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Vor 50 Jahren: Apollo 16 und die „falschen“ Steine

Jump! Ob dieses Foto Eddie van Halen 1983 zu seinem wohl bekanntesten Song animiert hatte? John Young salutierte jedenfalls am ungewöhnlichsten von allen zwölf ‚Moonwalkern‘ vor dem Star Spangled Banner; links die Mondfähre Orion.
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NASA

„Habt ihr heute bei Eurer Exkursion irgendwelche Felsen gesehen, bei denen ihr sicher seid, dass es keine Brekzien sind?“ bohrte Tony England nach, der Capcom während der zurückliegenden Stunden, als die beiden Apollo-16-Astronauten ihre erste Mondexkursion absolvierten. Der ‚Capsule Communicator‘, jener Astronaut am Boden, der die Kommunikation mit den Apollo-Astronauten auf dem Mond und in dessen Umlaufbahn führte, wurde von den Wissenschaftlern im ‚Backroom‘, einem Raum hinter dem Kontrollzentrum, intensiv bearbeitet, noch einmal nach den Gesteinen entlang der ersten Exkursionsroute nachzuhaken. Denn John Young und Charly Duke hatten nicht das gefunden, was sie nach Meinung der Geologen hätten finden müssen: Vulkangesteine. Entsprechend fiel Charly Dukes Antwort aus: „Negativ. Ich habe nichts gesehen von dem ich überzeugt wäre, dass es keine Brekzie ist.“

Brekzien sind Gesteine, die aus den Trümmern von zuvor homogenen Gesteinen zusammengebacken sind, die beispielsweise durch den Einschlag von Asteroiden zertrümmert und durch den dabei entstehenden hohen Druck wieder zusammengeschweißt werden. Ein für den Mond sehr typischer Weg der ‚Gesteinsumwandlung‘, der Metamorphose. Schon von der Erde lassen sich mit bloßem Auge die Spuren der ganz großen Einschläge auf dem Trabanten erkennen und dabei ist klar, dass diese ‚Impakte‘ die Landschaft mit einer Gewalt umpflügten wie kein anderer geologischer Prozess. Dabei werden Gesteine der hellen, ersten Mondkruste genauso zerfetzt wie die dunklen Vulkangesteine in den Becken, die von den Impakten ausgehoben wurden – und zu ebenjenen Impaktbrekzien zusammengepresst wurden. In Deutschland kann man solche Impaktbrekzien an der Nördlinger Stadtkirche St. Georg mit ihrem Kirchturm, dem Daniel, sogar verbaut sehen. ‚Schwabenstein‘, Suevit, heißt das Gestein dort, mit einst glühendheißen ‚Flädle‘, Fetzen des einstigen Grundgesteins.

Big Muley, mit 11,7 Kilogramm der schwerste Brocken in der gesamten Apollo-Probenkollektion. Die bei einem Asteroideneinschlag entstandene Brekzie mit dem typischen mikroskopischen Muster der zusammengebackenen Gesteinsbruchstücke widerlegte die Idee eines vulkanischen Ursprungs des Descartes-Hochlands.
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NASA/JSC/LRL

Diese Brekzien haben die beiden Astronauten also vor 50 Jahren, im April 1972, bei der fünften Mondlandung im Descartes-Hochland auf den Cayley-Ebenen gefunden. Aber das war eben nicht das, was sie finden sollten. Jedenfalls haben die meisten der die Mission wissenschaftlich vorbereitenden Geologen nicht darauf gewettet, sondern auf Gesteine vulkanischen Ursprungs.

Descartes-Hochland: Das Ziel von Apollo 16 war logisch

Die durchaus sehr, sehr guten Fotos aus der Umlaufbahn, die 1966 und 1967 von den fünf Orbitern der Lunar-Orbiter-Serie zur optimalen Auswahl sicherer und zunehmend auch wissenschaftlich interessanter Landestellen gemacht wurden, zeigten im zentralen Hochland der Mondvorderseite einige hochinteressante Regionen. Sie unterschieden sich deutlich von den Landestellen von Apollo 12 und 14, die in der Peripherie des Mare Imbriums, des größten Einschlagsbeckens auf der Mondvorderseite, landeten und bei denen die Astronauten Belege für die ausgeworfenen Gesteinsmassen in der stellenweise heftig zerpflügten Landschaft zur Erde mitbrachten (Apollo 11 landete auf den flachen Lavaebenen des Mare Tranquillitatis).

