13. Februar 2020

Freitag, 07. Februar – Donnerstag, 13. Februar 2020

Am Fimbul-Schelfeis

Mittlerweile ist mehr als die Hälfte meiner Fahrt auf Agulhas II vergangen. Extrem abwechslungsreich und entsprechend reich an neuen Erlebnissen waren die vergangenen drei Wochen. Einträge für diesen Blog waren schnell erstellt und es fiel schwer aus der Vielzahl an Bildern eine geeignete Auswahl zu treffen. In der vergangenen Woche lag das Schiff quasi-stationär in der Penguin Bukta, um Fracht abzuladen und knapp 70 neue Personen an Bord zu nehmen. Und so blieb Zeit, den Blick über den ostantarktischen Schelfeisrand hinaus in die Westantarktis schweifen zu lassen.

Am Pine Island Gletscher im Bereich der Amundsen See bei 101°West und 75°Süd kam es, wie schon seit einigen Monaten zu vermuten war, zu einem erneuten Abbruch großer Eismassen. Wo an gleicher Stelle im November 2018 ein großer zusammenhängender Eisberg entstanden ist, zeigt sich im aktuellen Sentinel-1 Bild ein Mosaik größerer und kleinerer Eisberge. Über die letzten Jahre hinweg konnten solche Kalbungsereignisse in immer kürzeren zeitlichen Abständen beobachtet werden. Es ist daher anzunehmen, dass dieser Abbruch nur einen Schritt bei dem sukzessiven, landeinwärts gerichteten Zerfall des Gletschers darstellt.

Etwas weiter westlich präsentiert sich das Trümmerfeld des Thwaites Glacier Schelfeises in einer TerraSAR-X Aufnahme vom 11.02.2020. Der Zerfall eines Großteils des Schelfeises liegt schon Jahre zurück. Gehalten hat sich bisher noch eine Schelfeis-Zunge östlich von 107°W, die aber auch stetig an Fläche verliert und innerhalb absehbarer Zeit ebenso verschwinden wird. Das TerraSAR-X Bild wurde zur Unterstützung der aktuell laufenden Expedition des amerikanischen Forschungsschiff Nathaniel B. Palmer aufgenommen. Es dient den Wissenschaftlern an Bord bei der Planung ihrer Arbeiten im Amundsen Meer und liefert in Kombination mit Sentinel-Daten und weiteren TerraSAR-X Aufnahmen detaillierte Hinweise über den Zustand des Thwaites Glaciers. Zusammen mit dem Pine Island Glacier bildet er den Hotspot aktueller Forschungsprojekte, da deren Massenverluste bereit jetzt – und in der Zukunft deutlich verstärkt – zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen.

Die räumlichen Dimensionen von Veränderungen, wie sie sich gerade an den Gletschern im Amundsen Meer ereignen, werden durch die Fernerkundung zwar hochpräzise erfasst, einen bleibenden Eindruck von der Mächtigkeit der Eismassen kann auch sie nur ansatzweise vermitteln. Bei einem Blick aus dem Fenster von Agulhas II auf die Abbruchkante des Fimbul-Schelfeises verbinden sich nun diese zweidimensionalen Informationen aus den Satellitenbildern mit den persönlichen Eindrücken von der nur scheinbar so unerschütterlichen Mächtigkeit des antarktischen Schelfeises.

Natürlich soll der Blick in diesem Beitrag nicht nur auf die großen Eisformationen gerichtet sein. Während Agulhas II in der Penguin Bukta lag, konnten auch kleinskalige Phänomene wie zum Beispiel die Entstehung des so genannten „Pancake“ Eises aus direkter Nähe beobachtet werden.
Durch Zusammenkleben von im Wasser schwimmenden, gefrorenen Eisnadeln bilden sich unter Einfluss der Wellen die wie Pfannkuchen geformten Eisschollen. Ein Gebiet mit Pancake-Eis in einem sehr jungen Stadium hat Agulhas II am Morgen des 13.02.2020 auf dem Weg nach Westen durchquert. Auf dem Kamm der Bugwelle kann man schön erkennen, wie die noch sehr dünne Eisschicht durch die Wellenbewegung verformt wird. Tage zuvor hatte sich am Rande des Schelfeises schon ein Feld mit idealtypisch ausgeformtem Pancake-Eis gebildet. Der leicht nach oben gewölbte Rand sowie die runde Form zeugen von regelmäßigen Zusammenstößen und Aneinanderreiben der hier bis ca. 50 cm großen Pfannkuchen-Schollen.

Bis schließlich aus diesen zerbrechlichen, Wellen und Wind ausgesetzten Vorboten des Meereises eine zusammenhängende Eisdecke entsteht, bedarf es noch einiger Wochen Zeit. Mit den in Bälde wieder sinkenden Temperaturen und besonders mit Einsetzen der Polarnacht wird Meereis den antarktischen Kontinent wieder für einige Monate fest umschließen. Dieses bildet dann den Lebensraum für Pinguine und Robben, die auch in den Wintermonaten hier heimisch sind. Solange müssen sie auf den Meereisresten des vergangenen Winters ausharren und genügend Fettreserven für die wirklich kalte Jahreszeit anlegen!