Das Magnetfeld der Erde, das den lebensfeindlichen Sonnenwind von unserem Planeten abhält, besitzt einen komplexen Aufbau. Es ist bereits bekannt, dass es in mehrere Regionen aufgeteilt ist, die durch Grenzschichten voneinander getrennt sind. Ziel dieser Raumflugmission war es, die Vorgänge an den Grenzschichten im Detail zu untersuchen.
Start: 16. Juli und 09. August 2000, Missionsende: 2016
Der 4. Juni 1996 hätte eigentlich ein Meilenstein in der Erforschung der Erdmagnetosphäre werden sollen, denn an diesem Tag sollte die neue europäische Trägerrakete Ariane 5 auf ihrem Jungfernflug ein Quartett identischer Forschungssatelliten namens Cluster ins All bringen. Cluster war eine gemeinsame ESA/NASA-Mission, und im Wissenschaftsprogramm der ESA gehörte sie zu den Eckpfeilern.
Schon kurz nach dem Start geriet jedoch die Ariane außer Kontrolle. Ein fehlerhaftes Programm im Bordrechner bewirkte, dass die Rakete beim Aufstieg so starken aerodynamischen Lasten ausgesetzt war, dass sie auseinander brach und gesprengt werden musste. Mit der Rakete ging auch die Nutzlast verloren, und das Ende der Cluster-Mission schien besiegelt.
Schon bald wurde aber deutlich, dass die Ziele der Cluster Mission noch immer, acht Jahre nachdem die Mission beschlossen worden war, nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hatten und die wissenschaftlichen Fragestellungen nach wie vor prioritär waren. Konsequenterweise bestand der dringende Wunsch, die Mission doch noch in irgendeiner Form zu realisieren. Als man schließlich einen kostengünstigen Weg zum Nachbau der Satelliten und auch einen preiswerten und zuverlässigen Träger gefunden hatte, stand der Folgemission Cluster II nichts mehr im Weg. In weniger als vier Jahren wurden Satelliten und Nutzlast nochmals gefertigt und schließlich im Sommer des Jahres 2000 mit zwei Soyus-Raketen von Baikonur aus paarweise in den Weltraum gebracht.
Wissenschaftliche Zielsetzung
Die Sonne ist nicht nur die Quelle des Lichts und der Wärme, von ihr geht auch ein kontinuierlicher Teilchenstrom aus, der Sonnenwind. Diese im Wesentlichen aus Protonen und Elektronen bestehende Strahlung wäre, wenn sie bis zur Oberfläche der Erde gelangen würde, in hohem Maße lebensfeindlich. Dass dies nicht geschieht, ist dem Erdmagnetfeld zu verdanken, das einen Hohlraum um die Erde herum schafft, in den der Sonnenwind nicht eindringen kann, sondern den er umströmen muss. Dieser Bereich wird Magnetosphäre genannt.
Die Struktur der Magnetosphäre ist durch eine Reihe früherer Missionen im Groben bekannt. Man weiß, dass sie einen komplexen Aufbau besitzt mit mehreren durch Grenzschichten getrennten Regionen, die sich in ihren physikalischen Eigenschaften gut gegen einander abgrenzen lassen. Sie ist aber kein statisches Gebilde, sondern ändert ihre Form unter dem Einfluss der Sonnenaktivität.
Bisherige Magnetosphärenmissionen ließen es nicht zu, zeitliche Änderungen von räumlichen Variationen zu unterscheiden. Um diese Trennung zumindest in einer ersten Näherung zu ermöglichen, braucht man mindestens vier nicht in einer Ebene liegende Messpunkte, also eine Gruppe von vier Satelliten mit identischer Instrumentierung. Mit Cluster II wurde diese Möglichkeit zum ersten Mal eröffnet. Ziel der Mission war es, die Vorgänge an den Grenzschichten im Detail zu untersuchen.
Wissenschaftliche Nutzlast
Wie bei Weltraumforschungsvorhaben üblich, waren die für die Entwicklung der Nutzlast verantwortlichen Gruppen international zusammengesetzt. Für zwei der elf Instrumente, die jeder der vier Cluster-Satelliten trägt, lag die Federführung in deutschen Instituten, an zwei weiteren waren deutsche Wissenschaftler beteiligt.
ASPOC
Active Spacecraft Potential Control Experiment
CIS
Cluster Ion Spectrometer Experiment
DWP
Digital Wave Processing Experiment
EDI
Electron Drift Instrument
EFW
Electric Field and Wave Experiment
FGM
Fluxgate Magnetometer
PEACE
Plasma Electron And Current Experiment
RAPID
Research with Adaptive Particle Imaging Detectors
STAFF
Spatio-Temporal Analysis of Field Fluctuation Experiment
WDB
Wide Band Data Instrument
WHISPER
Waves of High frequency and Sounder for Probing the Electron density by Relaxation Experiment
Im Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching bei München wurde das Electron Drift Instrument, kurz EDI, entwickelt. Beteiligt waren weitere Gruppen aus den USA, Italien, den Niederlanden und Japan. Mit EDI wurde ein schwacher Elektronenstrahl in den Raum geschossen, der bei geeignet gewählter Einstellung wieder zum Satelliten zurückkehrte. Aus den Einstellparametern ließ sich das elektrische Feld in der näheren Umgebung der Satelliten ableiten.
RAPID aus dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) war ein Teilchendetektor, mit dem man energetische Teilchen des Sonnenwinds analysieren konnte. Dieses Instrument entstand unter Mitwirkung von Gruppen aus den USA, Schweden, Finnland, England, Irland, Griechenland und Norwegen.
Am Cluster Ion Spectrometer, das unter französischer Leitung entstand, waren Gruppen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik und des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung beteiligt.
Schließlich bestand durch Gruppen an der TU Braunschweig und der Universität Köln eine erhebliche Beteiligung am Instrument MAG, mit dem das Magnetfeld der Erde am Ort der Satelliten sehr präzise gemessen werden konnte.
Kenndaten der 4 Satelliten:
Abmessungen:
Durchmesser: 2,9 m, Höhe: 1,3 m
Startmasse:
1200 kg, davon 71 kg wiss. Nutzlast und 650 kg Treibstoff
Lagestabilisierung:
Spin-stabilisiert (15 U./min.)
Energieversorung:
Solargenerator mit 224 W Leistung
Der Bau der Satelliten erfolgte im Auftrag der ESA durch die Firma Dornier Satellitensysteme, Friedrichshafen, heute EADS-Astrium.
Missionsparameter:
Start:
jeweils zwei Satelliten am 16. Juli und 9. August 2000
Startplatz:
Baikonur, Kasachstan
Träger:
Soyuz-Fregat
Orbit:
Elliptische, polare Orbits zwischen 19.000 und 119.000 km, Umlaufperiode: 57 Stunden.
Bodenstationen:
Villafranca und Maspalomas, Spanien
Missionsbetriebszentrum:
European Space Operations Centre (ESOC), Darmstadt, Deutschland
Wissenschaftliches Betriebszentrum:
Joint Science Operations Centre at Rutherford Appleton Laboratory, Didcot, UK