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Die DLR-NASA-Bettruhestudie: Von Käseherzen und Backfischbrötchen

Essen als motorische Herausforderung
In Kopftieflage zu essen will geübt sein – wird aber von allen Studienteilnehmenden in kürzester Zeit perfekt beherrscht.

In dieser Blogserie zur zweiten Kampagne der DLR-NASA-Bettruhestudie „Sensorimotor Countermeasures Study (SMC)” stellen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln vor allem die Experimente der SMC-Studie und die Personen dahinter vor und zeigen, wie sie Maßnahmen entwickeln, um den Menschen auf eine sichere Erforschung des Weltraums vorzubereiten und auch die medizinische Versorgung auf der Erde zu verbessern.

Gerade noch liefen die Vorbereitungen für die zweite Kampagne der SMC-Bettruhe-Studie auf Hochtouren: es wurden Lebensmittel bestellt, die Küche in Schuss gebracht, Dokumente angepasst, die neuen Mitarbeitenden eingearbeitet, gebacken und geputzt … und schon ist das Ernährungsteam in Studienwoche zehn auf Visite. „Ich habe noch Hunger – kann ich größere Portionen bekommen?“, „Das Backfischbrötchen und der Cheesecake sind so lecker, ich hätte gerne mehr davon!“ oder auch „Meine Verdauung kommt irgendwie nicht in Schwung – könnt ihr da etwas machen?“ sind nur ein paar Beispiele dafür, was das Team heute zu hören bekommt. Der regelmäßige Kontakt zu den Probandinnen und Probanden ist von zentraler Bedeutung, denn gerade in dieser außergewöhnlichen Studiensituation hat die Ernährung einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden und auf die Motivation der Teilnehmenden, die 60 Tage lang im Liegen gut durchzustehen.

Lobeshymnen und Dank an das Ernährungsteam
Für die Probandinnen und Probanden ist die Ernährung ein wichtiger Baustein in ihrem Tagesablauf. Und sie geben gerne Rückmeldung zu den verschiedenen Mahlzeiten, worüber sich das Team immer sehr freut.

Ein Zettelmeer an Komplimenten

Grundumsatzmessung vor der Kopftieflage
Mit der Grundumsatzmessung wird über die Atemgase der Ruheenergiebedarf sowie der Energieverbrauch gemessen, daraus kann der tägliche Energiebedarf der Studienteilnehmenden abgeleitet werden.

Der Tag heute ging für alle früh los: bei zwei unserer „terrestrischen Astronautinnen und Astronauten“, wie wir die Bettruhe-Probandinnen und Probanden auch nennen, standen am Morgen Grundumsatzmessungen zur Bestimmung des Ruheenergiebedarfs sowie Messungen der Körperzusammensetzung (etwa zur Bestimmung der Fett- und Muskelmasse) an.

Nach der Visite geht’s in die Küche, wo die standardisierte Ernährung in die Praxis umgesetzt wird. Beim Eintreten ist das immer größer werdende Zettelmeer an Komplimenten nicht mehr zu übersehen: Die Mitarbeitenden erhalten viel Lob in Form von handgeschriebenen Texten, Gedichten oder kleinen Zeichnungen. „Hab Sonne im Herzen und Pommes im Bauch, dann bist du glücklich und satt bist du auch.“ und „Einfach nur WOW!“ oder „DLR-ichelin Stern für gehobene Weltraumkost“, sind nur ein paar Zitate, die zeigen, wie sehr ihre Arbeit geschätzt wird und wie gut ihr liebevoll zubereitetes Essen schmeckt. Ein weiteres Indiz dafür könnten die bis auf den letzten Krümel leer geputzten Teller sein.

Auf das Gramm genau wird abgewogen
Sobald die tagesaktuellen Menüpläne vom Ernährungsteam in die Küche geschickt werden, wiegt das Küchenteam die Mahlzeiten grammgenau ab.

Dabei haben die Testpersonen aber auch keine andere Wahl, als alles feinsäuberlich aufzuessen, denn das ist Teil der Wissenschaft: Jeder Studientag hat „seinen eigenen“ Menüplan, den jede Probandin und jeder Proband an diesem bestimmten Tag bekommt. In der Menge wird die jeweilige Mahlzeit natürlich sehr genau an die persönlichen Voraussetzungen wie Körpergewicht und Ruheumsatz angepasst, weshalb es auch so wichtig ist, dass nichts von dem berechneten Essen übrig bleibt.

