SOHO

ESA/ATG medialab; Sonne: SOHO (ESA & NASA)

Das europäisch-amerikanische Sonnenobservatorium

Die Sonne ist der einzige Stern, der mit Observatorien auf der Erde oder aus dem näheren Weltraum mit genügender räumlicher Auflösung beobachtet werden kann. Ihre Erforschung ist daher wichtig für die gesamte stellare Astrophysik. SOHO ist der Veteran unter den Weltraumsonden, die unsere Sonne beobachten. Seit Dezember 1995 liefert er den Wissenschaftlern Daten über das Sonneninnere, die Sonnenatmosphäre, die Korona und den Sonnenwind.

Start: 2. Dezember 1995, Status: operationell

Als die Europäische Weltraumorganisation ESA Anfang der achtziger Jahre einen langfristigen Plan zur Erkundung des Weltraums entwarf, der unter dem Namen „Horizont 2000“ bekannt wurde, war es das „Solar and Heliospheric Observatory“ (SOHO), das gemeinsam mit der Magnetosphärenmission „Cluster“ zum ersten Eckpfeiler in diesem Forschungsprogramm wurde. SOHO ist ein gemeinsames Projekt von ESA und NASA, bei dem die ESA die führende Rolle hat. Sie ließ die Sonde bauen und stellte durch ihre Mitgliedsländer acht der zwölf Instrumente. Die NASA stellte die übrigen vier Instrumente, führte den Start durch und ist für den Betrieb der Sonde verantwortlich.

Wissenschaftliche Zielsetzung

Die wichtigsten Ziele von SOHO sind

• die Untersuchung des Sonneninneren: Beobachtet werden Strahlungsschwankungen und Oszillationen der Oberfläche, woraus unter Anwendung seismologischer Verfahren Rückschlüsse über den inneren Aufbau der Sonne gewonnen werden können,
• die Erkundung der oberhalb der sichtbaren Scheibe liegenden heißeren Atmosphärenschichten bis hin zur Korona,
• die Untersuchung der energiereichen Teilchen des Sonnenwinds am Ort der Sonde, 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt.

Zehn Jahre erfolgreiche Mission

SOHO wurde am 2. Dezember 1995 mit einer Atlas II AS-Trägerrakete von der Cape Canaveral Air Force Station aus gestartet. Es dauerte noch vier Monate, bis die Sonde auf ihrer endgültigen Position, einer Bahn um den Lagrange-Punkt L1, angekommen war. Dieser Punkt liegt zwischen Erde und Sonne und ist etwa 1,5 Millionen Kilometer von unserem Planeten entfernt. Hier balancieren sich die Anziehungskräfte so aus, dass die relative Lage zu Sonne und Erde erhalten bleibt. Ein dort positionierter Körper wird also weder in die eine, noch in die andere Richtung gezogen, sondern verharrt in seiner Lage. Hier ist eine ununterbrochene Sicht auf die Sonne möglich, wobei nur kleinere Bahnkorrekturmanöver erforderlich sind.

SOHO sorgte ungewollt für Schlagzeilen, als die Sonde am Morgen des 25. Juni 1998 infolge eines Bedienungsfehlers außer Kontrolle geriet und der Kontakt zur Bodenstation abriss. Die Sonde drehte sich dabei von der Sonne weg, sodass die Solargeneratoren nicht mehr genug Energie produzieren konnten und die Treibstoffleitungen einfroren. Bemerkenswerterweise gelang es aber einem Expertenteam der ESA in Zusammenarbeit mit dem Kontrollzentrum der NASA nach mehreren Wochen, den Kontakt zu SOHO wieder herzustellen und durch eine Reihe gezielter Maßnahmen die Sonde schrittweise unter Kontrolle zu bringen. Die Nutzlast überstand die extremen Temperaturen, die zum Teil weit außerhalb des erlaubten Bereichs lagen, weitgehend unbeschädigt. Somit konnte der normale Betrieb wieder aufgenommen werden.

Die Mission war für eine Mindestbetriebszeit von zwei Jahren ausgelegt. Auch jetzt noch, nach zwanzig Jahren, liefert SOHO so einzigartige Ergebnisse, dass die Mission weiter in Betrieb gehalten wird.

Ergebnisse der SOHO-Mission

SOHO hat der Wissenschaft einen ganz neuen Einblick in den Aufbau der Sonne, die Entstehung des Sonnenwindes und die Zusammensetzung der Sonnenatmosphäre gewährt. Dementsprechend hoch ist die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen, die auf ihren Daten basieren. Zu den spektakulärsten Ergebnissen gehören:

• die Entdeckung großräumiger Strömungen unter der Sonnenoberfläche
• Erkenntnisse über die vertikale Struktur von Sonnenflecken
• die Identifizierung aktiver Gebiete auf der abgewandten Seite der Sonne
• die Beobachtung von Strahlungsausbrüchen
• die Vermessung des UV-Spektrums der Sonne
• die Identifizierung aktiver Gebiete auf der abgewandten Seite der Sonne
• die Messung, in welchem Maß sich die von der Sonne kommende Gesamtstrahlung ändert
• die Untersuchung der von der Sonne kommenden Partikel
• die Entdeckung von mehr als 3000 sonnennahen Kometen

Zunehmende Bedeutung für unseren Alltag gewinnt auch das so genannte „Weltraumwetter“. Regelmäßig kommt es auf der Sonne zu Ausbrüchen, bei denen riesige Mengen energiereicher Partikel in den Weltraum geschleudert werden. Wenn eine solche Teilchenfront die Magnetosphäre der Erde trifft, kann es in ihr zu „Stürmen“ kommen, die möglicherweise gravierende Folgen haben: Die Beeinträchtigung oder den kompletten Ausfall von Satelliten, die Unterbrechung von Telekommunikationsverbindungen, eine erhöhte Korrosion bei Pipelines oder die Störung des Stromversorgungssystems. Mit SOHO wurde die prinzipielle Möglichkeit gezeigt, solche Ereignisse etwa drei Tagen vor ihrem Eintreffen an der Erde anzukündigen, und so Gelegenheit zu geben, geeignete Maßnahmen zu treffen.

