Herschel

ESA/D. Ducros

Das europäische Infrarot-Observatorium

Herschel (früher als „FIRST“ bezeichnet) war die letzte Cornerstone-Mission des Horizont 2000-Programms der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Als erstes Weltraumobservatorium deckte Herschel den kompletten Wellenlängenbereich des Fernen Infrarot (FIR) bis hin zum Sub-Millimeter-Bereich (60 - 670 Mikrometer) ab. Es wurde nach dem deutsch-britischen Astronomen Sir Friedrich Wilhelm Herschel (1738-1822) benannt, der im Jahr 1800 die Infrarotstrahlung („Wärmestrahlung“) entdeckte.

Start: 14. Mai 2009, Missionsende: 29. April 2013

Herschel war das Nachfolgeprojekt des Infrarot-Observatoriums Infrared Space Observatory (ISO) der ESA, das von 1995 bis 1998 im Weltraum in Betrieb war. Herschel war im Vergleich dazu aber in allen Bereichen noch einmal deutlich leistungsfähiger.

Eine große technische Herausforderung bei Herschel war die Kühlung der Instrumente. Sie war notwendig, weil die Experimente unter den im Orbit herrschenden Bedingungen selbst Infrarotstrahlung emittieren und über einen störenden Rausch-Untergrund die Messempfindlichkeit stark herabsetzen würden. Daher waren die Instrumente in einen Kryostaten integriert, der sie mit 2000 Litern superflüssigen Heliums, das ständig langsam verdampfte, auf cirka minus 271 Grad Celsius kühlte. Daneben wurde das Teleskop durch einen Sonnenschild permanent im Schatten gehalten. Durch die Abstrahlung in den kalten Weltraum wurde es passiv auf unter minus 180 Grad Celsius gekühlt.

Der Hauptspiegel des Teleskops hat einen Durchmesser von 3,5 Metern. Es war damit das bis heute größte Weltraumteleskop (Zum Vergleich: Der Hauptspiegel des Hubble-Weltraumteleskops hat einen Durchmesser von 2,4 Metern). Aus Gewichtsgründen wurde der Spiegel aus dem keramischen Material Siliziumkarbid (SiC) gefertigt, das zum ersten Mal bei einem Spiegel dieser Größe eingesetzt wurde.

Nach dem Start am 14. Mai 2009 wurde das Herschel-Observatorium 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt in einem Orbit um den zweiten Lagrange-Punkt (L2) des Erde-Sonne Systems platziert. Dieser Ort ist besonders geeignet, da dort die Störungen durch die Infrarot-Strahlung der Sonne und der Erde minimal sind.

Am 29. April 2013 endete die aktive Mission von Herschel, als das Kühlmittel Helium verbraucht war. Herschel wurde vom ESA-Kontrollzentrum auf eine sichere Umlaufbahn um die Sonne geschickt und schließlich abgeschaltet. Die Arbeiten am Boden gehen jedoch noch einige Jahre weiter: Die gewonnenen wissenschaftlichen Daten müssen noch recht aufwendig nachbearbeitet werden, um sie für die Wissenschaft lange nutzbar zu machen. So werden zum Beispiel auch minimale Effekte, wie kleinste Bewegungen der Raumsonde während der Beobachtungen, herausgerechnet. Anschließend werden die Daten archiviert und stehen den Forschern weltweit zur Verfügung.

Wissenschaftliche Ziele

Der Wellenlängenbereich von Herschel schließt die Lücke zwischen dem Bereich des elektromagnetischen Spektrums, der vom Boden aus zugänglich ist und dem, der von früheren Weltraummissionen abgedeckt wurde. In diesem Spektralbereich liegt das Strahlungsmaximum schwarzer Körper mit einer Temperatur von fünf bis 50 Kelvin. Gas und Molekülwolken mit einer Temperatur zwischen zehn und einigen 100 Kelvin haben bei diesen Wellenlängen starke Emissionslinien. Wärmestrahlung von Staubpartikeln stellt eine verbreitete Quelle kontinuierlicher Strahlung in diesem Wellenlängenbereich dar. Diese Strahlungsquellen finden sich vielfach in unserer Milchstraße aber auch in weiter entfernten Gebieten des Universums. Da Herschel diesen Wellenlängenbereich teilweise zum ersten Mal untersuche, machte man eine Fülle neuer Beobachtungen und Entdeckungen:

  • Durch tiefe Himmelsdurchmusterungen wurde die Bildung und Entwicklung von Galaxien vom jungen Universum bis zur Gegenwart untersucht.
  • Besonders interessante Objekte, die bei diesen Durchmusterungen entdeckt wurden, konnten durch Folgebeobachtungen im Detail studiert werden. Man erhielt so wichtige Informationen über die physikalischen Prozesse in Galaxien.
  • Die Erforschung der physikalischen und chemischen Prozesse des interstellaren Mediums gab Einsicht in die Vorgänge bei der Bildung von Sternen aus Molekülwolken sowohl in unserer eigenen Milchstraße als auch in anderen Galaxien.
  • Die quantitative Analyse der Chemie von Gas und Staub lieferte wichtige Informationen über die physikalischen und chemischen Vorgänge bei der Entstehung und den frühen Entwicklungsstadien von Sternen.
  • Mit hochauflösender Spektroskopie wurden auch die Beschaffenheit von Kometen und der Atmosphären bzw. Oberflächen der Planeten in unserem Sonnensystem untersucht.

