7. September 2023

Inbetriebnahme von Europas größter Anlage für solare Industrie-Prozesswärme in Turnhout/Belgien

Eine Parabolrinnenanlage mit Speicher versorgt ein Werk des Unternehmens Avery Dennison in Turnhout/Belgien zukünftig mit solar erzeugter Prozesswärme. Aktuell ist dies die größte industrielle solare Prozesswärmeanlage in Europa.
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Avery Dennison

  • Das Unternehmen Avery Dennison bezieht in seinem Werk in Turnhout nun solare Prozesswärme aus einer Parabolrinnenanlage
  • DLR Institut für Solarforschung hat zusammen mit Industriepartnern die Leistungsübergabestation entwickelt, die das Solarfeld mit dem Speicher und der Produktion verbindet
  • Tinne van der Straeten, belgische Ministerin für Energie, gratulierte persönlich zum Betriebsstart der Anlage am 6. September
  • Das Solarfeld erzeugt Wärme von Temperaturen bei ca. 280 Grad Celsius für den teilweisen solaren Betrieb der Trockenöfen in den Produktionslinien für das Beschichten von Klebebändern. Die Produkte kommen unter anderem in der Automobilindustrie, im Baugewerbe, in der Medizintechnik und der Körperpflege zur Anwendung.

Ein Werk des Unternehmens Avery Dennison in Turnhout, Belgien, bezieht jetzt einen Teil seiner Prozesswärme aus einem Parabolrinnen-Solarfeld. Das DLR war an der Entwicklung der Leistungsübergabestation beteiligt, der Schnittstelle zwischen Solarfeld, Wärmespeicher und Industrieproduktion.

Die Solaranlage in Turnhout ist mit 5.540 Quadratmeter Kollektorfläche aktuell die größte europäische Parabolrinnenanlage für industrielle Prozesswärme.

Tinne Van der Straeten, die belgische Energieministerin, und Vertreter von EnergyNest, Avery Dennison, Campina Energy und Azteq drücken den symbolischen Startknopf der Anlage. Personen im Bild (von l.n.r.): Christian Thiel, CEO EnergyNest, Mariana Rodriguez, Vice President und General Manager Avery Dennison Performance Tapes Europe, Minister Tinne Van der Straeten, Belgische Ministerin für Energie, Jef Van Eyck, CEO Campina Energie, Koen Vermout, CEO Azteq.
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Avery Dennison

Avery Dennison erwartet einen Jahresertrag von bis zu 2,7 Gigawattstunden Wärmeenergie. Im Solarfeld konzentrieren Parabolspiegel das Sonnenlicht und lenken es auf Rohre, die mit einem Silikonöl gefüllt sind und die Sonnenenergie in Wärme umwandeln. Das heiße Silikonöl fließt vom Solarfeld aus in einem Kreislauf zu einem Wärmeübertrager und fließt zurück ins Solarfeld, nachdem es die Wärme dort an ein anderes Thermoöl abgegeben hat. In sogenannten Sekundärkreislauf wird die Wärme zu den Trocknungsöfen der Produktionslinien für das Beschichten von Klebebändern geleitet.

Damit spart das Unternehmen nach eigenen Angaben 2,3 Gigawattstunden Gas pro Jahr, wodurch die Treibhausgasemissionen des Werks jährlich um durchschnittlich 9 Prozent sinken. In den Sommermonaten und bei hoher Sonneneinstrahlung wird die Anlage bis zu 100 Prozent des Wärmebedarfs des Werks decken.

"Wir haben uns viel vorgenommen, um den Klimawandel zu bekämpfen und bis 2050 einen Netto-Nullverbrauch zu erreichen. Um diese Ziele zu erreichen, werden wir alle unsere industriellen Prozesse überprüfen und Möglichkeiten für die Einführung neuer Technologien zur Dekarbonisierung und zur Verringerung unserer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ermitteln. Die erfolgreiche Inbetriebnahme des Projekts in Turnhout ist ein großer Schritt nach vorne in unseren Nachhaltigkeitsplänen", sagt Mariana Rodriguez, General Manager, Avery Dennison Performance Tapes Europe.

