühne machten sich zwei schwindelfreie Teammitglieder auf in luftige Höhen, um die letzten Verbindungen zwischen den einzelnen Teilen der Rakete final festzuziehen und alles nochmal zu überprüfen. Danach wurde die Startrampe wieder nach unten gefahren und geschlossen. Zum Schutz gegen Feuchtigkeit wurde außerdem der obere Teil der Forschungsrakete mit einer Kappe aus Schaumstoff versehen. So wartet sie – abgesehen von letzten kleineren Arbeiten auf ihren großen Tag – bei möglichst trockenem Wetter und nur mäßigem Wind.

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