Wissenschaftliche Nutzlast

Herschel trug drei wissenschaftliche Instrumente:

Instrument

Kurzbeschreibung

Principal Investigator (PI)

HIFI
(Heterodyne Instrument for the Far Infrared)
Hochauflösendes Heterodyn-Spektrometer
157 - 625 Mikrometer
Thijs de Graauw,
Netherlands Institute for Space Research (SRON)
(Groningen, Niederlande)
PACS
(Photodetector Array Camera and Spectrometer)
Abbildendes Photometer / Integral Field Spektrometer
57 - 210 Mikrometer
Albrecht Poglitsch,
Max-Planck Institut für extraterrestrische Physik (MPE)
(Garching, Deutschland)
SPIRE
(Spectral and Photometric Imaging Receiver)
Abbildendes Photometer / Abbildendes Fourier-Transform-Spektrometer
200 - 670 Mikrometer
Matthew Griffin, University of Wales (Cardiff, Großbritannien)

Neben verschiedenen europäischen Nationen beteiligte sich auch die NASA am Herschel-Projekt. Sie stellte Komponenten für die Instrumente HIFI und SPIRE bei und baute ein eigenes wissenschaftliches Betriebszentrum auf. 

Deutsche Beiträge zu Herschel (PACS und HIFI)

Der 3,5 Meter-Teleskopspiegel des Herschel-Observatoriums
Der riesige Spiegel (Durchmesser: 3,5 Meter) des Infrarot-Weltraumteleskops der ESA vor seiner Integration in den Satelliten.
Credit:

ESA

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PACS wurdeunter der Leitung des deutschen PI Dr. A. Poglitsch vom Max-Planck Institut für extraterrestrische Physik (MPE), Garching, entwickelt. Das MPE war dabei für den Gesamtentwurf des Instruments, die Fokalebenen-Einheit, die Detektoren des Spektrometerkanals, die Filterräder und die Gesamtintegration verantwortlich. Ein größerer Teil der Arbeiten wurde im Auftrag des MPE von den Firmen Kayser-Threde GmbH, München, und ASTEQ Applied Space Techniques GmbH, Kelkheim/Taunus, durchgeführt. Das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg steuerte einen Kippspiegel bei, der bei der Carl Zeiss AG, Oberkochen, hergestellt wurde.

Zusätzlich zu den Beiträgen zur Instrumentenentwicklung trug Deutschland auch den größten Anteil der Kosten für das so genannte „Instrument Control Center“ (ICC). Die Aufgabe des ICC war der Betrieb der Instrumente während der Mission. Seit dem Ende der aktiven Mission werden dort die Messdaten nachkalibriert, korrigiert und archiviert. Deutschland trug auch einen wesentlichen Anteil am Bau des Instrumentes HIFI, das unter der Leitung des niederländischen PI Th. de Graauw entwickelt wurde. Prof. J. Stutzki (Universität Köln) koordinierte als Co-PI die deutschen Instrumentenbeiträge zu HIFI.

Die Universität Köln entwickelte darüber hinaus ein Mischerelement für Band 2 und als Backend ein akusto-optisches Spektrometer (AOS). Die zum AOS zugehörige Elektronik wurde vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau (jetzt: Göttingen) hergestellt. Das Local-Oscillator-Subsystem wurde unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn entwickelt. Auch das „Instrument Control Center“ für HIFI wurde in der Betriebsphase von Deutschland unterstützt und arbeitet nun ebenfalls an der Aufbereitung und Archivierung der HIFI-Daten.

Allgemeine Parameter des Herschel-Satelliten und der Mission:

  
Start:
14. Mai 2009 von Kourou, Franz. Guayana
Trägerrakete:
Ariane 5 ECA (zusammen mit dem Planck-Satelliten)
Orbit:
Lissajous-Orbit um den Lagrange-Punkt L2
Missionsdauer:
Fast 4 Jahre (ursprüngliche Planung: 3 Jahre)
Die Missionszeit war begrenzt durch den Vorrat des Kühlmittels (flüssiges Helium) und endete am 29. April 2013
Gesamtmasse des Satelliten beim Start:
ca. 3.400 Kilogramm
Teleskopdurchmesser:
3,5 Meter
Äußere Abmessungen des Satelliten:
Höhe: 9 Meter
Durchmesser: 4 Meter
Bodenstation:
Perth, Australien
Missionsbetriebszentrum:
European Space Operations Centre (ESOC), Darmstadt, Deutschland
Wissenschaftlicher Betrieb :
European Space Astronomy Centre (ESAC), Villafranca, Spanien

Links

Kontakt

Dr.-Ing. Christian Gritzner

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Erforschung des Weltraums
Königswinterer Straße 522-524, 53227 Bonn