sogar ferngeführt werden. Ein besonders anspruchsvolles Pro-
jekt war der Flug von sogenannten Mars-Parabeln. Dabei ging
es steil in den Himmel hinauf und im Sturzflug wieder herunter –
immer und immer wieder. Hinauf ging es mit doppelter Schwer-
kraft und hinab dann federleicht bei Mars-Schwerkraft, fast wie
auf dem Roten Planeten.
Erleichterte Ankunft
Im Anflug auf den Regionalflugplatz Schleißheim erwartete
ATTAS ein Hubschrauber der Bundespolizei, der den Forschungs-
flieger auf dem letzten Wegstück begleitete. Für die Landung
hatte das Flugzeug Gewicht lassen müssen. Der langjährige
DLR-Flugversuchsingenieur Michael Preß hatte die zahlreichen
Rechnersysteme in der Kabine vor dem Flug demontiert. Kein
Passagier, kein unnötiges Gepäck war an Bord, denn es galt, auf
einer für Jets dieser Größe äußerst kurzen Bahn sicher zu landen.
Auf dem Flugplatz hatten sich die Einsatzkräfte der
Schleißheimer Feuerwehr und Polizei postiert, um die Landung
abzusichern. Selbst ein Löschfahrzeug des Münchener Flugha-
fens war vor Ort. Im Tiefflug überquerte ATTAS die nahegelege-
ne Autobahn, dahinter Wald, dann die große weiße Fläche des
Flugplatzes, durchzogen von einer schwarzen Linie, der freige-
legten Landebahn. Hans-Jürgen Berns steuerte den Forschungs-
flieger gekonnt Stück für Stück dem Aufsetzpunkt entgegen.
Ein kleiner Follow-Me-Smart neben der Bahn markierte die an-
zuvisierende Aufsetzstelle deutlich.
Eine letzte Straße, ein letztes Stück Zaun rauschte unter
dem ATTAS-Bug hinweg. Die dünne Schneeschicht wurde auf-
gewirbelt, dann die Punktlandung der Piloten. Bereits nach 600
Metern kam ATTAS zum Stehen, 200 Meter früher als nötig.
Dann ging alles ganz schnell. Der blinkende Smart fuhr
ATTAS entgegen, als die Piloten bereits eine Wendung auf der
Landebahn vollführten. Sie folgten ihm quer über eine gefrore-
ne und leicht mit Schnee bedeckte Gras-Piste hinüber zum Ge-
lände der Flugwerft. Die VFW-614 ATTAS war hier in ihrem Ele-
ment, denn einst hatten die Ingenieure diesen Typ mit höher
montierten Triebwerken und ausklappbarer Fahrgasttreppe für
den Flugbetrieb auf unbefestigten Airports entworfen. Vor dem
Aussichtsturm der Flugwerft, auf dem Vorplatz des alten Han-
gars, parkten die Piloten den Forschungsflieger und ließen die
Triebwerke auslaufen. Die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr,
Flugplatz und Museum folgten und empfingen die Piloten in der
klirrenden Dezemberkälte.
Die Verschnaufpause vor der Flugwerft währte dann doch
noch einen guten Monat. ATTAS musste auf Rollen gestellt wer-
den, um in die gläserne Werkstatt der Flugwerft hineingezogen
zu werden. Die Anlieferung der dazu bestimmten, sogenannten
„Kuller“ stand noch aus. In der Zeit des Wartens wurde hin und
wieder das Hilfstriebwerk angeworfen, um den Forschungsflie-
ger zu durchlüften.
Am 9. Januar 2013 war es schließlich so weit, ein Truck
fuhr vor und ATTAS wurde auf Rollen gestellt. Mitarbeiter des
Museums legten Seile um das Flugzeug, die sie am Truck befes-
tigten. Schritt für Schritt zogen sie ATTAS schräg in die gläserne
Werkstatt. Wegen der Tragflächenspannweite von 21 Metern
passte ATTAS nur diagonal hinein. Der Platz war so knapp, dass
der markante Nasenmast des Forschungsfliegers für die Zeit
des Hineinrollens demontiert werden musste. In der Werkstatt
ließen die Techniker das letzte Kerosin aus den Treibstofftanks
und -leitungen laufen. Die vielen Bordrechner der Messanlage,
die aus Gewichtsgründen über Land ins Museum transportiert
worden waren, standen schon zum Wiedereinbau bereit.
Transparente Elemente verschaffen Einblick
Bis ATTAS neben dem Düsenjet X-31 im großen gläsernen
Hangar der Flugwerft Schleißheim zu bewundern sein wird, sind
noch einige Umbauten geplant: Teile des Fußbodens werden
demontiert und durch transparente Elemente ersetzt, um den
Blick auf die darunter liegende Technik mit ihren vielen Kabeln
freizulegen. Auch die Verglasung des Hecks ist im Gespräch.
Dann wäre das Hilfstriebwerk der VFW-614, die sogenannte
APU, direkt von außen zu erkennen.
Noch dauern die Arbeiten an. Doch schon jetzt können
Schaulustige in der gläsernen Werkstatt von einer Tribüne aus
ATTAS bestaunen. In einigen Monaten wird der geflügelte Bot-
schafter des DLR ein Forschungsflieger zum Anfassen für alle
sein – ein Highlight in der Luftfahrtsammlung des Deutschen
Museums.
Weitere Informationen:
Der Luftfahrtkurator des Deutschen Museums Dr.-Ing. Ludwig Dorn
(Mitte) bei der Absprache mit den Einsatzkräften der Feuerwehr, von
denen die Landung abgesichert wurde
In Parkposition vor dem historischen Gebäude der Flugwerft Schleißheim
Punktgenau setzt ATTAS in Schleißheim auf
ATTAS-Laufbahn
1978
Erstflug bei VFW-Fokker in Lemwerder
bei Bremen
1982-1984 Umrüstung zum Flugversuchsträger
1985
Übernahme durch die DFVLR (heute DLR)
1986-1989
Erprobung einer elektrohydraulischen
Fly-by-Wire-Steuerung
1990
Erste In-Flight-Simulation
1992-2004
Flugführungsexperimente mit Experimen-
talcockpit in der Kabine
1999-2005
Modernisierung des Versuchssystems
(u. a. neue Computer, LCD-Displays)
2001
Erweiterung des Flugbereichs der Fly-by-
Wire-Steuerung auf Landemanöver
2001-2011
Diverse Messkampagnen, u. a. In-Flight-
Simulation Do728 und Nurflügler sowie
Wirbelschleppenvermessung
2012
Außerdienststellung, Überführung ins
Deutsche Museum, Flugwerft Schleißheim
2013
Umbau in der gläsernen Werkstatt der
Flugwerft Schleißheim
Bild: Deutsches Museum
Signatur auf ATTAS‘ Bugradklappe: DLR-Flugversuchsingenieur Michael
Preß fügt seine Unterschrift zu denen seiner beiden Piloten-Kollegen
hinzu
Bild: Bundespolizei
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