Abteilung Lastanalyse und Entwurf
Die Abteilung Lastanalyse und Entwurf befasst sich mit Fragestellungen, die sich im Rahmen des Entwurfs von Flugzeugen hinsichtlich aeroelastischer Eigenschaften bzw. aeroelastischer Erfordernisse ergeben.
Für zukünftige Flugzeugkonfigurationen wird erwartet, dass die aeroelastischen Eigenschaften immer wesentlicher werden. Eine Reihe von Beispielen zeigt diesen offensichtlichen Trend deutlich: Durch den zunehmenden Einsatz von Leichtbaustrukturen, z.B. unter Verwendung von Kohlefasermaterialien, und die Anwendung spezieller Strukturentwurfsmethoden, wie der Strukturoptimierung, sind elastischere tragende Strukturen zu erwarten. Darüber hinaus trägt die Entwicklung von Technologien zur umfassenden Lastabminderung und zur Unterdrückung von Flattern bei. Auch der Trend der größer werdenden Flügelstreckung zur Verbesserung der aerodynamischen Eigenschaften spielt dabei eine wichtige Rolle.
Aus diesem Grund hat das DLR-Institut für Aeroelastik den Entwurf der Single-Aisle, Kurz- bis Mittelstreckenflugzeugkonfiguration D2AE begonnen. Mithilfe der D2AE sollen insbesondere die aeroelastischen Eigenschaften zukünftiger Flugzeugkonfigurationen untersucht werden. Die D2AE-Konfiguration basiert auf der sogenannten D239+-Konfiguration, die vom DLR-Institut für Systemarchitekturen in der Luftfahrt für maximal 239 Passagiere in der Einklassenvariante entwickelt wurde (siehe u.a. [1]). Der Hauptunterschied zwischen der D239+ und der D2AE-Konfiguration ist die Flügelplanform. Während die Konfiguration D239+ mit einer Spannweite von ca. 36 m ohne weiteres in einer Parkbox der Kategorie C der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) platz findet, also in einem typischen Flugsteig für Kurz- und Mittelstreckentransportflugzeuge (engl. Short and Medium Range = SMR-Konfigurationen), wird dies bei der Konfiguration D2AE mit einer Spannweite von 42,5 m erst durch den Einsatz eines Klappflügels erreicht (siehe Abbildung 1). Die Flügelfläche der D2AE beträgt 131 m2 und die Streckung 12,5. Mit der Flügelfläche wird auch das Potenzial hin zu einer Variante mit längerem Rumpf ermöglicht, also eine Erhöhung der Passagierzahl über 250.

Für den Ausgangsentwurf der D2AE-Konfiguration wurde das Computerprogramm openAD für den Konzeptentwurf von Flugzeugen des DLR [2] und der parametrische aeroelastische Entwurfsprozess cpacs-MONA des DLR-Instituts für Aeroelastik verwendet [3]. Mit openAD wurden die typischen Konzeptentwurfsparameter auf Basis der vorgegebenen TLARs (Top-Level Aircraft Requirements) mit statistikbasierten Methoden ermittelt (z.B. Geometrie, Massen, Flugleistung, etc.). Auf diesem Ergebnis setzt der Entwurfsprozess cpacs-MONA auf und kombiniert die Ermittlung der Flug- und Bodenlasten sowie die Strukturdimensionierung mit Methoden der Strukturoptimierung mit physikbasierten Methoden und typischen Simulationsmodellen (siehe Abbildung 2). Aufgrund des parametrischen Ansatzes innerhalb von cpacs-MONA, sind Anpassungen der zum Teil komplexen Simulationsmodelle, z.B. für die Struktur, innerhalb des Entwurfsprozesses einfach umzusetzen.

Die erste Anwendung der D2AE-Konfiguration erfolgte im LuFo VI Projekt WISDOM [4], gefördet vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), in dem die D2AE-Konfiguration das Referenzflugzeug darstellt. Im Rahmen des Projektes wurde vom DLR u.a. ein Teststand für Steuerflächen gebaut, um Flugsteuerungssysteme zur Realisierung hochgestreckter Flügel für energieeffiziente Flugzeuge zu testen (siehe Abbildung 3). Der Teststand repräsentiert die drei Querruder der D2AE, die für Rollmanöver, Lastentlastung und Flatterunterdrückung eingesetzt werden sollen.
Das in WISDOM verwendete Strukturmodell für das Gesamtflugzeug wurde hinsichtlich des Massenmodells und der Steifigkeitsverteilung gezielt modifiziert, um einen Flügelflatterfall zwischen der VD/MD-Grenze des Flugbereichs und der 1,15 VD/MD-Grenze des aeroelastischen Stabilitätsbereichs zu erreichen. In diesem Flugbereich soll dann mit Hilfe der drei Querruder Flattern durch ein Regelsystem unterdrückt werden.