Den Geologen war die Gesteinsausbeute der ersten drei Missionen zu „binär“, zu sehr schwarzweiß: Zum einen die dunklen, eisen- und magnesiumreichen Basalte vulkanischen Ursprungs an den Landestellen von Apollo 11 im Mare Tranquillitatis und Apollo 14, die in den Lavaebenen des Oceanus Procellarum landete, zum anderen die Impaktbrekzien, die der Imbrium-Einschlag vor 3,8 Milliarden Jahre über die halbe Mondvorderseite schleuderte und zwangsweise auch bei Apollo 12 und 14 aufgesammelt werden konnten. Apollo 15 landete dann am Innenrand des knapp tausend Kilometer großen Imbriumbeckens und konnte mit Proben des fünf Kilometer hohen Gesteinswalls, den dieser unvorstellbar gewaltige Einschlag aufgeschoben hatte, den fast alles auf der Mondvorderseite überprägenden Einfluss von ‚Imbrium‘ dokumentieren. Auf den geologischen Karten wurde unterschieden, was vor und was nach Imbrium entstanden ist. Gleichzeitig zeigte das bisherige Probenmaterial, dass durch die Impakte eine lange Phase lunaren Vulkanismus‘ ausgelöst wurde, der die ganzen großen Becken – Imbrium, Tranquillitatis, Serenitatis, Nectaris, Humorum und vor allem den Oceanus Procellarum mit Varianten von Basalten angefüllt haben.

Die Crew von Apollo 16 mit dem Mondauto, v.l. Mondfährenpilot Charles M. Duke, Kommandant John W. Young und Pilot des Kommando- und Servicemoduls T. Kenneth Mattingly.
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Zur Vorbereitung auf die Mission gehörte ein intensives geologisches Feldtraining. John Young (mit Pfeife) spricht mit Apollo-16-Chefgeologe Bill Muehlberger, links von ihm Charly Duke (mit Geologe David Wones), rechts CAPCOM Tony England.
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NASA

Welche Magmen konnten sich im Inneren des Mondes entwickeln?

Aber den Geologen fehlten zwei Gesteinstypen, die sie von der Erde kannten und bis zu einem gewissen Grad auch auf dem Mond erwartet hatten. Durchaus in dem Wissen, dass der Mond ein deutlich primitiverer Gesteinskörper im Sonnensystem als die Erde ist und die Bandbreite an Gesteinen kleiner sein würde. Zum einen fehlten noch Proben aus dem Mondhochland, das aus der primären Kruste bestand, also den ersten Gesteinen, die auf dem einst globalen Magmaozean vor mehr als vier Milliarden Jahren auftrieben und erstarrten. Anorthosite heißen diese Gesteine, weil sie zu einem beträchtlichen Anteil aus dem gleichnamigen Kalziumfeldspat-Mineral bestehen und einen hohen Anteil an Silizium und Aluminium haben. Und es fehlten Vulkangesteine, die etwas „saurer“ waren als die Basalte mit ihrem ausgesprochen niedrigen Anteil an Silizium. Auf der Erde sondern sich in einer Magmakammer zunächst die dunkleren, siliziumarmen Schmelzen ab und steigen zur Erdoberfläche auf, dann Magmen mit immer mehr Silizium und schließlich richtig ’saure‘ Schmelzen, aus denen Granite entstehen oder ihre vulkanische Entsprechung, die Andesite.

Erreichen Magmen die Oberfläche, werden sie an den vulkanischen Öffnungen zu Lava, das mehr oder weniger fließfähig ist und als Gesteinsbrei oder bei explosiveren Ausbrüchen als glühend heißer Gesteinsregen die bestehende Oberfläche bedeckt – und dabei Ebenen bildet. Die dunklen Ebenen auf dem Mond bestehen also aus erstarrter, dünnflüssiger Lava, den Basalten, helle Ebenen wurden aber nur wenige gefunden. Nur acht bis neun Prozent der Mondvorderseite bestehen aus hellen Mondebenen, den ‚Lunar Light Plains‘, die zu einem echten geologischen Rätsel werden sollten.

