Ambatoarinit aus Abi-Kambana/Madagaskar. Phosgenit aus
Monteponi, Sardinien/Italien. Grünlich schimmernder Malachit
aus der Provinz Shaba in der Demokratischen Republik Kongo.
Oder halt Eisen aus Bühl bei Kassel in Hessen. Schon die Namen
zergehen auf der Zunge, zeugen von Ferne und Nähe – und
davon, wie akribisch Wissenschaft sein muss. 312.000 Proben
lagern in der mineralogisch-petrographischen Sammlung des
Berliner Museums für Naturkunde. In dem meterhohen Raum
müsste es eigentlich anders riechen, mehr nach Geschichte,
nach Staub und vergangenen Zeiten, eher ein wenig muffig.
Doch die Reinigungskräfte der Moderne lassen das nicht zu.
Und so sind es die ehrwürdigen Vitrinen, auf Hochglanz
poliert, und die sorgfältig beschrifteten Ausstellungsstücke, die
den Besucher ins 19. Jahrhundert befördern. Kleine Knäufe zie-
ren die hölzernen Vitrinenrahmen, hinter deren Scheiben präzise
aufgereiht die verschiedenen Mineralien präsentiert werden, lie-
bevoll mit kleinen Zetteln beschriftet. Auf Ausziehbrettern könn-
ten Unterlagen oder Sammlungsobjekte abgelegt werden. Jedes
Räuspern und jeder noch so kleine Nieser hallen laut durch den
hohen Raum und werden wieder zu den Besuchern zurückge-
worfen. Ganz besondere Ausstellungsstücke wie zum Beispiel
ein riesiger, violetter Amethyst aus Brasilien thronen auf dunklen
Holzhockern.
Knochiger Rekord
Das größte Ausstellungsstück des Naturkundemuseums
passt allerdings nicht auf einen Holzhocker: Über dem Skelett
eines mächtigen Saurierrumpfs schwebt in 13,27 Meter Höhe
winzig klein der Kopf des Brachiosaurus-Skeletts. Nur wer den
Kopf in den Nacken legt und entlang des dürren Knochenhalses
nach oben blickt, sieht, wo einst das Hirn des Urtiers gesessen
hat. Damit selbst der kleine Kopf noch mit Blut versorgt wurde,
muss in der Brust des Sauriers wohl ein 400 Kilogramm schwe-
res Herz geschlagen haben. Von 1909 bis 1913 ging die Expedi-
tion zum Tendaguru-Berg im heutigen südöstlichen Tansania,
bei der die Forscher auf das bislang größte, vollständig erhalte-
Im Jahr 1810 wird das Museum für Naturkunde zunächst in Berlin Unter den Linden gegründet. Aber schon 1880 platzt es
aus allen Nähten, mittlerweile füllen die Sammlungen zwei Drittel des Berliner Universitätsgebäudes. Kaiser Wilhelm II.
persönlich eröffnet den neuen Museumsbau in der Invalidenstraße. Seitdem verfolgt das Naturkundemuseum vor allem
zwei Ziele: sammeln und forschen. Dabei schafft es das über 200 Jahre alte Haus, mühelos den Flair aus einer Zeit aufrecht-
zuerhalten, in der Museen belehrten und erstaunten. Über 30 Millionen Sammlungsstücke befinden sich im öffentlichen
Ausstellungsteil und schlummern in Sammlungen, die nur Forschern zugänglich sind: 10 Millionen Wirbellose, 15 Millionen
Insekten, 130.000 Fische, 180.000 Säugetiere, 120.000 Tonaufnahmen im Tierstimmenarchiv …
Zwischen Nostalgie und Moderne: ein Rundgang
durch das Berliner Museum für Naturkunde
Von Manuela Braun
Schwelgen
im Sammelsurium
Bekannt ist das Museum für Naturkunde vor
allem für sein über 13 Meter hohes Dinosau-
rierskelett, das es bis zum Guinness World
Record brachte
ne Dinosaurierskelett weltweit stießen und insgesamt 250 Ton-
nen versteinerte Saurierknochen nach Berlin brachten. „Tallest
mounted dinosaur skeleton“ – eine offizielle Urkunde erklärt
den Berliner Brachiosaurus zum Guinness World Record. Wie
blank poliertes Holz wirken die riesigen Knochen des Vegetari-
ers, der fast die gesamte Haupthalle mit dem matten Glasdach
einnimmt.
Das Museum macht es seinen Besuchern leicht und über-
schüttet sie nicht mit Unmengen an Fakten. Kurz und knapp
heißt es: „Der Dinosaurier Brachiosaurus hatte gigantische Aus-
maße: so hoch wie ein vierstöckiges Haus und so schwer wie
zehn große Elefanten. Das Tier wog vor seinem Tod etwa 50
Tonnen.“ Eine anschauliche Beschreibung, denn welcher Besu-
cher kennt sich mit Dinosauriern und ihrem Gewicht aus? Mehr-
stöckige Häuser und große Elefanten sagen jedem etwas.
Überhaupt: Das Naturkundemuseum hat ein geschicktes
Händchen, wenn es die Brücke zwischen altehrwürdigen Samm-
lerstücken und modernen Ansprüchen schlägt. Gute Vergleiche,
der Verzicht auf zu detaillierte, ermüdende Fakten und originelle
Methoden vermitteln Wissen – ohne laut oder reißerisch zu sein.
Zum Beispiel können vier „Ferngläser“ auf die verschiedenen
Saurierskelette der Halle gerichtet werden und erkennen, wel-
ches Urtier gerade im Blick ist. Dann beginnt eine Animation,
bei der sich die Knochen des jeweiligen Dinos virtuell mit Fleisch
füllen, Muskeln von Gelenk zu Gelenk wachsen und schließlich
der fertige Saurier grasend durch die Natur schreitet. Je nach-
dem, welchen Saurier der Besucher mit seinem sogenannten
„Juraskop“ anpeilt, wird die entsprechende Animation gestartet.
Fast feierlich wird es dann in dem kleinen Kabinett, in
dem das Museum den Urvogel Archaeopeteryx lithographica
ausstellt. Mal fällt das Licht von links auf die reliefartige Verstei-
nerung, mal von rechts – und jedes Mal wird der Urvogel noch
plastischer und somit fast ein wenig lebendig. Keine schlechte
Leistung für das 150 Millionen Jahre alte entwicklungsgeschicht-
liche Bindeglied zwischen Vögeln und Sauriern.
Bilder: Museum für Naturkunde
IN MuseEN GESEHEN
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DLR
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1...,36-37,38-39,40-41,42-43,44-45,46-47,48-49,50-51,52-53,54-55 58-59,60-61,62-63,64