Der zweistufige Entwurfsprozess mit openAD für den Konzeptentwurf und cpacs-MONA für den frühen Vorentwurf bietet gute Möglichkeiten für vertiefte Untersuchungen mit cpacs-MONA selbst, aber auch durch Anwendung anderer Simulationsverfahren im Rahmen des Entwurfs. Entsprechende Untersuchungen mit dem Einsatz von speziellen Methoden, die auf die D2AE angewandt wurden, wurden auf dem Deutschen Luft- und Raumfahrtkongress 2024 gezeigt [6].
Konzeptionelle Entwurfslasten werden in der frühen Phase eines Gesamtflugzeugentwurfs (OAD) verwendet, um die strukturelle Dimensionierung in einem multidisziplinären Prozess zu berücksichtigen. Aufgrund neuartiger Konfigurationen wie der D2AE mit einem Flügel mit hoher Streckung sind analytische Methoden nicht mehr vollständig anwendbar. Als Beispiel wird im Folgenden ein Vergleich zwischen konzeptionellen Lasten aus der Anwendung solcher Methoden mit dem Computerprogramm LOADzero [6] und den Lasten, die mit höherer Genauigkeit im vollautomatischen Entwurfsprozess cpacs-MONA mit Hilfe von MSC Nastran berechnet werden, für die D2AE-Konfiguration gezeigt. In Abbildung 4 sind Schnittlasten für den Flügel und den Rumpf für beide Verfahren dargestellt. Die Unterschiede zwischen beiden Ansätzen sind deutlich sichtbar.

Der parametrische Modellierungsansatz von cpacs-MONA ermöglicht eine breite Palette von Parametervariationen für die Simulations- und Optimierungsverfahren und -modelle. Der automatisierte Entwurfsprozess cpacs-MONA verwendet eine standardisierte Eingabe CPACS (Common Parametric Aircraft Configuration Schema) [7], um Informationen über die gewünschte Flugzeugkonfiguration zu extrahieren. cpacs-MONA erstellt u.a. das globale Finite-Elemente-Modell (GFEM), bestehend aus einem Steifigkeits- und einem Massenmodell. Diese Modelle werden im Rahmen einer umfangreichen Lastanalyse der flexiblen Flugzeugstruktur verwendet, der sich eine strukturelle Optimierung unter Berücksichtigung aeroelastischer Anforderungen anschließt. Neben der Lastanalyse und der Strukturoptimierung können in cpacs-MONA auch Modalanalysen und Flattersimulationen durchgeführt werden, um die aeroelastischen Eigenschaften der Flugzeugkonfiguration zu bewerten.
Hinsichtlich der Lastanalyse wurde zum Beispiel untersucht, wie sich unterschiedliche Simulationsverfahren für die Böenlastanalyse auf die Strukturdimensionierung auswirken. Die Untersuchung zeigt, dass die Lasten aus der konservativeren Böenanalyse nach Pratt für größere Bereiche der Struktur dimensionierend sind gegenüber denen aus den 1-cos Böenlasten (siehe Abbildung 5).

Der verstärkte Einsatz von Faserverbundwerkstoffen in tragenden Strukturbauteilen erfordert neue Analyse- und Optimierungsmethoden zur exakten Berechnung der Materialanforderungen und der Fertigungsrandbedingungen, bietet aber auch einen wesentlich größeren Parameter- und Optimierungsraum im Vergleich zu traditionellen, homogenen Materialien. Die gezielte Optimierung von Hauptsteifigkeitsrichtungen, auch aeroelastic tailoring genannt, ermöglicht verformungsabhängige Kopplungen, die einen erheblichen Einfluss auf die globale Lastverteilung haben können. Die mögliche Lastreduzierung an den Grenzen des zulässigen Flugbereichs kann erheblich zu einer Gewichtsreduzierung der tragenden Strukturkomponenten beitragen. Das mögliche Potenzial soll für die D2AE-Konfiguration demonstriert werden (siehe auch [8]). In Abbildung 6 sind die Wanddickenverteilung und die Steifigkeitsverteilung für den D2AE Flügelkasten dargestellt.

Zunehmend spielen geometrisch nichtlineare Analysen von Flügelstrukturen aufgrund der Entwicklung von Flügeln mit hoher Streckung und flexibler Struktur eine Rolle. Die üblichen linearen Analyseverfahren verwenden Annahmen für kleine Verformungen, die bei großen Durchbiegungen nicht mehr gültig sind. Die hier durchgeführten Untersuchungen konzentrieren sich darauf zu zeigen, wie die Nichtlinearitäten die Kinematik des Flügels der D2AE-Konfiguration beeinflussen. Zu diesem Zweck werden das Durchbiegungsprofil und die modalen Eigenschaften der linearen und nichtlinearen Simulationen verglichen. Die nicht-lineare Struktursimulation für den eingespannten Flügel und festen Lasten wurde mit MSC Nastran durchgeführt. Die Ergebnisse hinsichtlich der Dehnungen sind in Abbildung 7 dargestellt und für die Verformung und die Frequenzen in Abbildung 8. Bei DLR-AE werden zudem weitere eigene Methoden zur nicht-linearen Struktursimulation entwickelt [9].


Thomas Klimmek, DLR-Institut für Aeroelastik, Abteilung: Lastanalyse und Entwurf