Das Rätsel der ‚lunaren hellen Ebenen‘

Alles, so sagten die Geologen, deutete darauf hin, dass die Descartes-Ebene 85 Kilometer nördlich des nach dem französischen Mathematiker und Naturwissenschaftler René Descartes (1596-1650) benannten, 50 Kilometer großen Krater, vulkanischen Ursprungs ist: dunkler als das Hochland, in das sie eingebettet ist, heller als die Marebasalte. Es gab noch ein weiteres schlagendes Argument für Descartes: Der Ort wäre weit von den anderen vier Landestellen entfernt, sodass die Triangulation zur Lokalisierung von Mondbeben mit den Aufzeichnungen der Seismometer präziser sein und zu besseren Aussagen über die Struktur des Mondes führen würde.

Die Cayley-Ebenen im Descartes-Hochland waren ein Wunschziel der vielen, die Mission Apollo 16 beratenden Mondgeologen. Die vermeintlich ebenen Landschaften deuteten auf einen etwas anderen Vulkanismus hin, als an den Landestellen von Apollo 11, 12 und 15.
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NASA/USGS

Also beschloss die NASA 1971 auf Anraten der Wissenschaftler, ihre vorletzte Apollo-Mission genau dorthin zu schicken. Apollo 14 war schon zurück, Apollo 15 noch nicht unterwegs – das Ziel Descartes wurde weniger heftig diskutiert als die anderen fünf Landestellen (es gab bei der Auswahl aller Landestellen intensive Debatten). Die Vorbereitungen nahmen ihren Lauf. Die Crew stand schnell fest. Kommandant wurde der bis dato (und bis heute) erfahrenste Astronaut, den die NASA je hatte: John Watts Young (1930-2018), der schon die Missionen Gemini 2 und 10 auf dem Buckel hatte und Anfang 1969 vor der ersten Mondlandung mit Apollo 10 bei der Generalprobe den Mond umkreiste. Young sollte später auch den ersten bemannten Space-Shuttle-Flug kommandieren, er blieb der NASA als Berater bis ins hohe Alter treu. An seiner Seite hingegen ein ‚Rookie‘, ein Neuling: Pilot der Mondlandefähre wurde Charles Moss Duke. Die 1935 geborene Frohnatur aus North Carolina sollte der jüngste aller ‚Moonwalker‘ werden. Pilot des Kommando- und Servicemoduls schließlich wurde Thomas Kenneth Mattingly, nochmal ein Jahr jünger als Duke.

Kleine und mittelgroße Probleme auf dem Weg zum Mond

Die NASA nominierte die Besatzung im März 1971, Start sollte im April des Folgejahres sein – vor nun 50 Jahren also. Apollo 16 sollte die zweite von drei der ‘J-Missionen‘ werden, bei denen kaum noch etwas Technisches getestet werden müsste, der Fokus vielmehr fast vollständig auf der Wissenschaft lag. Die drei Missionen 15, 16 und 17 waren für die Mond- und Planetenforschung der Schlüssel zum Verständnis der Entwicklung des frühen Sonnensystems. Die Ernte dieser drei Missionen war so überwältigend, dass die Forschung Jahrzehnte an den Daten, Fotos und Gesteinsanalysen zu tun hatte (und noch heute werden Mondproben untersucht). Die Ergebnisse haben unser Bild von der Entstehung und frühen Entwicklung der erdähnlichen Körper revolutioniert.

Der Start am 16. April, einem Sonntag, kurz vor Mittag von Cape Canaveral verlief perfekt. Ich versuche mir immer wieder vorzustellen, wie sich dieses Monstrum von Saturn V mit ihren fast 3000 Tonnen Startgewicht nach dem zeitlupenhaften Abheben immer schneller werdend in den Himmel über Florida bohrte. Es heißt, der Lärm beim Zünden der fünf (im Lateinischen ‚V‘) Triebwerke sei das lauteste Geräusch, das der Mensch je in seiner Geschichte erzeugte. Mit den beiden ersten Stufen wurde das 53 Tonnen schwere Apollo-Gespann bestehend aus der Kommandokapsel, dem Servicemodul und der Mondfähre in die Erdumlaufbahn gehievt, ehe es nach dem Prüfen aller relevanter Komponenten durch Zünden der dritten Stufe S-IVb nach zwei Erdumrundungen zum Mond ging: TLI, Trans-Lunar Injection, Einschuss in die Transferbahn mit 35.000 km/h.

