DLR Magazin Sonderdruck - page 8-9

Blick in den Transsonischen Windkanal im
DLR Göttingen. In der einen Meter breiten
und einen Meter hohen Messstrecke justiert
Techniker Andreas Grimme ein Modell des
Versuchsflugzeugs X31.
Betrieben wird der Transsonische Windkanal Göttingen
(TWG) von der Stiftung Deutsch-Niederländische Windkanäle
(DNW), einer 1976 gegründeten gemeinsamen Tochter des DLR
und des Niederländischen Luft- und Raumfahrtlaboratoriums
(NLR). Im TWG kann simuliert werden, wie sich Flugzeuge im so-
genannten transsonischen Bereich nahe der Schallgeschwindigkeit
(etwa 1.000 Stundenkilometer) und darüber hinaus (bis zu mehr
als zweifacher Schallgeschwindigkeit, Mach 2,2) verhalten. „Für
diesen Geschwindigkeitsbereich ist der Göttinger Windkanal die
wichtigste Anlage Deutschlands“, sagt Professor Georg Eitelberg,
Direktor der DNW.
Speziell für Unter- und Überschall
Der 50 Meter lange und zwölf Meter hohe Windkanal
hat einen Wert von 45 Millionen Euro. In der 4,5 Meter langen,
einen Meter hohen und einen Meter breiten Messstrecke lässt
ein Verdichter mit einer Leistung von bis zu 12 Megawatt Luft an
maßstabsgetreuen Modellen vorbeiströmen. Mit Hilfe moderns-
ter Technik kann diese Strömung sichtbar gemacht und zusam-
men mit ihrer Wirkung auf die umströmten Modelle vermessen
werden. „Der TWG ist der Forschungswindkanal für Transsonik“,
sagt Dr. Karl-Wilhelm Bock, Leiter der DNW in Göttingen und
Köln. Transsonik ist ein Begriff aus der Aerodynamik. Dabei treten
gleichzeitig Unter- und Überschallgeschwindigkeiten in der Luft-
strömung auf. Da diese Übergangsbereiche als besonders kritisch
gelten, weil sich dabei die Flugeigenschaften dramatisch verän-
dern, gibt es mit dem TWG einen eigenen Windkanal, der diese
Phänomene untersucht.
Dafür verfügt der Windkanal über drei verschiedene, aus-
tauschbare Messstrecken: für Machzahlen bis 0,9, bis Mach 1,2
und ab Mach 1,3 bis 2,2. Die gewünschte Geschwindigkeit wird
dabei durch die verwendete Düse, einen Verstelldiffusor, der den
Kanal enger oder weiter macht, und die Drehzahl des Antriebs
bestimmt. Diese tonnenschweren Messstrecken können vor einem
Versuch elegant ausgewechselt werden: auf Luftkissen. Der An-
trieb besteht aus einem Motor mit bis zu 12 Megawatt Leistung.
Damit könnten 200.000 Sechzig-Watt-Glühlampen zum Leuchten
gebracht werden. Der Motor treibt einen Verdichter an, der das
erzeugt, was einen Windkanal ausmacht: Wind. Bis zu acht hin-
tereinander angeordnete Propeller – Verdichterstufen genannt –
drehen sich mit maximal 1.400 Umdrehungen in der Minute
und verdichten dabei die Luft. Sollen im Windkanal die höchs-
ten Geschwindigkeiten erzeugt werden, dann werden alle acht
Verdichterstufen verwendet. Es können aber auch vier Stufen
ausgekoppelt werden.
Pionierleistungen in der Messtechnik
Dass der TWG d e r Forschungswindkanal für Transsonik
in Deutschland ist, liegt daran, dass die Forschung im TWG relativ
günstig ist – relativ im Vergleich zu größeren Windkanälen. „Im
TWG kostet ein Messtag etwa 25.000 Euro“, so der Windkanal­
leiter Göttingen und Köln. In größeren Windkanälen ist zum Teil
ein Mehrfaches an Investitionen nötig – für Forschungsvorhaben
besonders in der Anfangsphase oft ein Handicap. Darum ist es
kein Zufall, dass im TWG Meilensteine in der experimentellen
Aerodynamik gesetzt worden sind. Hier wurde eines der ersten
Von den Anfängen der Airbus-Familie bis zum Eurofighter und dem A400M – in einem der bedeutendsten Windkanäle
Deutschlands wird seit fünfzig Jahren Luftfahrtforschung betrieben. Der Transsonische Windkanal Göttingen (TWG)
wird auch heute noch für die Erforschung und Entwicklung künftiger Raumfahrzeuge, Flugzeuge und Hubschrauber
eingesetzt.
Wandelbarer Gigant
Teil 2 der Serie „Die Windmaschinen“
Das Überschall-Labor im DLR Göttingen
Von Jens Wucherpfennig
Modell eines unbemannten Nurflüglers. Am oberen Bildrand gut
sichtbar ist die Aufhängung des Modells.
Computersimulation der Wirbel um ein Flügel- und ein Leitwerk-
Modell, wie sie bei Windböen entstehen können. Solche Modell-
konfigurationen sind typisch für den TWG.
WINDKANALSERIE
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