Eine studentische Hilfskraft ist gerade dabei, zwei der vielen selbstentwickelten Rezepte zuzubereiten: die beliebten Apfelkringel und den Tomate-Cashew-Dip. Ihre Kollegin räumt die neu gelieferten Lebensmittel ein. „Gurken und Quark fehlen“ gibt sie weiter. Zum Glück zeigt ein kurzer Check im Lager: Für morgen reicht’s noch. Aber Nachschub für die kommenden Tage muss definitiv auf dem Weg zur Arbeit besorgt werden, damit wir bis zur nächsten Lieferung auskommen. Kein Wunder – bei über 70 Kilogramm Gurken und 35 Kilogramm Quark, die für die gesamte Studie gebraucht werden, kann das schon mal passieren.

Ein wichtiger Tagespunkt: die Essensausgabe
Die berechneten, abgewogenen und sorgsam angerichteten Mahlzeiten werden jeden Tag zu genau geplanten Essenszeiten an die Studienteilnehmenden ausgeteilt.

Über 1.000 Menüpläne müssen während einer Studie erstellt werden

Mehr als 1.000 Menüpläne werden pro Studie erstellt
Vor und während der Bettruhe-Studien bearbeitet das Ernährungsteam die Menüpläne mithilfe einer spezialisierten Software zur Nährwertberechnung.

Zurück im Büro werden noch die fehlenden Lebensmittel an den Lieferanten gemeldet, bevor um 11:00 Uhr das „Daily SMC-Meeting“ startet. Hier werden kurz die Highlights aus der Visite geteilt, sodass das gesamte Projektteam auf dem aktuellen Stand ist. Im Anschluss wird das Nährwertberechnungsprogramm hochgefahren, um die Menüpläne der zwölf Studienteilnehmenden für die nächsten Tage individuell an deren Nährstoffbedarf anzupassen.

Insgesamt 1.044 Menüpläne müssen während einer 60-Tage-Bettruhestudie auf diese Weise bearbeitet werden. Manche Pläne sind schnell gemacht, andere bringen durchaus ihre Herausforderungen mit, etwa wenn es darum geht, die Portionsgrößen einer sehr leichten Probandin möglichst klein zu planen und gleichzeitig ihren Nährstoffbedarf damit zu decken. Des Weiteren müssen zum Beispiel die Portionsgrößen oder Wassermengen angepasst und ernährungsmedizinische Bedürfnisse berücksichtigt werden, wie beispielsweise der Einsatz von Flohsamenschalen für die Unterstützung der Verdauung.

Es ist angerichtet ...
Hier gibt es zum Mittagessen eine Falafel-Bowl und Cheesecake mit Erdbeersoße als Nachtisch.

Dennoch können nicht immer alle Anliegen und Wünsche der Probandinnen und Probanden berücksichtigt werden, sondern nur solche, die mit den strengen Vorgaben der U.S-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA zu vereinbaren sind. Insgesamt müssen neben den Makronährstoffen (Kohlenhydrate, Proteine und Fette) über 30 Nährstoffe bestimmte Nährwertgrenzen (teils täglich, teils wöchentlich betrachtet) eingehalten werden. Grundsätzlich gilt: die Ernährung ist studientagspezifisch für jeden einzelnen Studienteilnehmenden standardisiert um sicherzustellen, dass die Studienergebnisse vergleichbar sind.

Stärkung im Glas
Ein paar bunte Shakes zur Stärkung am Nachmittag dürfen für die Probandinnen und Probanden nicht fehlen.

Sobald die Menüpläne fertig angepasst sind, werden sie ausgedruckt, sortiert und mit allen nötigen Unterlagen für die Vor- und Zubereitung an die Küche gegeben. Doch kaum ist das erledigt, klingelt das Telefon der Rufbereitschaft: Eine studentische Hilfskraft muss sich für morgen krankmelden. Ein Blick in den Dienstplan zeigt, wer morgen der Backup ist – dieser wird direkt angerufen und aktiviert. Der Rest der nie endenden ToDo-Liste kann bis morgen warten. Jetzt ist erstmal Feierabend – zumindest vorerst. Denn wer weiß, welche Überraschungen die Rufbereitschaft heute noch für das Ernährungsteam bereithält. Eines ist sicher: Langweilig wird es während einer solchen Studie definitiv nicht – genau wie auf einer richtigen Weltraummission bringt auch jeder Tag bei der terrestrischen Mission neue spannende Aufgaben und Herausforderungen mit sich!

Ein Herz für die Probandinnen und Probanden
Wenn genügend Zeit ist, entstehen auch mal kunstvolle Kreationen – natürlich im Rahmen der vorgegebenen Mengen für jedes Lebensmittel.

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