11. November 2020

40 Jahre DFD – 40 Jahre internationale Zusammenarbeit

von Gunter Schreier, im DFD seit 1985

Gunter Schreier, im DFD seit 1985

Seit mehr als 8 Monaten ist die gesamte Welt nun in dem Ausnahmezustand, der sich COVID-19 nennt. Wie fast alle Kollegen und Kolleginnen im DLR arbeite auch ich von zu Hause aus. Home-Office.

Meetings und Konferenzen werden – wenn sie nicht ganz ausfallen – virtuell abgehalten. Da das DLR auf Lync und nun auf Skype umgestellt hat, geht telefonieren von zu Hause genauso komfortabel wie im Büro, wenn man denn einen guten Internet-Anschluss hat. „Webinars“ ersetzen vormals anberaumte Meetings und Konferenzen. Man trifft sich im Cyberspace, statt zu den Partnern und Kollegen zu reisen oder sie nach Oberpfaffenhofen einzuladen. Man sitzt leger vor der WebCam, statt die gute Hose, das Jackett oder gar den Anzug aus dem Rollkoffer zu ziehen, im Wasserdampf der Hoteldusche die Falten zu glätten um dann – im Meeting im Hochsommer und ohne Klimaanlage – sich zuerst der Anzugsjacke zu entledigen.

Mich hat Anfangs erstaunt, was einerseits Internet Meeting-Portale wie Zoom, Go-to-meeting und andere leisten können. Erstaunt war ich über die bewegten Bilder von KollegInnen, die in Japan noch bis spät in die Nacht aufgeblieben sind, oder an der Westküste der USA um 4 Uhr früh aufgestanden sind, um einen Termin mit europäischen Kollegen zu ermöglichen. Ein guter Kompromiss für uns. Ist es doch dann in Europa gerade Mittag. Virtuelle Treffen, auch um darüber zu sprechen, wie wir unseren Beitrag zu einer Konferenz gestalten, die nun im Cyberspace abgehalten werden soll. Oder eben gleich verschoben nach 2021 in der Hoffnung, dass sich dann alles normalisiert. Oft vergingen am Anfang eines Tele-Meetings gefühlte 20 Minuten, bis alle korrekt dabei waren. Aber die monatelange Erfahrung hat einen mittlerweile zum Experten werden lassen für all diese virtuellen Systeme, Web-Cams, Chats und Mikrofon-Stummschaltungen.

So angenehm die von dem Corona-Virus erzwungene virtuelle Reise rund um die Welt, die Tele-Präsenz in den entferntesten Gebieten, auch sein mag; nicht nur mich beschleicht das Gefühl, dass etwas fehlt. Etwas Substantielles.

Es fehlt die persönliche Interaktion mit dem Gegenüber. Der Small-Talk neben den offiziellen Terminen, in denen man die Sorgen anderer besser begreift, in denen man auch zunächst abwegig und unmöglich erscheinende Projekte und Kooperationen ansprechen kann. Kooperationen, vor allem im internationalen Bereich, von denen die Raumfahrt und die satellitenbasierte Erdbeobachtung von Anfang an lebt. Kooperationen, die die Erdbeobachtung befördern und neue Entwicklungen antreiben, Kooperationen, nicht nur im „Raumsegment“, bei den Satelliten und Sensoren, sondern auch gerade im „Bodensegment“, bei den Empfangsstationen, den Prozessoren, der Datenverteilung und letztlich bei der Anwendung der Daten.  Internationale Kooperationen, transnationale Projekte gehören zum Kerngeschäft des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums. Sie haben das DFD seit seiner Gründung begleitet und sie bestimmen auch heute einen Großteil des Tagesgeschäftes.