Instrumente

Um die Spannweite der wissenschaftlichen Ziele abzudecken, ist SOHO mit einer breiten Palette von Instrumenten bestückt, die auf bestimmte Untersuchungen spezialisiert sind:

   
Instrument
Kurzbeschreibung

Verantwortliches
Wissenschaftlerteam

CDS (Coronal Diagnostics Spectrometer)
Ein für den kurzwelligen extremen UV-Bereich (150 bis 800 Å) optimiertes Spektrometer, mit dem Temperaturen und Dichten koronaler Strukturen bestimmt werden
Rutherford Appleton Laboratory, UK
CELIAS (Charge, Element and Isotope Analysis System)
Detektoren zur Bestimmung der Masse, Ladung und Energie der SonnenwindteilchenDetektoren zur Bestimmung der Masse, Ladung und Energie der Sonnenwindteilchen
Institut für Experimentelle und Angewandte Physik, Universität Kiel
COSTEP (Comprehensive Supra Thermal and Energetic Particle Analyser)
Messung der Energieverteilung von Elektronen, Protonen und Heliumkernen der von der Sonnen kommenden Teilchenstrahlung
Institut für Experimentelle und Angewandte Physik, Universität Kiel
EIT (Extreme Ultraviolet Imaging Telescope)
Kamera, mit der Bilder der Sonnenscheibe in vier ausgewählten Emissionslinien – die unterschiedliche Temperaturen repräsentieren – gewonnen werden
NASA Goddard Space Flight Center, USA
ERNE (Energetic and Relativistic Nuclei and Electron Experiment)
Messung von Energiespektren und Häufigkeitsverteilungen von Elementen des Sonnenwinds bis zur Ordnungszahl 30
Universität Turku, Finnland
GOLF (Global Oscillations at Low Frequencies)
Messung von Geschwindigkeitsoszillationen der Sonnenoberfläche als Ganzes
Institut d'Astrophysique Spatiale, Frankreich
LASCO (Large Angle and Spectrometric Coronagraph)
Aus drei Einzelinstrumenten bestehender Koronagraph, der die heiße äußere Sonnenschicht, die Korona, mit großem Gesichtsfeld abbildet
Naval Research Laboratory, USA; MPI für Sonnensystemforschung, Göttingen
MDI/SOI (Michelson Doppler Imager/Solar Oscillations Investigation)
Messung von Geschwindigkeitsoszillationen mittlerer und hoher Frequenz auf der Sonnenoberfläche
Stanford University, USA
SUMER (Solar Ultraviolet Measurements of Emitted Radiation
UV-Spektrometer zu Untersuchung von Plasmaflüssen, Temperaturen und Dichten in den über der sichtbaren Sonnenscheibe liegenden Gebieten, also in der Chromosphäre, im Übergangsgebiet und in der unteren Korona
MPI für Sonnensystemforschung, Göttingen
SWAN (Solar Wind Anisotropies)
Messung der Verteilung der Sonnenwindintensität vom Äquator zum Pol und ihrer zeitlichen Variation
FMI, Finnland; Service d'Aeronomie, Frankreich
UVCS (Ultraviolet Coronagraph Spectrometer)
Spektrometer zur Untersuchung der Korona
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, USA
VIRGO (Viariability of Solar Irradiance and Gravity Oscillations)
Messung von Intensitätsoszillationen der Sonnenscheibe und hochgenaue Bestimmung der solaren Konstante
ESA/ESTEC, Niederlande

Deutsche Wissenschaftlergruppen sind für drei der zwölf Instrumente verantwortlich:

• SUMER, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Göttingen;
• CELIAS, Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Kiel;
• COSTEP, Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Kiel.

Darüber hinaus wurden für andere Instrumente Schlüsselkomponenten beigestellt:
Für CDS das Röntgenteleskop durch das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und für LASCO einer der drei Koronagraphen durch das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.

Der Bau der Sonde erfolgte durch die Firma Matra Marconi Space, die heute zu Airbus Defence & Space gehört.

Missionsdaten und technische Parameter

  
Start:
02. Dezember 1995, 8:00 Uhr U.T. von der Cape Canaveral Air Station, Florida, USA
Trägerfahrzeug:
Atlas II-AS (AC-121)-Rakete
Orbit:
umläuft den Lagrange-Punkt L1 zwischen Erde und Sonne, etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt
Äußere Abmessungen der Sonde:
4,3 Meter Höhe, 2,7 Meter Breite und 3,7 Meter Tiefe
Spannweite mit ausgefahrenem Solargenerator:
9,5 Meter
Gesamtmasse beim Start:
1.850 Kilogramm
Nutzlastmasse:
610 Kilogramm
Datenübertragungsraten:
200 kbit/s (real-time), 40 kbit/s (on-board storage mode)
Missionsbetriebszentrum:
NASA Goddard Space Flight Center (GSFC), Greenbelt, Maryland, USA
Bodenstationen:
NASA Deep Space Network (DSN)

Links

Kontakt

Carsten Henselowsky

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Erforschung des Weltraums
Königswinterer Str. 522-524, 53227 Bonn