Zwei Tage nach der Landung der Raumfähre Atlantis äußerte sich der deutsche ESA-Astronaut Hans Schlegel im Interview gegenüber mehreren deutschen Medien. Der 56-Jährige war vom 7. bis zum 20. Februar 2008 im All. Währenddessen installierten die Astronauten das europäische Forschungslabor Columbus an der Internationalen Raumstation ISS. Hans Schlegel absolvierte einen Weltraumausstieg, als zweiter Deutscher nach DLR-Vorstandsmitglied Thomas Reiter. Über seine Empfindungen im freien Raum und die Zukunft der Raumfahrt berichtet Hans Schlegel in diesem Interview.
Frage: Wie haben Sie Ihren ersten Weltraumausstieg erlebt?
Hans Schlegel: Der Außenbordeinsatz war ein Highlight der Mission. Vor dem Ausstieg fragt man sich: Wird man sich so unter Kontrolle haben, wie man sich das wünscht? Als dann die Luke aufging, waren diese Fragen wie weggewischt. Der Ausblick auf die riesige Erde ist überwältigend. Alle Ängste sind weg. Die erste Stunde des Ausstiegs brauchte ich zur Anpassung. Die Stunden danach habe ich schlichtweg genossen. Als wir dann genau über meine Heimatregion Köln und Aachen geflogen sind, habe ich mir 30 Sekunden den Blick gegönnt. Es war wolkenfrei, ich konnte alles erkennen. Es war einfach fantastisch - zu schön um wahr zu sein.
Wie haben Sie sich bei Ihrem Außenbordeinsatz gefühlt?
Hans Schlegel: Man bereitet sich natürlich auf mögliche Probleme wie Orientierungsschwierigkeiten etc. vor. Aber als die Luke aufging, habe ich die Erde vorbeiziehen gesehen und wußte: Es klappt, ich habe kein Gefühl der Unsicherheit, keine Angst. Dann sieht man mit halbem Blick die Station, mit halbem Blick den Kosmos und die Erde. Man sieht die dünne Erdatmosphäre und die Krümmung der Erde auf einen Blick. Diese Aussicht ist wohl nur zu toppen mit einem Blick vom Mond auf die Erde. Das Gefühl beim Ausstieg kann man nicht in Worte fassen, es ist unbeschreiblich. Dieses Erlebnis ermöglicht es mir, eine ganz andere Perspektive einzunehmen: Fliege ich über der Erde hinweg oder fliegt sie unter mir hinweg? All das passiert nur in meinem Gehirn.
Was ist nach diesem Erlebnis Ihre Botschaft an die Menschen auf der Erde?
Hans Schlegel: Wir sahen ja von da oben keine Ländergrenzen, nur Meere, Wüsten, Flüsse, aber auch von Menschen gebaute Städte. Ich habe die Erde als ein Mutterraumschiff aller Menschen erlebt. Leider gibt es auf der Erde viele Probleme, Ärger, auch Krieg. Aber von da oben ist klar: Nichts funktioniert gegeneinander, sondern nur miteinander. Wir müssen international zusammenarbeiten und sorgsam mit den Ressourcen umgehen. Das ist meine Botschaft an die politisch Mächtigen, aber auch an die politischen Nichtmächtigen. Und das will ich nun nach meiner Rückkehr vielen Menschen möglichst eindringlich vermitteln - auch mit Wörtern, aber vor allem mit Bildern.
Haben Sie während Ihres Fluges etwas von der Medienberichterstattung über die Mission in Deutschland mitbekommen? Was haben Ihnen Freunde und Familie berichtet?
Hans Schlegel: Ich bekomme leider nur recht sporadisch eine Rückkopplung. Ich hatte keine Zeit, die Medien zu verfolgen - auch nicht, um mit Familie oder Freunden aus Deutschland darüber zu sprechen. Ich hoffe jedenfalls, dass Begeisterung da ist und sich viele junge Leute für Raumfahrt interessieren. Mich selbst hat die Mission noch mehr für Raumfahrt begeistert.
Sagen Sie uns heute, was mit Ihnen beim ersten Außenbordeinsatz los war?
Hans Schlegel: Nur so viel: Es war nicht die Weltraumkrankheit, ich hatte keinerlei Schwierigkeiten umzugehen mit der Schwerelosigkeit. Medizinische Gründe führten jedoch dazu, dass man gesagt hat, wir wollen sehen, wie sich das entwickelt. Für mich persönlich ist das bitter, aber ich bin da ganz Profi, für mich stand die Aufgabe im Vordergrund.
Wie läuft die Anpassungsphase nach der Rückkehr?
Hans Schlegel: Es fühlt sich heute, zwei Tage nach der Landung, immer noch so an, als würde ich nicht hier auf einem Stuhl sitzen, sondern mehr als würde ich hier vor dem Schreibtisch schweben. Wenn man geschlafen hat, braucht man beim Aufwachen einige Minuten, bis der Körper sich dran gewöhnt hat, dass die Schwerkraft einen wieder hat.
Wie wird die Zukunft für deutsche Astronauten sein? Wie geht es in der bemannten Raumfahrt für Deutschland weiter?
Hans Schlegel: Ja, was sollte Deutschlands Beitrag zur Raumfahrt in der Zukunft innerhalb der ESA sein? Ich bin dankbar, dass Deutschland - vertreten durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt - bereits einen erheblichen Beitrag leistet: technologisch, finanziell, aber auch personell. Als großer Partner sollte Deutschland an vorderster Stelle in der ESA mitwirken, und das auch, wenn die ESA neue Astronauten sucht. Viele junge Deutsche sollten sich dann bewerben und ich hoffe, dass einige von ihnen ausgewählt werden. Ich werde sehr gerne mithelfen, dass zukünftige europäische Astronauten bestens ausgebildet werden.