MICROSCOPE
Mit Hilfe eines Freifall-Experiments an Bord des Satelliten wollen Wissenschaftler eine der Grundlagen unseres physikalischen Weltbildes bestätigen. Dies ist wichtig, um herauszufinden, ob und wo sich erste Unstimmigkeiten zu den theoretischen Vorhersagen zeigen. Damit ist MICROSCOPE die erste Weltraummission, die zu dieser Fragestellung realisiert wird. Mit ihr können Wissenschaftler das Äquivalenzprinzip mit einer Genauigkeit untersuchen, die etwa hundertfach höher ist als bei allen bisherigen Experimenten, die hierzu in Labors auf der Erde durchgeführt wurden. Mit einer Sojus-Rakete ist der Satellit am 25. April 2016 vom europäischen Raumfahrtzentrum in Kourou (Französisch-Guayana) ins All gestartet.
Das Äquivalenzprinzip
Galileo Galilei erkannte vor über 400 Jahren, dass die Fallzeit eines Körpers nicht von seiner Masse abhängt. Darauf basierend wird in Isaac Newtons Werk „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“ das so genannte Äquivalenzprinzip formuliert, nach dem im Vakuum alle Massen gleich schnell fallen. Die Newtonsche Mechanik setzt dieses als experimentellen Befund voraus, liefert aber keine Erklärung für das Prinzip. In der Allgemeinen Relativitätstheorie, die vor hundert Jahren von Albert Einstein formuliert wurde, folgt das Äquivalenzprinzip dagegen direkt aus der Beschreibung der Bewegung von Körpern. In der Relativitätstheorie wird die Anziehungskraft zwischen Massen beschrieben durch eine Krümmung der vierdimensionalen Raumzeit durch diese Massen. Darin bewegen sich alle Körper, wenn keine anderen Kräfte wirken, auf der kürzesten Verbindung zwischen zwei Punkten, den sogenannten Geodäten.
Hatte Einstein Recht?
Im Inneren des nahezu würfelförmigen Kleinsatelliten, der über eine Kantenlänge von rund 90 Zentimetern verfügt, befindet sich der Herzstück der Mission: Zwei Beschleunigungsmesser, die jeweils zwei zylinderförmige Testmassen enthalten. In einem dieser Messgeräte bestehen die Massen aus unterschiedlichen Materialien: aus Titan sowie aus einer Platin-Rhodium-Legierung. Kreist nun der Satellit auf seiner Umlaufbahn in rund 700 Kilometern Höhe um die Erde, so befindet er sich in Schwerelosigkeit, also im freien Fall. Der Beschleunigungsmesser soll nun überprüfen, ob die Massen dabei unterschiedlich stark beschleunigt werden. Sollte dies der Fall sein, dann wäre das Äquivalenzprinzip nur begrenzt gültig. Der zweite Beschleunigungsmesser dient lediglich zur Kontrolle: Er enthält zwei Zylinder aus demselben Material. Bei korrektem Ablauf des Experiments bewegen sich diese beiden Testmassen genau gleich.

Intensive deutsch-französische Kooperation bei der MICROSCOPE-Mission
Die Mission MICROSCOPE wird von der französischen Raumfahrtagentur CNES (Centre National d'Études Spatiales) durchgeführt. Die Luft- und Raumfahrt-Forschungseinrichtung ONERA (Office National d’Etudes et Recherches Aérospatiales) ist für die Entwicklung der Nutzlast und die wissenschaftliche Leitung zuständig. Wesentliche Beiträge zur Mission stammen von zwei deutschen Einrichtungen: dem Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen und der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig.

Die Nutzlast wurde im Bremer Fallturm getestet
Unter den Schwerkraftbedingungen auf der Erde ist es nur schwer möglich, die Eigenschaften und die Leistungsfähigkeit von Beschleunigungssensoren, die für die Schwerelosigkeit entwickelt werden, zu untersuchen. Daher wurden diese Messungen im Fallturm des ZARM in Bremen durchgeführt. Dort wurden die Instrumente in eine Kapsel integriert, die rund 120 Meter kontrolliert in die Tiefe fällt. Während dieses Falls herrscht in der Kapsel für knapp fünf Sekunden Schwerelosigkeit. Um die Daten von MICROSCOPE auswerten zu können, hat das ZARM außerdem einen Simulator entwickelt, der speziell an die Details der Mission angepasst wurde. Für die Genauigkeit der Messung war eine präzise Fertigung der Testmassen erforderlich. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig übernahm die Fertigung der Testmassen von MICROSCOPE und stellte sie für die Mission zur Verfügung.
Missionsdaten und technische Parameter des MICROSCOPE-Satelliten:
Start: | 25. April 2016 von Kourou, Französisch-Guayana |
Trägerrakete: | Soyus 2-1a/Fregat VS-14 |
Orbit: | polare, sonnensynchrone Kreisbahn in circa 720 Kilometern Höhe |
Missionsdauer: | 18 bis 24 Monate |
Satellitenmasse: | 300 Kilogramm |
Nutzlastmasse: | 35 Kilogramm |
Abmessungen des Satelliten: | 0,9 Meter x 0,9 Meter x 1,3 Meter |
Lagestabilisierung: | Kaltgastriebwerke |