INTEGRAL
Start: 17. Oktober 2002, Status: operationell
Im Vergleich mit früheren Gamma-Missionen (wie Compton Gamma-Ray Observatory (USA) oder GRANAT (Russland) bringen die Instrumente von INTEGRAL sowohl bei den spektroskopischen als auch bei den abbildenden Eigenschaften eine deutliche Verbesserung. Das gute räumliche Auflösungsvermögen (zirka zwölf Bogenminuten) erleichtert die Identifizierung der Gamma-Strahlungsquellen.
Wissenschaftliche Ziele
Die von INTEGRAL beobachtete Gammastrahlung stellt die energiereichste Form elektromagnetischer Strahlung dar. Sie entsteht in vielen unterschiedlichen kosmischen Objekten durch verschiedene physikalische Prozesse. Die INTEGRAL-Beobachtungen erstrecken sich daher auf folgende Forschungsfelder und Objekte:
- Kompakte Objekte (Weiße Zwerge, Neutronensterne, Kandidaten für Schwarze Löcher, hochenergetische variable Quellen und Gamma-Strahlungsausbrüche (Gamma-Ray Bursts)),
- Extragalaktische Astronomie (Galaxien, Galaxienhaufen, Aktive Galaktische Kerne (AGN), Seyfert-Galaxien, Blazare, diffuse kosmische Hintergrundstrahlung),
- Stellare und explosive Nukleosynthese (WR Sterne, Supernovae und Novae),
- Strukturen in der Milchstraße (Galaktische Wolkenkomplexe, Kartierung von Kontinuum- und Linienemission, Interstellare Materie, Verteilung der Kosmischen Strahlung),
- Galaktisches Zentrum,
- Teilchenprozesse und beschleunigung (Beams, Jets),
- Identifizierung hochenergetischer Quellen (unidentifizierte Gamma-Strahlungsobjekte als Objektklasse) sowie
unerwartete Entdeckungen.
Man erwartet durch INTEGRAL wesentliche Fortschritte bei dem Verständnis einiger dieser rätselhaftesten und spektakulärsten Phänomene und Objekte im Weltall.
Wissenschaftliche Nutzlast
Auf INTEGRAL werden vier wissenschaftliche Instrumente eingesetzt. Zwei dieser Instrumente, IBIS und SPI, stellen die Kernnutzlast dar und dienen Beobachtungen im Gammabereich des elektromagnetischen Spektrums. Mit zwei kleineren Instrumenten werden Beobachtungen im Röntgen- und im sichtbaren Spektralbereich durchgeführt. Alle Instrumente beobachten simultan dasselbe Gesichtsfeld am Himmel. Damit werden gleichzeitig sich ergänzende Informationen über die beobachteten astronomischen Objekte gewonnen.
Ein grundsätzliches Problem von astronomischen Teleskopen im Gammabereich ist die fehlende Möglichkeit, eine optische Abbildung mit Hilfe von Spiegeln oder Linsen zu realisieren. Um dennoch ein Bild des Himmels in diesem Spektralbereich zu erhalten, verwendet man das so genannte „Coded-Mask“-Verfahren, das auf dem Prinzip des Schattenwurfs beruht. Eine Maske mit einem speziellen Muster (Coded-Mask) wirft im Gammalicht einen Schatten auf einen segmentierten Detektor. Aus der Kenntnis des Maskenmusters und dem gemessenen Bild kann man auf die ursprünglich Intensitätsverteilung der Gammastrahlen innerhalb des Gesichtsfeldes schließen. Drei der vier Instrumente auf INTEGRAL (IBIS, SPI, JEM-X) beruhen auf diesem Prinzip:
IBIS (Imager on-Board Integral Satellite)
IBIS ist optimiert, Bilder mit im Gammabereich bisher unerreichter Ortsauflösung zu machen. Um diese Auflösung zu erreichen, ist die Wolframmaske von IBIS sehr fein unterteilt und auch der Detektor, der in zwei unterschiedlichen, für verschiedene Energiebereiche empfindlichen Schichten aufgebaut ist mit 16.000 beziehungsweise 4.000 Detektorelementen sehr fein unterteilt, um das Schattenmuster der Maske genügend gut aufzulösen. Für IBIS war IAS in Rom, Italien, federführend verantwortlich. Beiträge zu IBIS kamen aus den Partnerländern Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Spanien, Deutschland und USA.
SPI (Spectrometer on INTEGRAL)
Im Gegensatz zu IBIS ist SPI nicht für eine hohe Ortsauflösung, sondern für eine exzellente Energieauflösung der einfallenden Gammaquanten optimiert. Damit lässt sich die spektrale Verteilung bestimmen, aus der man auf die zugrunde liegenden mikrophysikalischen Prozesse schließen kann. Für eine gute Energieauflösung müssen die Detektorelemente aufgrund des hohen Durchdringungsvermögens größer sein. Deshalb besitzt SPI nur 19 Detektorelemente und eine gröber strukturierte Wolframmaske. Für das Instrument insgesamt war das CESR in Toulouse, Frankreich, verantwortlich. Ein wesentlicher Teil dieses Instrumentes wurde von Deutschland beigestellt. Weiter sind an SPI Institute aus Italien, Spanien, Belgien, Großbritannien, Polen und USA beteiligt.