Bilderbuchstart von Apollo 16 mit der Saturn V am Mittag des 16. April 1972 von Cape Canaveral.
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Gleich nach diesem Manöver erfolgte ein wichtiges, aber schon zur Routine gewordenes Manöver: Das Kommando- und Servicemodul (CSM – bei Apollo hatte fast alles Abkürzungen mit drei Buchstaben) koppelte sich von der S-IVb ab, entfernte sich 15 Meter, drehte um 180 Grad und koppelte dann an die in der S-IVb eingetüteten Mondfähre an. Mattingly zog das LM (Lunar Module) heraus, drehte wieder um – und weiter ging‘s zum Mond, drei Tage lang. Viel Routine, viele Checks, viel Zeit. Ein biochemisches Experiment am zweiten Tag unterbrach die Langeweile ein wenig (Langeweile bei einem Mondflug? Nun, die dokumentierten Gespräche enthalten auch viel sinnfreien, oft sehr humorigen Nonsense). 260.000 Kilometer von der Erde entfernt machte das dreiachsige Lagekontrollsystem Mucken, Ken Mattingly justierte das System durch Raumlagedaten neu, die er durch Sextantenpeilung aus dem Fenster am Erd- und Sonnenhorizont vornahm. Dann war wieder alles ‚nominal‘, das magische Wort der Raumfahrt.

Apollo 16 mit der Kommandokapsel ‚Casper‘ und der Mondfähre ‚Orion‘ wurde, auch ‚nominal‘, bis zu 300.000 Kilometer Erdentfernung immer langsamer, denn noch war sie nicht im Gravitationsfeld des Mondes. Am dritten Tag wurde es dann wieder schneller: Das Ziel war nur noch 60.000 Kilometer entfernt. Jetzt war die Zeit für das Einbremsen in den Mondorbit gekommen. 74 Stunden nach dem Start ging die Apollo 16 in den Mondschatten, hatte für einige Minuten keinen Kontakt zum Kontrollzentrum in Houston, zündete dort für sechs Minuten das SPS (das Service Propulsion System, den Antrieb des CSM mit seiner glockenförmigen Düse), und schon war Apollo 16 in der Mondumlaufbahn.

Schöne Aussicht auf dem Weg zum Mond – ein selten veröffentlichtes Foto von der Erde. In der Bildmitte Nordamerika. Nur den 24 Mondfahrern zwischen 1968 und 1972 war es bisher vergönnt, die kugelförmige Erde als globale kreisrunde Scheibe aus dem All zu sehen.
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Sechs Stunden erhöhte Adrenalinschübe

Nach genau vier Tagen und 13 Minuten stiegen John Young und Charly Duke in die Orion und dockten 20 Kilometer über dem Mond ab. Wie bei den anderen Missionen blieben sie noch eine Zeit lang nahe dem CSM, das Ken Mattingly schon in die Position drehte, um wieder eine höhere Umlaufbahn einzunehmen. Mattingly registrierte dabei Schwankungen im Ersatz-Lageregelungssystem des Treibwerks. Nach den ‚Spielregeln‘ der Mission hätte die Mondfähre nun eigentlich zur Sicherheit wieder andocken müssen, um für den Fall eines SPS-Ausfalls mit dem Triebwerk der Mondfähre wieder aus dem Mondorbit und zurück zur Erde zu kommen – ähnlich dem Manöver, mit dem das Leben der drei Apollo-13-Astronauten 1970 gerettet werden konnte. Houston schaltete wie damals in der größten Krise des Apollo-Programms sofort in den Krisenmodus, alle Konzentration galt dieser noch nicht dagewesenen Situation. Nach sechs Stunden Beratung waren Bodenstation und Crew zu der Auffassung gekommen, die SPS-Anomalie sei nicht kritisch: „Go for the Moon!“

