7. März 2014

Virtuelles Alpenobservatorium: Einzigartiges Netzwerk für Klimaforschung

An der Zugspitze: Umweltforschungsstation Schneefernerhaus

Wie wird sich das Klima weltweit entwickeln? Welche Auswirkungen wird das auf einzelne Regionen haben? Besonders schnell und deutlich lassen sich Veränderungen in großer Höhe beobachten. In der Atmosphäre von Hochgebirgsregionen finden Klimaforscher daher gute Trendindikatoren für den Klimawandel global. Nun haben sich die alpinen Höhenforschungsstationen in Italien, Frankreich, der Schweiz, Österreich und Deutschland zu einem grenzüberschreitenden Netzwerk verbunden: dem "Virtuellen Alpenobservatorium" (VAO). Im Mittelpunkt des neu erweiterten Forschungsverbunds steht der intensive Datenaustausch mit den Schwerpunkten Atmosphäre, alpine Umwelt und alpiner Wasserhaushalt. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) führt die wissenschaftliche Gesamtleitung durch und ist  Koordinator von zwei der insgesamt neun Teilprojekte. Das VAO-Projektmanagement obliegt der Bayerischen Forschungsallianz.
 
"Die informationstechnische Vernetzung der Stationen miteinander erlaubt einen schnellen und komfortablen Datenaustausch nach internationalen Standards. Die Forschung wird effizienter und die gemeinsame Verwertung der Daten möglich", erläutert VAO-Projektkoordinator Prof. Dr. Michael Bittner vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum des DLR.

"Durch die länder- und fachübergreifende Kooperation können wir die wissenschaftlichen Fragestellungen in einer inhaltlichen Tiefe beantworten, die ohne diese Infrastruktur nicht möglich wäre", so Bittner weiter.

 Zugriff auf Datenschatz

Vorhandene und künftige Messdaten von VAO sollen in einem zentralen Alpen-Datenanalysezentrum (Alpen-DAZ) zusammengeführt werden – etwas, das es bis heute in vergleichbarer Form nicht gibt. Aufgebaut wird dies vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum des DLR in Kooperation mit dem Leibniz Rechenzentrum (LRZ). Dann werden die Forscher auf Daten der anderen VAO-Partner zurückgreifen können. Dies ermöglicht einen unschätzbaren Wissensaustausch und verhindert die Doppelung von Messungen.
 
Das Projektteam von DLR-Wissenschaftler Dr. Julian Meyer-Arnek entwickelt in Kooperation mit dem LRZ zunächst Konzepte zur Anbindung der beteiligten Alpen-Observatorien an das VAO. Die teils sehr abgeschiedene Lage der Forschungsstationen ist eine Herausforderung für die Errichtung der Datenverbindungen. Ebenso ist eine IT-Lösung für effizientes Datenmanagement gefragt. Sie soll alle Schritte der wissenschaftlichen Wertschöpfungskette abbilden: Von der Verwaltung von Messdaten bis zur Veröffentlichung von Forschungsergebnissen durch eine moderne Benutzerschnittstelle. Die durch eine Webseite zugreifbare VAO-Benutzerschnittstelle fungiert als zentrale Datenbank und ermöglicht gezielte Abfragen. Außerdem wird das Alpen-DAZ den Betrieb von rechenintensiven Computermodellen für Forschungsanwendungen "on demand" in Echtzeit ermöglichen.
 
Darüber hinaus wird die Datenzentrale des Virtuellen Alpenobservatoriums an das vom DLR betriebene Weltdatenzentrum für Fernerkundung der Atmosphäre (WDC-RSAT) angebunden. So stehen den Klimaforschern zusätzlich globale Satellitendaten zur Verfügung und es entsteht ein umfassender synergistischer Datenschatz.

Präzisere Vorhersagen

Gezielte Abfrage: Daten zur Luftqualität

Ziel des VAO-Teilprojekts "LUDWIG" ist es, einen Beitrag zur Verbesserung von Klima-, Atmosphären- und Wettermodellen und deren Prognosen zu leisten: mithilfe der Untersuchung von Schwerewellen im Alpenraum. Die "Länderübergreifende Untersuchung der Dynamik von atmosphärischen Wellen im Gebirge" wird vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum des DLR geleitet, in Zusammenarbeit mit internationalen Forschungseinrichtungen.
 
Schwerewellen sind Luftbewegungen, mit horizontalen Wellenlängen von wenigen Kilometern bis zu mehreren tausend Kilometern und Periodendauern von wenigen Minuten bis zu einigen Stunden. In der Klimamodellierung gehören sie zu den großen Unbekannten.

Wolkenbänder über der Zugspitze

Sie entstehen häufig in der Nähe von Gebirgszügen und gehören zu den kleinskaligen Prozessen in der Atmosphäre. In Klima- und Wettermodellen werden sie daher nur vereinfacht berücksichtigt. Doch ihr Einfluss auf die Dynamik der Atmosphäre ist global: Denn sie transportieren große Mengen an Impuls und Energie, selbst über weite Strecken. So können Schwerewellen beispielsweise die Richtung des Jetstreams und anderen großräumigen Luftströmungen beeinflussen, wie eine Weiche. Abweichungen zwischen Modellrechnungen und gemessenen Werten werden daher oft auf den Einfluss der Schwerewellen zurückgeführt. Exakte Kenntnisse der Eigenschaften von Schwerewellen sollen die Ergebnisse der Klima- und Wettermodelle künftig präzisieren:

Sichtbar gemacht bei Nacht: Schwerewellen

Das Expertenteam rund um DLR-Wissenschaftlerin Dr. Sabine Wüst verdichtet dazu ein alpines Netzwerk von identischen Messgeräten, die Teil des internationalen Netzwerkes NDMC (Network for the Detection of Mesospheric Change) sind. Zum Einsatz kommen dabei GRIPS-Infrarotspektrometer (GRound-based Infrared P-branch Spectrometer). Sie wurden ursprünglich an der Universität Wuppertal konstruiert, in den letzten Jahren am DLR weiterentwickelt und sollen das Eigenleuchten der Atmosphäre in etwa 90 Kilometer Höhe zur Beobachtung von Schwerewellen nutzen. Die GRIPS-Messungen finden dann an elf Standorten weltweit statt: von der Zugspitze über Abastumani in Georgien bis zur Forschungsstation Neumeyer in der Antarktis. Anhand der Daten wollen die Wissenschaftler die Parameter der Strömungen für Modellberechnungen präzise bestimmen, beispielsweise Amplituden, Periodendauern oder potentielle Energie. Perspektivisch sollen die gewonnen Informationen in bestehende Klima- und Wettermodelle integriert werden, etwa zur genaueren Vorhersage von schweren Stürmen.

 Über den Forschungsverbund

Der Forschungsverbund VAO stellt aktuell eine Kooperation zwischen der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS), dem Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie für Wissenschaften (LRZ), der Internationalen Stiftung Hochalpine Forschungsstation Jungfraujoch & Gornergrat (Schweiz), dem Höhenobservatorium Sonnblick (Österreich), der Europäischen Akademie (EURAC) Bozen (Italien) und dem Observatorium Haute Provence (Frankreich) dar. Assoziiert ist die norwegische Forschungsstation ALOMAR, Verhandlungen werden geführt mit analogen Stationen in alpenähnlichen Hochgebirgen. Das VAO-Projektmanagement wurde der Bayerischen Forschungsallianz übertragen. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz fördert die beteiligten 16 bayerischen Partner mit drei Millionen Euro für drei Jahre.
 

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