JEM-X (Joint European X-Ray Monitor) und OMC (Optical Monitoring Camera)
Diese Instrumente liefern simultan Aufnahmen der beobachteten Objekte im Röntgenbereich beziehungsweise im sichtbaren Spektralbereich. Dies dient der Identifizierung der Gammaquellen mit Objekten, die im sichtbaren und im Röntgenbereich bekannt sind. Damit ermöglicht man Folgebeobachtungen bzw. den Vergleich mit Beobachtungen größerer Observatorien in diesen Spektralbereichen wie etwa dem XMM Newton-Satelliten der ESA oder dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile.
Jeder Bereich des elektromagnetischen Spektrums enthält spezifische Informationen über die physikalischen Prozesse, die die jeweilige Strahlung erzeugen. Die Verknüpfung dieser verschiedenen Informationen ist wesentlich für das Gesamtverständnis dieser Objekte. JEM-X wurde unter Federführung des DNSC, Kopenhagen, Dänemark, mit Beiträgen aus Finnland, Spanien, Italien, Polen und Schweden entwickelt, OMC vom LAEFF-INTA, Madrid, Spanien, in Zusammenarbeit mit Instituten aus Spanien, Irland, Belgien, Großbritannien und der Tschechischen Republik.
Deutscher Beitrag zu INTEGRAL (IBIS und SPI)
Neben Beteiligungen an der Elektronik und der Software des IBIS-Experiments durch die Universität Tübingen bestand der Hauptbeitrag zur wissenschaftlichen Instrumentierung im so genannten Antikoinzidenzsystem von SPI. Strahlung, die den Detektor erreicht und nicht aus dem Gesichtsfeld des Instrumentes stammt, erhöht das Hintergrundrauschen und senkt die Empfindlichkeit des Systems. Um den Detektor davor zu schützen, muss man ihn gegen diese Hintergrundstrahlung abschirmen. Bei optischen Teleskopen wird dies durch ein so genanntes Baffle-System (Tubus mit Streulichtblenden) erreicht. Auch für die Abschirmung der Hintergrundstrahlung bereitet die Durchdringungskraft der Gammastrahlung wieder besondere Probleme.
Bei INTEGRAL verwendet man deshalb eine aktive Abschirmung, da eine rein passive Abschirmung aus Gewichtsgründen für eine Raumfahrtmission nicht einsetzbar ist. Der Detektor ist umgeben von Kristallen aus Wismutgermanat (BGO), die nur die Blickrichtung freilassen. Dieses Material hat die Eigenschaft beim Durchgang von Gammateilchen einen Lichtblitz zu erzeugen (Szintillator). Dieser Lichtblitz wird nun elektronisch mit Hilfe von Photomultiplieren registriert. Trifft nun dasselbe Gammaquant, das von außerhalb des Gesichtsfeldes stammt, auf den Detektor, kann es durch den zeitlichen Vergleich dieses Ereignisses mit denen aus der aktiven Abschirmung als Hintergrundstrahlung identifiziert werden. Nur die Gammastrahlung aus dem Gesichtsfeld erzeugt nicht gleichzeitig ein Ereignis in der Abschirmung und im Detektor. Daher nennt man eine solche Abschirmung „Antikoinzidenzsystem“ (ACS).
Das ACS von INTEGRAL benötigte BGO-Kristalle mit einer Gesamtmasse von 500 Kilogramm und 200 Photomultiplier mit entsprechend schneller Ausleseelektronik. SPI ist deshalb mit 1.300 Kilogramm das schwerste Instrument auf INTEGRAL.
Dieses System wurde im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und mit Unterstützung des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik (MPE) in Garching von der Firma EADS Astrium in Friedrichshafen mit wesentlichen Beiträgen der Jena-Optronik GmbH in Jena gebaut. Dr. R. Diehl vom MPE ist Co-PI für SPI.
Allgemeine Parameter des INTEGRAL-Satelliten und der Mission:
Start: | 17. Oktober 2002 vom Startplatz Baikonur, Kasachstan |
Trägerrakete: | Proton D |
Orbit (2015 geändert): | Hochexzentrischer 64-Stunden-Orbit, |
Missionsdauer: | ursprünglich 2 Jahre, inzwischen bis Ende 2018 verlängert |
Gesamtmasse des Satelliten beim Start: | ca. 4.000 Kilogramm |
Äußere Abmessungen des Satelliten: | Höhe: 5 Meter Durchmesser: 3,7 Meter Spannweite des Solargenerators: 16 Meter |
Bodenstationen: | Kiruna, Schweden Villafranca (Vilspa) und Maspalomas, Spanien, als Back-up |
Missionsbetriebszentrum: | ESOC, Darmstadt, Deutschland |
Integral Science Operations Centre (ISOC): | ISOC, Villafranca, Spanien |
Integral Science Data Centre (ISDC): | Genf, Schweiz |
Links
- MPE-Pressemeldung - Verschmelzung zweier Neutronensterne gleichzeitig als Gammastrahlenausbruch mit optischem Nachleuchten und mit Gravitationswellen entdeckt
- ESA Space Science - INTEGRAL
- ESA Science & Technology - INTEGRAL
- NASA Goddard Space Flight Center - INTEGRAL
- INTEGRAL Science Operations Centre (ISOC), Villafranca
- INTEGRAL Science Data Centre, Genf
- Istituto Nazionale di Astrofisica, Palermo - IBIS
- Institut für Astronomie und Astrophysik der Uni Tübingen - IBIS
- Institut de Recherche en Astrophysique et Planetologie, Toulouse - SPI
- Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik - SPI
- Centre National d'Etudes Spatiales (CNES) - SPI
- DTU Space (Dänemark/Denmark) - JEM-X
- Laboratorio de Astrofísica Espacial y Física Fundamental (LAEFF/INTA), Villafranca - OMC