Man meint fast, die Köpfe der Missionsverantwortlichen rauchen zu sehen. Sechs Stunden Krise. Muss die Mondlandung von Apollo 16 abgebrochen oder kann sie fortgesetzt werden? Schließlich gab Chris Kraft, Direktor des Zentrums für Bemannten Raumflug der NASA in Houston (sitzend in der Mitte) das ‚Go‘ an die Missionskontrolle.
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Der Abstieg verlief nach Plan. Aus vier Kilometern Höhe erkannte Young die Landestelle zwischen den beiden markanten Kratern North Ray und South Ray. Wenig später, in den USA war es noch der 20. April, in Europa schon der Folgetag 3 Uhr 23, landeten Young und Duke nur 270 Meter nördlich und 60 Meter westlich der angepeilten Landestelle. Ihr erster Blick aus dem Fenster zeigte allerdings gar keine richtige ‚Ebene‘, das war eine doch landschaftlich sehr ‚bewegte‘ Umgebung, mit vielen Hügeln, großen Gesteinsblöcken und damit ein durchaus etwas riskanteres Ziel als erwartet.

Nach einem von Houston wegen der langen Pause angeordneten Schlafpause war es Young, der als erster die Leiter der Orion herunterkletterte und das natürlich in seinem hintergründigen Humor mit einem wohlüberlegten Spruch kommentierte: "There you are: Mysterious and unknown Descartes. Highland plains. Apollo 16 is gonna change your image. I'm sure glad they got ol' Brer Rabbit, here, back in the briar patch where he belongs." („Da bist Du also: geheimnisvolles und unbekanntes Descartes. Hochland-Ebenen. Apollo 16 wird Dein Bild verändern. Ich bin wirklich froh, dass sie den alten Br‘er-Hasen hier haben, hinten im Dornenbeet, wo er hingehört.“) Der ‚Brother Rabbit‘ ist eine Figur in Erzählungen der südlichen USA, ein gewiefter Gauner, der mit seinen Tricks und seiner Schläue stets versucht, alles durcheinander zu bringen.

Charly Duke am Rande des 40 Meter durchmessenden und zehn Meter tiefen Kraters Plum, wo er die erste Probe nahm - den 11,7 Kilogramm schweren Brocken ‚Big Muley‘, benannt nach Chefgeologe Bill Muehlberger.
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Charly Duke nimmt von einem großen Felsblock am Krater North Ray eine Probe. Vor der Brust die Hasselblad-Kamera und am linken Arm ein aufgeklapptes Büchlein mit Anleitungen zu den Experimenten und Probennahmen.
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Das Magnetometer für Mondoberfläche, ein Instrument aus dem ALSEP-Instrumentenkasten.
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Der Zeitverlust hatte Auswirkungen auf den Missionsplan: Eigentlich wollte Houston den dritten Tag auf dem Mond streichen, da waren aber Young, Duke und der Backroom mit den Wissenschaftlern heftig dagegen. Stattdessen wurde vor der Rückkehr ein Tag in der Mondumlaufbahn gestrichen. Also los! Mondauto ausgeklappt und startklar gemacht. Das LRV (Lunar Roving Vehicle) war zum zweiten Mal Bestandteil der Mission und sollte wie schon bei Apollo 15 wesentlich zum wissenschaftlichen Erfolg der Mission beitragen.

Die physikalischen Experimente wurden aufgebaut: Das ALSEP (Apollo Lunar Surface Experiment Package) bestand aus den Experimenten PSE, ASE, HFE, LSM plus das UVC... Sie verstehen nur Bahnhof? Das ist NASA-Sprech. Bei den Akronymen handelt es sich um das passive seismische Experiment, das aktive, dann das Wärmeflussexperiment HFE, dann das Magnetometer und schließlich das UVC, das erste Teleskop auf dem Mond, das eine Kamera zur Aufzeichnung von Messungen im Fernen Ultraviolett hatte und im Schatten der Mondfähre positioniert wurde.

Ein Kabel als Stolperfalle und der falsche Stein

Ein für die erwarteten Ergebnisse folgenschweres Malheur passierte John Young, nachdem Charly Duke nach zwei misslungenen Versuchen bei Apollo 15 und 14 es endlich geschafft hatte, eine Tiefensonde zur Messung des Wärmeflusses einen Meter tief in den Boden zu rammen, Young dann aber, noch bevor das Experiment in Betrieb gehen konnte, über die Kabel stolpert und sie herausriss. Aus Zeitgründen wurde den Astronauten nicht gestattet, zu versuchen, die Kabel wieder hinzupfriemeln. Ein herber Verlust für die Geophysiker!

