Forschungsinfrastruktur

DLR_NESTEC – Emulationszentrum für Vernetzte Energiesysteme

Mit dem Emulationszentrum für Vernetzte Energiesysteme („Networked Energy Systems Emulation Centre“; DLR_NESTEC) verfügt das DLR am Institut für Vernetzte Energiesysteme in Oldenburg über eine in dieser Form in Norddeutschland einzigartige Infrastruktur. Sie schließt die Lücke zwischen Computersimulationen, die stets nur Ergebnisse innerhalb der programmierten Parameter liefern, und Feldtests in der realen Welt, die teuer - und manchmal auch gefährlich sein können.

Verteilnetze machen gut 98 Prozent aller elektrischen Netze aus. Sie verbinden konventionelle, zunehmend aber auch wetterabhängige Stromerzeuger wie Wind- und Solarparks mit Verbrauchern in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Teilweise werden diese Verbraucher selbst zu Erzeugern, etwa durch den fortschreitenden PV-Ausbau in Wohngebäuden. Um dieses Zusammenspiel zu erforschen und zu optimieren, hat das DLR im November 2019 das Emulationszentrum für Vernetzte Energiesysteme („Networked Energy Systems Emulation Centre“; DLR_NESTEC) in Oldenburg eröffnet.

Das DLR_NESTEC schließt dabei die Lücke zwischen Computersimulationen, die stets nur Ergebnisse innerhalb der programmierten Parameter liefern, und Feldtests in der realen Welt, die mitunter teuer und gefährlich sein können – für Menschen, für die eingesetzten Geräte und für die Versorgungssicherheit. Das NESTEC-Labor hingegen schafft durch die Emulation einen geschützten Raum, in dem das Verhalten realer Hardware in einem realitätsnah gestalteten Umfeld getestet wird. So können Geräte wie etwa Ladesäulen, Batteriespeicher, Wärmepumpen oder Photovoltaik-Wechselrichter vor Ort aufgebaut und mit einer Umgebung gekoppelt werden, die in Echtzeit verschiedenste Rahmenbedingungen für zu untersuchende Komponenten emuliert. Neben „einfachen“ Tests zur Charakterisierung oder Inbetriebnahme von neuartigen Komponenten und Systemen steht besonders die Integration in vorhandene oder zukünftige Versorgungssysteme im Vordergrund.

Infrastruktur in dieser Form in Norddeutschland einzigartig:

  • Das Labor besitzt 18 voneinander unabhängige Vier-Quadranten-Wechselrichter, die jeweils bis zu 50 kVA liefern oder verbrauchen können. Damit ist es möglich, beispielsweise eine Wohnsiedlung mit 18 Häusern darzustellen, aber auch einzelne Häuser im Zusammenspiel etwa mit einer Freiflächen-Photovoltaik-Anlage, einem Blockheizkraftwerk oder einem Kleinstwindrad. Alternativ lassen sich durch sie innerhalb der Versuchsnetze beliebige Netzteilnehmer darstellen, etwa Ladestationen oder E-Autos. Die Leistung mehrerer Geräte kann über eine Zusammenschaltung aktuell bis 200 kVA steigen.
  • Es verfügt über mehr als 16 bidirektionale Gleichstromquellen/-senken, die jeweils bis zu 15 Kilowatt bei einer maximalen Spannung von 1.500 VDC liefern können. Auch diese können zusammengeschaltet werden, um Anwendungen mit größeren Leistungen zu bedienen.
  • Es kann mithilfe eines 30 kVA-Synchrongenerators die Funktionsweise eines klassischen Kraftwerks nachbilden und die Auswirkungen unterschiedlicher kinetischer Rotationsenergie zur Frequenzerhaltung reproduzieren. Dazu können auf der Welle zwischen Motor und Generator verschiedene Gewichte angebracht werden. Auf diese Weise wird die Rotierende Masse physisch geändert, also nicht lediglich ein Parameter im Modell. Somit lässt sich ein realistischeres Verhalten erzeugen. Betrieben werden kann der Generator zum Beispiel netzstellend oder im Netzfolgebetrieb bei Netzfrequenzen zwischen 40 Hz und 60 Hz. Die Bereitstellung von Blindleistung im Netzfolgebetrieb kann über Veränderung des Wirk-Faktors cosPhi zwischen -0,7 und +0,7 erfolgen.
  • Das Labor verfügt über ein Echtzeitsimulationssystem, auf dem der Hauptteil der Simulationen und die Modelle für die Hardware laufen. Mögliche Anwendungen sind unter anderem Hardware-in-the-Loop (HiL), Power-Hardware-in-the-Loop (PHiL), Rapid Control Prototyping (RCP) und Grids-in-the-Loop.  
    Ein konkretes Beispiel für eine PHiL-Simulation wäre die Aufteilung von Spannungsebenen auf Simulations- und Hardware-Komponente. Die Niederspannungsebene würde in diesem Fall mit den Laborkomponenten abgebildet werden und die Mittelspannung simulativ. Während der Durchführung werden permanent Daten aus dem Mittelspannungsnetz an die Hardware gesendet und die Reaktion darauf auch wieder in die Simulation zurückgegeben. Alternativ lässt sich Niederspannungsnetz in mehrere Teile unterteilen. Auf diese Weise kann der Versuch in der Simulation mit Hardware auch auf ein geografisch getrenntes Labor ausgedehnt werden.
  • Das Echtzeitsystem besitzt 128 analoge Ausgänge und die gleiche Anzahl Eingänge mit ±10 V bei 5 MSPS und 16 Bit Auflösung. Dadurch kann die gleiche Anzahl einphasiger oder 42 dreiphasige Geräte angesteuert werden. Hinzu kommen 128 digitale I/O bei 12 V/24 V.
  • Für den Aufbau der elektrische Versuchsnetze werden maßgefertigte Leitungsnachbildungen verwendet, um die physikalischen Eigenschaften realitätsnah darstellen zu können. Das DLR_NESTEC besitzt unter anderem Nachbildungen für Leitungen NAYY 4x35mm² à 50 Meter. Damit werden auch ohmsche, induktive und kapazitive Effekte in den Netzen berücksichtigt.
  • Zum Labor gehören drei Ladesäulen für E-Fahrzeuge mit jeweils 43 kWAC und 50 KWDC, die bei Bedarf von der Versorgung aus dem öffentlichen Netz direkt in die Versuche integriert werden können. So ist es möglich, das Verhalten von echten Fahrzeugen im elektrischen Netz zu untersuchen.
  • Das Labor verfügt über verschiedene Messtechnik, um Versuchsergebnisse aufzuzeichnen oder auch reale Komponenten zu vermessen und zu charakterisieren (auch im Feld). Unter anderem hat das DLR_NESTEC mehrere Leistungsanalysatoren mit jeweils vier Kanälen bis 2000 V und 2000 A bei Abtastraten bis 15 MS/s bei 16 Bit oder 1MS/s bei 24 Bit.