Neben meinen anderen Aufgaben, bin ich im EOC über die Jahre quasi in die Rolle des Auslandsbeauftragten hineingewachsen. 1985 startete ich am damaligen DFVLR in der Hauptabteilung WT-DA. Meine Stellenbeschreibung beinhaltete die Aufgabe, ein SAR-Geocoding-System für den geplanten europäischen Erdbeobachtungssatelliten ERS-1 zu entwickeln. Sofort wurde die kleine Gruppe, die ich leitete, mit einem wachsenden Netzwerk von nationalen und internationalen Partnern konfrontiert, mit Entwicklungspartnern in Hannover, Zürich und Graz und natürlich dem Auftraggeber für die ERS-Mission, die ESA mit ihrem European Space Research Institute (ESRIN) in Frascati bei Rom. Dazu kamen die anderen europäischen Institutionen, die ebenfalls „Processing and Archiving Facilities“, sogenannte PAFs aufbauten und später betreiben sollten: Die KollegInnen in Großbritannien, Italien und in Frankreich.

Solche europäischen Projekte und Kooperationen sind aus unserem Tagesgeschäft kaum mehr wegzudenken. Die Drittmittel, die hier über Horizon 2020 und ESA eingeworben werden, sind ein gern gesehener Nebeneffekt. In der Hauptsache bringen solche Partnerschaften aber vor allem gegenseitigen wissenschaftlichen und technischen Gewinn. Auch wenn man manchmal administrative Hürden überwinden und nationale Besonderheiten anerkennen muss. Von den Projekten zum Aufbau der Bodensegmente, der Entwicklung von Prozessoren und Archiven für die Europäischen Satelliten, bis zum heutigen Tage für die Copernicus Sentinel-Satelliten, wurde in den Blogs an dieser Stelle schon berichtet. Der Projektleiter bei dem ersten PAF für ERS-1, mein geschätzter Kollege Jörg Gredel, hat hier sehr viel mehr Daten und Fakten parat, als ich sie je in meinen wenigen Unterlagen und Aufzeichnungen abrufen könnte.

Deshalb meine kleine und notwendigerweise unvollständige Rückschau auf die internationalen Verbindungen, Projekte und Begegnungen, die das DFD zum Teil bis heute prägen.

Es war auch Jörg Gredel, der mich hier kurze Zeit nach meinem Eintritt in das DLR ansprach. Der damalige Leiter der Hauptabteilung Angewandte Datentechnik (WT-DA), Winfried Markwitz, leitete ihm ein Schreiben aus Bonn weiter. 1984 wurde am Rande des G7-Gipfels ein „Committee on Earth Observation (CEOS)“ ins Leben gerufen. Ziel war die Koordinierung der jeweiligen nationalen Projekte zur Erdbeobachtung zum „Wohle der Gesellschaft“. Deutschland, auch G7-Mitglied, sollte an CEOS aktiv teilnehmen und Experten des DFVLR in die Arbeitsgruppen entsenden. In Oberpfaffenhofen hatte man ja Erfahrungen mit der Erdbeobachtung und sei derzeit mit diesem ERS-1, einem europäischen Satelliten, befasst. Man musste Jörg Gredel nicht von der Sinnhaftigkeit dieses Unterfangens überzeugen, denn am Anfang seiner beruflichen Karriere war er für einige Zeit zum JPL nach Pasadena abgeordnet gewesen. Er wusste: Im gegenseitigen Austausch kann man nur lernen. Zudem waren viele der CEOS-Arbeitsgruppen, die daraufhin gegründet wurden, auf die Datentechnik, die Formatierung für den Datenaustausch zwischen den Systemen ausgerichtet. Also eine Domäne der WT-DA, des heutigen DFD. Für die geocodierten SAR-Daten, wie sie ERS-1 liefern sollte, brauchte man ein neues digitales Format: international abgestimmt und dann universell verwendbar. Ich sollte bei der entsprechenden CEOS-Arbeitsgruppe mitmachen. Die Meetings fanden alle 6 Monate bei den jeweiligen internationalen Partnern statt. War CEOS zuerst ein Klub der G7-Länder, kamen später auch Russland, China und viele andere Länder und internationale Organisationen – z.T. als „Observer“ – hinzu.