Dann ging’s mit dem Jeep ins Gelände. Der Backroom konnte es gar nicht erwarten und verfolgte gespannt die Aufnahmen mit den TV-Kameras auf dem Rover. Schon an der ersten Haltestation sahen sie einen schönen großen Felsbrocken. Er sah aus, als habe er glatte Bruchflächen wie bei großen Einzelkristallen (was sich aber nicht bewahrheitete). Duke solle ihn mal mitnehmen, ließ Bill Muehlberger, der Chefgeologe, aus Houston hochfunken. Der Stein lag direkt am Krater Plum, und Duke musste schon ein wenig aufpassen, nicht in den Krater zu rutschen. Außerdem war der Fels groß und ließ sich nicht so leicht packen. Duke kommentierte die Aktion mit einem „Wenn ich deswegen jetzt in den Plum-Krater fliege, dann hat’s Muehlberger aber hinbekommen!“ Aber Duke schaffte es, und obwohl der Stein nach den Vorgaben eigentlich zu groß war, um mitgenommen zu werden, ist er heute mit 11,7 Kilogramm der schwerste Brocken in der Apollo-Kollektion.

Da staubt der Mond! Legendär der als ‚Grand Prix‘ in die Geschichte der Raumfahrt eingegangene Rodeoritt von Kommandant John Young am Ende des ersten Tags auf dem Mond, gefilmt und lebhaft kommentiert von Charly Duke.
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Und was für ein Stein war es? Eine Brekzie mit grauer Matrix und weißen Gesteinstrümmern. Kein Vulkangestein, definitv. Duke erkannte das sofort: Denn obwohl er eigentlich Pilot der US Air Force war, kannte er sich inzwischen mit geologischen Themen recht gut aus, wie auch Young und Mattingly: Die drei Astronauten erhielten in den anderthalb Jahren vor der Mission eine intensive Ausbildung als Feldgeologen im Westen der USA und Kanada und hatten deshalb schon einen geschulten Blick.

Das Pfeifen im Walde der Geologen in Houston

Da war es also, das Problem. Brekzien, überall nur Brekzien. Die alten Hasen im Backroom wollten es nicht glauben, dass sie vollkommen danebenlagen mit ihrer Prognose, einige maulten, die beiden hätten nicht die ‚richtigen‘ Steine gefunden. Aber selbst Ken Mattingly, der bei jedem Orbit mit dem Fernglas zur Landestelle blickte (dort auch die Orion erkannte) und seine Beobachtungen zur Erde funkte, sagte mehrfach, das erinnere ihn nicht wirklich an die Vulkanebenen, die sie den Dreien beim Feldtraining und auf Luftbildern gezeigt haben. Das sei viel zu hügelig und erinnere ihn mehr an die Landschaften um die Oberflächentests mit den Atomsprengsätzen in Nevada, die sie auch besucht hatten.

Mitbringsel für den Mond von der Erde: Charly Duke hinterließ eine Medaille der US Air Force und ein Foto seiner vierköpfigen Familie an der Apollo-16-Landestelle.
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Tatsächlich war Mattingly damit nahe an der später korrigierten Interpretation, wie die Cayley-Ebenen im Descartes-Hochland entstanden sein dürften. Natürlich nicht durch Kernwaffenexplosionen – aber auch durch etwas extrem „Hochenergetisches“: Einschläge! Nach der Mission haben einige der Wissenschaftler ein neues Modell der Entstehung entwickelt. Geologie war damals übrigens noch fast ausschließlich ‚Männersache‘: Eine der ganz wenigen Geowissenschaftlerinnen bei der Vorbereitung und Auswertung von Apollo war übrigens die aus Münster in Westfalen stammende und durch Heirat zur Amerikanerin gewordene Geologin Bärbel Luchitta (geb. Kösters), die am US Geological Survey in Flagstaff, Arizona, mit zahlreichen ausgezeichneten geologischen Karten des Mondes bleibende Spuren hinterließ.