Versuche mit Extrembelastungen ohne Risiko für die Außenwelt

Die Versorgung des 180 Quadratmeter großen Laborkomplexes wird über einen eigenen 800 kVA Anschluss an das Mittelspannungsnetz sichergestellt. Versuche können so autark von den übrigen Bereichen des Institutsgebäudes durchgeführt werden. Da alles isoliert stattfindet, bedeuten auch Versuche mit Extrembelastungen im DLR_NESTEC keinerlei Risiko für die Außenwelt. Um bei Bedarf dennoch weitere Labore, Anlagen oder Experimente in Versuche integrieren zu können, verbinden mehrere Kabel mit je 100 kVA Übertragungskapazität das DLR_NESTEC mit weiteren spezialisierten Laboren des Institutsgebäudes.

Die Infrastruktur des DLR_NESTEC steht grundsätzlich allen Forschungsbereichen des Instituts zur Verfügung. Aber auch externen Forschenden in Wissenschaft und Wirtschaft steht die Nutzung offen: So arbeitet das DLR_NESTEC-Team mit Gruppen in mehreren anderen Laboren zusammen, sowohl innerhalb des DLR als auch an anderen Institutionen, die mit spezieller Leistungshardware ausgestattet sind. Ein weiterer Vorteil des DLR_NESTEC: Es ist es nicht erforderlich, die externe Hardware nach Oldenburg zu bringen, da das Labor mit einer Co-Simulationsumgebung ausgestattet ist, die es uns ermöglicht, zwei oder mehr Labore zu koppeln.

Smart-Grid-Operator zur Erforschung von KI-Verfahren zur Netzbetriebsführung

Eine konsequente Weiterentwicklung des DLR_NESTEC stellt gut vier Jahre nach seinem Start die Digitalisierung des Labors dar: Durch die Installation eines Smart-Grid-Operators können hier Algorithmen für die Netzsteuerung in einem realen Umfeld erprobt und bewertet werden. Mit der neuen Steuerzentrale verfügt das DLR_NESTEC über ein Testfeld, in dem sich beispielsweise KI-Verfahren zur Netzbetriebsführung erforschen lassen oder auch die Kommunikation zwischen unterschiedlichsten Marktteilnehmern für kommerzielle Markt-Transaktionen.

Ziel der Laborerweiterung ist es, die Potenziale des digitalisierten Energieverteilnetznetzes zu nutzen und zugleich die hohe Betriebssicherheit zu bewahren. Dies ist erforderlich, um die Digitalisierung der Verteilnetze voranzutreiben.

Die wesentlichen Forschungsfelder des DLR_NESTEC

• Umrichter dominierte Netze durch Abschaltung konventioneller Kraftwerke

• DC-Netze und Hybrid-Strukturen (z. B.: Strom und Gas)

• Systemdienstleistungen und Systemstabilität

• Betriebsführungsstrategien auf Basis innovativer Datenquellen (z. B. Kurzfristprognosen)

• Sektorenintegration/-kopplung

• Elektromobilität (HPC, Bidirektionales Laden, Systemdienstleistungen)

• Lokale/dezentrale Energiemanagementsysteme

• Ladestrategien in der E-Mobilität

• Smartmeter, Smart City & Digitalisierung

• Energetische Nachbarschaften und Incentivierungs-Strategien

Leistungen (Leistungsfähigkeit, Key Features)

• Realbetrieb in einer sicheren Umgebung

• System und Komponenten Tests

• Kopplung von Simulationen und realen Komponenten

• Power-Hardware-in-the-Loop (PHiL) & Rapid Control Prototyping

• Einbindung externer Simulatoren, Komponenten oder Labore in Versuche

• Charakterisierung und Modellierung realer Komponenten

• Versuche mit Leistungen bis 400 kVA

Weitere Informationen zum Thema:

Kontakt

Flexibilitäten und Systemdienstleistungen

Forschungsgruppe
Institut für Vernetzte Energiesysteme
Carl-von-Ossietzky-Str. 15, 26129 Oldenburg