CEOS-Arbeitsgruppe zum SAR-Datenformat, Tokio 1992.
Erste Reihe sitzend links: Wolfgang Noack. Zweite Reihe knieend, dritter von links: Gunter Schreier

Um die technischen Herausforderungen eines einheitliches Datenformates zu verstehen, muss man sich erst einmal von der heutigen Technologie lösen. Bis weit in die 90er Jahre dominierte ein von NASA und USGS entwickeltes Format für die Daten der Landsat-Missionen. Das „Datenmedium“ dieses Formates waren Computer Compatible Tapes (CCTs). Von IBM erfunden und in den späten 1950ern auf den Markt gebracht, speicherte eine dieser Magnetbandspulen in ihrer letzten Generation, die bei uns zum Einsatz kam, sagenhafte 140 Megabyte. So mussten die Spektralbänder von Landsat-Szenen auf mehreren dieser CCTs archiviert und in Kopie auch an die Nutzer verschickt werden. Die Lesegeräte, technische Wunderwerke von den Ausmaßen eines amerikanischen Kühlschranks, kosteten den damaligen Gegenwert einer Doppelhaushälfte. Wir hatten davon mehrere im Haus, denn der Datenaustausch der ERS-1-Mission beruhte darauf.

Im Keller vom WT-DA waren mehrerer Räume mit speziellen Hängeschränken für Tausende dieser CCTs eingerichtet.
Die entsprechende Datenmenge würde heute wahrscheinlich auf wenige USB Sticks passen.

Für dieses Medium und für die neuen SAR-Daten musste nun ein international standardisiertes Datenformat gefunden werden. Zu den Herausforderungen gehörte die Datensequenz. Dem lesenden System musste man in einem „Record“ vorher mitteilen, was es nachher an welcher Stelle lesen wird. Auch mussten die Positionen und die Länge der einzelnen Metainformationen auf dem Band genau festgelegt werden. Für die geocodierten Datensätze mit den unterschiedlichen kartographischen Abbildungen und geodätischen Referenzen, die damals noch unterstützt wurden, hieß das: möglichst viel Bytes im dem Format freilassen, um für eventuelle Änderungen gewappnet zu sein. Auch technische Besonderheiten des IBM-Formats spielten eine Rolle. Vor jeder Bildzeile auf dem Band stand eine 192 Byte lange Informationssequenz. Eher mit wenigen Informationen ausgefüllt, sorgte diese dafür, dass der Schreib/Lese-Puffer der IBM-Bandlesegeräte, der genau 192 Bytes groß war, bei jeder neuen Bildzeile erst einmal gefüllt war. Umso schneller konnten dann die nachfolgenden Bildpunkte – in 192er Schritten – ausgelesen werden.

Dieser kleine Exkurs in die informationstechnische „Bronze-Zeit“ verdeutlicht ein wenig, dass die Herausforderungen andere waren als heute und näher an den von der Hardware gegebenen Beschränkungen orientiert. Das „CEOS-Datenformat“ hat aber bis in die 2000er Jahre überlebt. Daten werden heute jedoch nicht mehr auf Computerbändern ausgetauscht, sondern über Plattformen im Internet; auf diesen kann dann oft auch gleich gerechnet werden. Ganz ohne Datentransfer.

Doch es waren und sind – damals wie heute – die überall gleichen Herausforderungen, die die internationale Gemeinde zusammenbringt. Damals eben auf internationalen Treffen, statt über Internet und Mails.

Dabei waren schon die Vorbereitungen für solch einen Austausch eine Herausforderung. Neben dem guten alten Brief per Post wurden Agenden gefaxt. Ich erinnere mich daran, dass sich das einzige Fax-Gerät in Oberpfaffenhofen im Vorstandsgebäude befand. Nach Anmeldung konnte man von dort aus international faxen oder Faxe, gedruckt auf ein schnell vergilbendes Thermopapier, empfangen. Wenn dann ein Treffen vereinbart und eine Reise geplant werden musste, gab es auf Anfrage Angebote und Buchungen des DLR-Reisebüros. Das Ticket kam per Hauspost. Ein Bündel von Abschnitten auf rotem, abfärbendem Durchschlagpapier. Auf dem letzten Durchschlag (Customer Copy) konnte man nur vage erkennen, wohin der Flug ging. An vielen Destinationen musste man den Rückflug telefonisch vor Reiseantritt bestätigen. Ansonsten wäre man in San Francisco, Peking oder Sydney hängen geblieben. Einmal auf Reisen, war die Kommunikation nach Hause nicht einfach. Internet gab es für das DLR bis Anfang der 90er Jahre nicht und natürlich auch keine heute allgegenwärtigen Notebooks, geschweige denn Smartphones. Über Internationale Call-Provider mit lokalen Einwahlnummern wurden die Telefonate, die man morgens oder abends – je nach Zeitunterschied – vom Hotelzimmer aus führte, etwas günstiger. Internationale Meetings hießen deshalb auch: man war dann mal weg. Mit dem Vorteil, dass man sich voll und ganz auf die Thematik des Treffens und seine Partner konzentrieren konnte. Mails zu bearbeiten nach dem Aufstehen oder vor dem Schlafengehen im Hotelzimmer, gab es noch nicht.