Wenn der Einschlag einen Gesteinsvorhang über den Mond jagt

Bei einem Impakt wird in kürzester Zeit die kinetische Energie des einschlagenden Objekts auf das Ziel übertragen. Vereinfacht ausgedrückt wird dadurch ein bis zu mehrere Kilometer tiefes Becken ausgehoben, und das verdrängte Material wird von diesem Becken in Form eines Vorhangs aus dem herausgeschleuderten Material vom Rand des Beckens weggeschossen – unglaublich viel Masse, mit hoher Geschwindigkeit und also wiederum voller Energie. Doch irgendwann landet auch der Auswurf wieder auf der Oberfläche. Die ‚Unterkante‘ des Auswurfsvorhang rast dabei über die bestehende Landschaft hinweg, wird abgebremst und gestaltet sie neu: indem sie topographische Hindernisse abrasiert und gleichzeitig Material ablagert. Am Ende ist fast alles Gestein des Auswurfvorhangs, in dem durch die mit dem Impakt induzierten Hitze zusammengebackene Brekzien enthalten sind, auf der Oberfläche und bildet dort: Ebenen. So könnte es bei den Cayley-Plains gewesen sein, Altersbestimmungen scheinen dies auch zu bestätigen, sie sind kohärent mit dem Ereignis des Imbrium-Einschlags.

Lerne: Nachschauen und prüfen ist besser als jede Theorie

Apollo 16 war wissenschaftlich ein Lehrstück, wie man es nicht machen sollte: Mit einer vorab festgelegten Interpretation hinfliegen, um sich dann von den Astronauten, ihren Beobachtungen und der Probensammlung diese nur noch bestätigen zu lassen. Lange Gesichter nach der Mission, als die Proben untersucht wurden, und kleinlaute Beiträge bei den einschlägigen Treffen und Konferenzen. Die gute Nachricht war freilich: Es war doch eine gute Idee, ins Descartes-Hochland zu gehen um gründlich nachzusehen, auch um den Preis, damit wissenschaftlich mal daneben gelegen zu haben. Don E. Wilhelms, einer der ganz, ganz großen Mondgeologen mit einem heute noch wichtigen Standardwerk von 1987 („The Geologic History of the Moon“ – die Mond-Bibel schlechthin) kommentierte diese Geschichte in seinem sehr lesenswerten Anekdotenband „To a Rocky Moon“ wie folgt: „Ein Team von Astronauten, mit einer soliden [geologischen] Ausbildung ausgestattet und mit eigener Urteilskraft hatte das Hochland von Descartes so beschrieben, wie es ist, nicht wie es sein sollte. Denn obwohl die vulkanische Hypothese die Auswahl der Landestelle bestimmt hatte, des eigentlichen Landeplatzes und ihres Trainings, hatten sie auch Brekzien bei Sudbury [eine Impaktstruktur in Kanada] gesehen und woanders auch, und konnten sehr gut einen Felsen vom anderen unterscheiden. Ihre Beschreibungen auf dem Mond waren ausgezeichnet; sie waren dort zu Wissenschaftlern geworden.“

Was man halt als ‚Hausmeister‘ des Kommando- und Servicemoduls auf dem Rückflug zur Erde in 320.000 Kilometern Entfernung so zu tun hat: Ken Mattingly baut bei einem Außenbordeinsatz die Filmkassetten aus dem Servicemodul aus und holt sie ins Innere der Kommandokapsel. Charly Duke schoss das Bild.
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Wilhelms ließ noch ein paar (unter Geowissenschaftlern nicht unübliche...) heftige Seitenhiebe auf Physiker folgen („die hätten ja noch nicht einmal eine Idee gehabt, wo sie anfangen sollen“), und der Ursprung der hellen Mondebenen war damit auch noch nicht endgültig geklärt. Für helle Ebenen im Norden der Mondvorderseite wurden so junge Alter gemessen, dass sie nicht mit den letzten großen Impakten von Imbrium (vor 3,85 Mrd. Jahren) und Orientale (3,65 Mrd. Jahre) in Verbindung gebracht werden können. Also doch ein etwas anderer Vulkanismus auf dem Mond? Nicht ausgeschlossen, aber uns fehlen die Proben dazu. Das Mysterium lebt!