Robert Pitz-Paal, Direktor des DLR-Instituts für Solarforschung: „Die Anlage von Avery Dennison zeigt, dass konzentrierende Solartechnik auch unter den solaren Bedingungen von Mitteleuropa hohe Temperaturen für Produktionsprozesse erzeugen kann. Es braucht visionäre Unternehmen wie Avery Dennison, damit sich CST zur Erzeugung von Industrieprozesswärme etabliert. Ich bin überzeugt, dass dieses Projekt auch für Industrieunternehmen in Deutschland ein Vorbild sein wird.“

Im einer Diskussionsrunde im Rahmen der Einweihungsfeier erörterten Experten aus Industrie und Forschung die Potentiale von konzentrierter Solarwärme für Industrieunternehmen und die Energiewende. Personen im Bild, v.l.nr.: Dr. Christian Thiel, CEO EnergyNEST, Jef VanEyck, CEO Campina Energie, Prof. Dr.-Ing. Robert Pitz-Paal, DLR - Koen Vermout, CEO AZTEQ, Jan Willekens, Technology Director EU, Avery Dennison.
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Standardprozesse sollen die Kosten weiter senken

Das Projekt ist eine Zusammenarbeit von Avery Dennison mit Azteq, einem Unternehmen, das CST-Anlagen baut, entwickelt und wartet, mit ENERGYNEST, einem Anbieter von Langzeitspeichern für thermische Energie, und mit der lokalen Gemeinde Campina Energie, die einen Teil der Projektfinanzierung sichergestellt hat. Weitere Partner von Azteq waren das Unternehmen Solarlite CSP Technology GmbH, das die Kollektoren für das Solarfeld lieferte, und AURA, das für die Entwicklung der Stromübergabestation verantwortlich war.
Das DLR-Institut für Solarforschung und AURA arbeiten mit weiteren Partnern im Forschungsprojekt Modulus an der Standardisierung dieser Schnittstelle.

Rechts im Bild zu sehen ist die Leistungsübergabestation mit dem angeschlossenen thermische Speicher. Sie steuert die Übergabe der Wärme aus dem Solarfeld an den Speicher und das Prozesswärmesystem der Produktion.
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Avery Dennison

Die Projektbeteiligten DLR, AURA, die Kollektorhersteller Solarlite, Industrial Solar und Protarget sowie das Fraunhofer ISE wollen die Prozesse, die die Integration solarer Wärme in das industrielle Prozesswärmesystem steuern so standardisieren, dass sie modular für unterschiedliche Anlagen nutzbar sind. Bisher wird jede Leistungsübergabestation individuell geplant und in einigen Fällen am Anlagenstandort angefertigt. Eine Standard-Station wird die Gesamtkosten und das Fehlerrisiko erheblich reduzieren. Im Projekt Modulus, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit 2,2 Mio. € gefördert wird  sollen drei verschiedene Typen von Leistungsübergabestationen entwickelt und erprobt werden, eine mit dem Wärmeträgermedium Thermoöl, eine mit Dampf und eine dritte mit Luft auf der Nutzerseite.

Die Leistungsübergabestation im Werk von Avery Dennison dient den Projektbeteiligten als Pilotbetrieb des Anlagentyps, der auf der Nutzerseite Thermoöl als Wärmeträgermedium verwendet. Sie können hier die Leistungsdaten aus dem realen Betrieb erfassen, auswerten und die Erkenntnisse für die Entwicklung von standardisierten Prozessen nutzen.

Avery Dennison

Die Avery Dennison Corporation ist ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich der Selbstklebematerialien und -technologien. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Glendale, Kalifornien, und beschäftigt mehr als 32.000 Mitarbeiter in über 50 Ländern.

Kontakt

Elke Reuschenbach

Leiterin Institutskommunikation
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Solarforschung
Linder Höhe, 51147 Köln-Porz
Tel: +49 2203 601-4153