Doch auch hier brachte die Working Group on Information Systems and Services (WGISS) von CEOS eine Innovation. Die US-Kollegen experimentierten mit einer Vorläuferversion des Email-Austausches (OMNET). Über unsere Kontakte zu CEOS konnten wir dort mitmachen. Die von Jörg Gredel geführte Abteilung ermöglichte es einigen im DFD, diese neue Form der Kommunikation zu nutzen, beschränkt allerdings auf die Kommunikation mit den wenigen anderen Nutzern im Kreis von CEOS. Dazu gehörte natürlich auch die ESA in Frascati. Gerhard Triebnig, Anfangs Leiter einer Arbeitsgruppe am Joanneum Research in Graz, die mit uns an der Entwicklung von SAR Geocoding Algorithmen beteiligt waren, arbeitete mittlerweile in Frascati. Zusammen mit Luigi Fusco – der leider in 2020 verstorben ist – war er einer der Technologiescouts der ESA in Sachen moderner Kommunikation. Kurz nach dem CERN – wo Tim Berners Lee das HTML-Protokoll und damit das Web, so wie wir es kennen, erfunden hat – betrieb auch ESRIN einen der ersten Server in Europa. Auch das DFD beteiligte sich an Entwicklungen, die wir mit unseren Partnern in CEOS teilten, wie zum Beispiel ein Intelligentes Satellitenbild Informations System (ISIS), unterstützt durch einen Thesaurus, der es ermöglichen sollte, umgangssprachliche Fragen in die Verständniswelt der Metadaten zu übersetzen. Quasi ein früher Vorläufer von Alexa. Allerdings nur schriftlich und in der Testphase auch beschränkt auf die Begriffe der Erdbeobachtung. Einige dieser frühen Entwicklungen sind über das Stadium eines Prototyps nicht hinausgekommen. Das galt aber auch für viele Entwicklungen bei unseren internationalen Kollegen. Das ist auch ok so. Das damals geschaffene World Wide Web war und ist schnelllebig. Wer erinnert sich heute schon noch an die ersten Browser wie Netscape, Mosaic und Mozilla? Aber unsere europäischen Kontakte im Rahmen der ESA-Projekte und die internationalen im Rahmen von CEOS haben uns immer wieder bei unseren Informationssystemen befruchtet, wir konnten immer wieder auf kollegialer Ebene abgleichen, wie es andere machen.

Als gelernter Geophysiker hat mich natürlich die Topographie der Erde fasziniert. Für die Terrain-Korrektur von SAR-Daten benötigten wir auch Digitale Höhenmodelle (DEM), die wir uns damals z.T. aus den Informationen der Landesvermessungsämter und anderer internationaler Organisationen zusammensuchen mussten. Erste globale und sehr grobe Höhenmodelle hat es schon gegeben, wie manuell digitalisierte Höhenlinien aus frei verfügbaren Weltkarten. Einige davon waren militärischen Ursprungs, aber für die Wissenschaft freigegeben. Natürlich haben wir uns deswegen bei dem CEOS-Projekt GLOBE (Global Land One Kilometer Elevation) eingebracht. Ein globales, frei verfügbares Modell der Topographie der ganzen Erde war damals ein Durchbruch. Das fertige Produkt wurde dann unter dem Namen GTOPO-30 vom USGS verteilt. Auch wenn mehrheitlich Daten von digitalisierten Karten dort einflossen, an einigen Stellen wurden auch stereo-optisch abgeleitete Höhendaten eingebaut. Im Februar 2000 lieferte die Shuttle Radar Topography Mission (SRTM) dann ein erstes quasi-globales (die höheren Breiten der Erde waren nicht abgedeckt) Höhenmodell aus bi-statischen SAR-Daten. Wieder eine internationale Kooperation. NASA/JPL baute und betrieb die beiden, durch einen 40 Meter langen Ausleger getrennten, C-Band-Antennen. Das DLR war verantwortlich für die bi-statische X-Band-Komponente. Die kleinere Streifenbreite und die beschränke Missionsdauer erlaubten dabei kein flächendeckendes Modell. Die am DFD prozessierten Daten wurden erstmalig über Internet verteilt und wurden von internationalen Nutzern so stark nachgefragt, dass zeitweilig der Zugang zum Internet an seine Grenzen kam.