Drei EVA’s (Extravehicular Activities) mit dem Rover absolvierten Young und Duke, dann ging’s mit der Orion zurück zu Ken Mattingly in die Mondumlaufbahn. Die nicht mehr benötigte Mondfähre wurde abgestoßen und hätte eigentlich auf einer berechneten Bahn auf dem Mond einschlagen sollen, um den passiven Seismometern ein gutes Signal zur Eichung der Messstrecke geben zu können, doch das misslang. Die Orion trudelte davon und war in einer Mondumlaufbahn. Erst im Jahr darauf stürzte sie ab – wo, weiß man nicht. Das Problem mit dem CSM-Triebwerk war in der Tat keines, und so schoss sich die Crew am 25. April 1972 zurück zur Erde. Mattingly, der während der Mond-Zeit seiner Crew-Mates fleißig Experimente mit Instrumenten im CSM durchführte (nicht alles klappte, wie erwünscht) holte in 320.000 Kilometer Entfernung mit einer EVA an der Außenseite des Servicemoduls die Filmkassetten an Bord.

Harmonisches Finale einer wissenschaftlich wertvollen Mission

Und weiter in Richtung Erde. Das CSM wurde durch deren Anziehungskraft immer schneller, am 27. April trat die Casper nach dem Abtrennen des tonnenförmigen Servicemoduls mit 39.600 km/h in die Erdatmosphäre ein, dabei erhitzte sich der Hitzefrontschild auf über 2500 Grad Celsius. Aber nach 14 Minuten war die letzte kritische Phase der Mission überstanden, und die Kommandokapsel schwebte an drei Fallschirmen auf den Pazifischen Ozean zu. Dort, nahe dem Äquator, wurden die Astronauten von den Froschmännern der USS Ticonderoga geborgen, etwa 350 Kilometer südöstlich der Weihnachtsinseln. Mission accomplished!

War es sogar für den erfahrensten NASA-Astronauten doch ein wenig anstrengend? John Young sind nach 11 Tagen und einer Stunde nach der Bergung im Pazifischen Ozean die Strapazen ins Gesicht geschrieben. Aber was für ein Abenteuer lag hinter ihm!
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Neben der geschilderten wissenschaftlichen Geschichte bleibt noch zu erwähnen, dass Apollo 16 erstmals richtige Bohrkerne aus dem Boden zog, die ebenfalls wichtige Erkenntnisse über Ursprung und Entwicklung der Cayley-Ebenen auf Descartes lieferten. Die Geophone der passiven Seismometer arbeiteten noch Jahre und lieferten zusammen mit den anderen Seismometern allerbeste Daten. John Young hält seit 50 Jahren den Geschwindigkeitsrekord mit 17,1 km/h auf dem Mond (Don E. Wilhelms schreibt sogar von 22 km/h). Es war die Krönung des wohl besten Astronauten, den die NASA je hatte. Ich hatte das Privileg, ihn mit Studenten von Youngs Freund aus diesen Tagen, Jim Head, einem weiteren großartigen Mondgeologen (der sich aber auch getäuscht hatte und mich 1999 noch mal auf dieses Thema ansetzte), dreimal in seinem Haus in Houston besuchen zu dürfen. Dort bestätigte sich Don Wilhelms‘ Charakterisierung von Young: „Er sagt nur was, wenn er was zu sagen hat“. Das aber mit (mond)staubtrockenem Humor, und vor allem immer mit Substanz.

Das letzte Wort soll sein Kompagnon haben, Charly Duke: Der war im Mai 2019 anlässlich der Feiern zum 50. Jahrestag der ersten Mondlandung in Deutschland und auch Gast des DLR. In jener Woche wurde ihm oft die Frage gestellt, wie er mit der Behauptung umgehe, die Amerikaner seien nie auf dem Mond gelandet. Die trockene Antwort: „Wenn wir das hätten faken wollen, dann faken wir doch nur einmal und nicht sechsmal, dass wir auf dem Mond landeten. Das Risiko, dass es beim zweiten, dritten Mal auffliegt, wäre doch viel zu hoch gewesen!“ Dem ist nichts hinzuzufügen.