Das diese vielfältig einsetzbar sind und genutzt werden, zeigen auch die Aktionstage mit den Schülerinnen und Schülern. Diese stellen dort ihre Umgestaltungsideen und Wünsche aus.
Das DLR Institut für Verkehrsforschung hat den methodischen Leitfaden ‚Mit Kindern lebenswerte Straßenräume erproben‘ zur besseren Integrierung kindlicher Perspektiven und Bedürfnisse in städtische und verkehrliche Umgestaltungsprozesse veröffentlicht.
Mit ihm werden Herausforderungen der Unterrepräsentierung von Kindern bei Umgestaltungsprozessen adressiert und konkrete Methoden und Praxisbeispiele für eine stärkere Einbeziehung vorgestellt.
Kindsgerechtere Gestaltung von Straßenräumen durch partizipative Methoden
Kinder werden traditionell nur selten in die Planung unserer Verkehrssysteme oder städtischen Infrastrukturen einbezogen. Ihre Sichtweise auf die Themen Sicherheit, Mobilität und Aufenthaltsqualität wird oft nur indirekt (z. B. über Elternbefragungen) berücksichtigt. Dabei geht die selbstständige Mobilität von Kindern stetig zurück, was unter anderem auf eine fehlende kindgerechte Infrastruktur und autozentrierte Verkehrsplanung zurückgeführt wird. Kinder sind dazu besonders von Umweltbelastungen wie Luftverschmutzung und Lärm, z.B. bei Schulwegen und in Wohngebieten betroffen. Gleichzeitig fehlt es häufig an geeigneten Beteiligungsmethoden für Kinder bei verkehrsbezogenen Planungs- und Forschungsprozessen sprich es gibt zu wenige erprobte Methoden, um Kinder sinnvoll und altersgerecht in diese einzubinden.
Im Projekt SensorKids wurden genau solche innovativen, partizipativen Methoden getestet und weiterentwickelt. Etwa mit der senseBox zur mobilen Messung von Umweltbelastungen im Schulumfeld, mit dem Einsatz von Mental Maps, oder durch Visualisierungen mit KI. In dem Projekt und in Vorbereitung des Leitfadens wurden Kinder aktiv als Co-Forschende eingebunden. Mit ihrer Einbindung in Umgestaltungsprozesse sowie mit der Erhebung ihrer Wahrnehmungen, Wünsche und Bedürfnisse entstand ein Leitfaden, der eine kindsgerechtere Gestaltung von Straßenräumen ermöglichen soll. Hierbei sind die Forschenden zu folgenden zentralen Erkenntnissen gekommen:
1. Kinderperspektive ist unverzichtbar – aber nicht automatisch sichtbar
Um kindgerechte Mobilität zu gestalten, müssen Kinder direkt beteiligt werden – sie erleben den Straßenraum anders als Erwachsene und erkennen Probleme, die Erwachsene übersehen. Während des Forschungsprojekts markierten Kinder auf Karten zum Beispiel gefährliche oder unangenehme Stellen auf dem Schulweg, die in der Verkehrsplanung offiziellen Planungsdokumenten nicht als Problem erkannt wurden. Ihre Hinweise führten zu neuen Erkenntnissen über subjektive Unsicherheiten (z. B. enge Gehwege, unübersichtliche Kreuzungen) und Orte einer Nachbarschaft, die wichtig für Kinder sind (z.B. der Eisladen oder Tiere in der Nachbarschaft).
„Photovoice"-Methode
Im DLR-Projekt „SensorKids" konnten Kinder durch partizipative Methoden mitforschen. Bei der „Photovoice"-Methode haben sie zum Beispiel mit einer Polaroid-Kamera festgehalten, was ihnen an ihrer Schulumgebung besonders gut oder besonders schlecht gefällt.
2. Co-Forschung funktioniert – wenn Methoden altersgerecht und kreativ sind
Kinder sind fähige Forschungspartner, wenn sie mit geeigneten Tools arbeiten – z. B. Malen, KI-Bildgestaltung oder einfache Umweltmessgeräte. Mit KI-generierten Bildern konnten Kinder visualisieren, wie sie sich ihre Straße wünschen – mit Bäumen, Spielzonen, weniger Autos. Die KI half dabei, ihre Ideen greifbar und präsentierbar zu machen.
Mit KI Bildern und dem Buntstift
Nicht jeder muss realgetreu zeichnen können. Mit Hilfe von KI und Buntstiften kann auf die existierenden Bilder das Gewünschte darauf abgebildet werden. Mehr grün, weniger grau - das haben sich die meisten Kinder bei einer Umgestaltung gewünscht.
3. Umwelt- und Verkehrseinflüsse sind für Kinder spürbar und messbar
Kinder erkennen Umweltbelastungen sehr direkt – und können mit einfachen Mitteln wie der senseBox auch selbst Daten erheben, die die Wirkung von Maßnahmen (z. B. Verkehrsberuhigung) sichtbar machen. Kinder führten Feinstaubmessungen entlang zweier Routen im Kiez durch – einer mit viel Verkehr, einer in der Nähe einer Grünfläche– und verglichen die Ergebnisse. Das förderte Umweltbewusstsein und technische Kompetenz.
SensorKids unterwegs mit der senseBox
Im Rahmen der Aktionstage des Projekts SensorKids waren Kinder als Co-Forschende im Graefekiez tätig. Sie führten zahlreiche Messungen zum Beispiel zur Lärm- oder Feinstaubbelastung durch.
4. Der Prozess verändert: Kinder erleben Selbstwirksamkeit und Zugehörigkeit
Die aktive Mitgestaltung des Straßenraums stärkt das Gefühl der Teilhabe – Kinder fühlen sich ernst genommen und erkennen, dass sie Veränderungen anstoßen können. Beim Bau von Hochbeeten und Sitzmöbeln für eine „Kiez.Terrasse“ vor der Kita nahmen Kinder aktiv teil. Die Nutzung „ihrer“ Möbel nach der Aktion förderte Stolz und Verbundenheit mit dem Ort.
Parkbuchten werden zu Kiezterrassen
Einige der Parkbuchten in der Böckhstraße wurden zu sogenannten Kiezterrassen umfunktioniert. Dazu wurden Holzkonstruktionen mit integrierten Bänken, Pflanzkübeln und anderen Elementen aufgestellt. Im Rahmen des Projektes SensorKids ermitteln Kinder, wie sich die Umgestaltung ausgewirkt hat und steuern ihre eigene Perspektive bei.
Credit:
Sandra Iwasieczko, 2024
Mit dem SensorKids Leitfaden wird auf bestehende Herausforderungen bei der Einbeziehung kindlicher Perspektiven in städtische Umgestaltungsprozesse aufmerksam gemacht und ein umfassendes methodisches Set an Werkzeugen vorgestellt, um diese zu adressieren. Kinder wurden innerhalb dieses Prozesses ernst genommen, beteiligt und befähigt – und lieferten damit wertvolle Beiträge zur Entwicklung kindgerechter, nachhaltiger Mobilität. Darüber hinaus konnten die Forschenden feststellen, dass sich Kinder vor allem Elemente wünschen, die auch Erwachsenen zu Gute kommen: mehr Stadtgrün, Stadtnatur (inklusive Raum für Tiere in der Stadt) und Wasserflächen.