Es hat dann noch einige Jahre gedauert, bis mit TanDEM-X das erste hochauflösende DEM der gesamten Erde ausschließlich aus Satellitendaten erstellt wurde. Aber diese ersten Gehversuche im Rahmen von CEOS und insbesondere der Austausch mit unseren US-Partnern haben unsere Arbeiten am DFD in Sachen globales DEM, die heute am DFD in der Arbeitsgruppe von Achim Roth fortgeführt werden, sehr befruchtet.

International waren und sind unsere Empfangsstationen schon aufgrund ihrer Aufgabenstellung. Mit unseren Antennen empfangen wir unter anderem Daten der Erdbeobachtungssatelliten internationaler Partner. Daten die nicht nur Deutschland oder Europa zeigen, sondern Gebiete in allen Teilen der Erde. Dabei stehen unsere Stationen nicht nur an Standorten in Deutschland, wie in Neustrelitz und in Oberpfaffenhofen. Geschuldet der Geometrie des Umlaufs der meisten Satelliten, betreiben wir auch Stationen nahe an den Polen: in O’Higgins auf der antarktischen Halbinsel und im hohen Norden Kanadas, in Inuvik. Die Idee der internationalen Stationsstandorte wurde auch von der ersten ERS-Mission der ESA getrieben. Diese hatten keinen Recorder für die hochratigen SAR-Daten an Bord. Die Datenaufnahme musste gleich wieder an eine Bodenstation in Sichtweite des Satelliten übermittelt werden. Gut geeignet für Europa, wo es mehrere Stationen gab. Aber für die Aufnahme des tropischen Regenwaldes oder des Eises in der Antarktis mit dem SAR-Sensor des ERS-1 benötigte man eben dort auch Empfangsstationen. Dieser Herausforderung – auch und gerade im internationalen Bereich – nahmen sich am DFD zuerst Klaus Reiniger und seine Kollegen an: Die erste X-Band-Empfangsstation auf dem antarktischen Kontinent, eine Station in Gabun/Zentralafrika (diese wurde dann später in Chetumal/Mexiko aufgestellt), transportable Stationen temporär auch in Ulan Bator, Bishkek und Ny-Alesund auf Spitzbergen.

Aufnahme der German Antarctic Receiving Station (GARS) des DFD in O’Higgins auf der antarktischen Halbinsel (ca. 1992/93)

Involviert und mehrmals vor Ort war ich bei unserer neuesten internationalen Station, unserer großen Antenne in Inuvik in den kanadischen North West Territories (NWT). Treiber dafür war die TanDEM-X Mission. Diese erforderte eine Daten-Downlink, der unsere Stationen in Europa ergänzt, möglichst nahe am Pol. Eine Nutzung von existierenden Stationen in Alaska wurde erwogen, aber unter anderem wegen der Unvereinbarkeit von US-amerikanischer Gesetzgebung mit dem neu geschaffenen Deutschen Satellitendaten-Sicherheitsgesetz wieder verworfen. So blieb Kanada übrig, das zudem auch ein Partnerstaat der ESA ist. Mit dem dortigen Canada Center for Remote Sensing (CCRS) hatten wir schon langjährige gute Beziehungen. CCRS betreibt die nationalen Stationen für die kanadische Radarsat-Mission. Auch dort wurden für die nächsten Radarsat-Missionen Optionen für eine Nordstation untersucht. Damals allerdings ohne wirklichen Auftrag und ohne Budget. Auch wusste man um die logistischen und administrativen Herausforderungen, die eine solche Station mit sich bringt. Als Erhard Diedrich, der Nachfolger von Klaus Reiniger, und ich dann bei Stuart Salter, Direktor des CCRS vorsprachen, wünschte uns dieser viel Erfolg und sicherte uns Unterstützung zu. Aber er zweifelte dann doch, ob die deutschen Kollegen das in dem vorgelegten Zeitplan hinbekommen würden. Nach Abwägung einiger Optionen war relativ schnell klar, dass Inuvik, Kanadas größte Stadt nördlich des Polarkreises, der Ort unserer Wahl werden würde. Zu erreichen ganzjährig über den Dempster Highway und über tägliche Linienflüge zum Mike Zubko Airport bei Inuvik. Tom Zukbo, der Sohn des Flughafen-Namensgebers und ehemaligen Bush-Piloten, war unser Ansprechpartner vor Ort. Bei minus 30 Grad Celsius erkundeten wir per Helikopter und Motorschlitten geeignete Orte für unsere Station. Jeder fuhr mit seinem Motorschlitten. Hatte ich noch nie gemacht. Als die Zehen im meinem rechten Fuß taub wurden, hat Tom abgebrochen und ich musste mich bei Ihm zu Hause am Ofen aufwärmen. Denn das hat uns Tom eingeschärft: Hier den Held spielen zu wollen, könnte schlimm enden. Bestenfalls mit abgefrorenen Zehen. Internationales Engagement im DFD heißt eben nicht nur, in wohlklimatisierten Meeting-Räumen zu sitzen, sondern auch sich bei Mess-Kampagnen im Feld, bei der Betreuung unserer Stationen, den Widrigkeiten von Wind und dem Wetter auszusetzen, mit ganzem körperlichem Einsatz. Ob in eisiger Kälte oder tropischer Hitze. Ich bekomme davon am eigenen Leib nur wenig mit. Umso mehr gilt meine Hochachtung den Kollegen und KollegInnen, die sich hier engagieren.

Erkundungsfahrt für den optimalen Standort unserer geplanten Station in Inuvik. Februar 2008.

Letztlich haben wir die Station auf einem Gelände der kanadischen Regierung aufgebaut. Stuart Salter erkannte die Möglichkeiten von Stationen in Inuvik und nahm nun die Rolle eines Treibers ein für die Inuvik Satellite Station Facility (ISSF). Nach seiner Pensionierung vom CCRS sorgte er noch aktiv dafür, dass die Regierung der NWT eine Glasfiber-Verbindung quer durch die kanadische Tundra bis nach Inuvik verlegte. Ebenfalls ein Novum und eine logistische Herausforderung. Mittlerweile sind mehrere internationale Partner in Inuvik mit eigenen Antennen vor Ort. Inuvik ist eine feste Größe bei der Planung von internationalen Satellitenmissionen, so auch für die Copernicus Sentinels. In diesem Jahr, im Juni 2020, hätten wir das 10jährige Jubiläum unserer Präsenz in Inuvik feiern wollen. Die Einladungen waren schon verschickt. Corona kam uns dazwischen. Die Feier wurde erst einmal auf das nächste Jahr verschoben. Der Kontakt zu unseren internationalen Partnern überall auf der Welt bleibt aber bestehen, auch wenn wir uns derzeit fast ausschließlich im digitalen Raum treffen können. Mit der gleichen physischen Distanz und digitalen Nähe, mit der wir auch mit unseren eigenen Kollegen, die eigentlich im Büro nebenan sitzen, kommunizieren.

Nachtrag am 11. November 2020

Während wir noch im partiellem Lock Down sind und angehalten werden, wo immer möglich im Home Office zu arbeiten, gehen die Arbeiten an den internationalen Standorten des DFD, insbesondere an unseren Stationen, weiter. Unser Kollege Ruslan Artemenko hat gerade seine Corona-Quarantäne in einem Hotel in Punta Arenas hinter sich gebracht und wird bald mit dem Schiff in die Antarktis aufbrechen. Dringende Arbeiten in unsere Station in O’Higgins warten auf ihn.