Cellbox – Biologische Forschung in dauerhafter Schwerelosigkeit
Astronautinnen und Astronauten sind auf ihren Missionen anderen Bedingungen ausgesetzt, als auf der Erde herrschen. Veränderte Strahlung und Schwerelosigkeit beeinflussen das Verhalten des Körpers. Besonders Immun-, Nerven- und Muskelzellen verändern sich unter diesen Weltraumbedingungen. In Zukunft sollen sich Menschen längere Zeit im Weltall oder auf dem Mond aufhalten. Daher ist das Verständnis dieser Veränderungsprozesse ein wichtiges Forschungsziel. Die Ergebnisse der Forschungen helfen aber auch Menschen auf der Erde, beispielsweise in Form von effektiven Therapien gegen Immunerkrankungen und Muskelschwäche. Die Cellbox-Anlage wurde speziell für diese Forschungsthematik entwickelt.
Cellbox-Missionen ermöglichen Untersuchungen zu Effekten der Weltraumbedingungen an Zellen, Geweben und künstlichen Zellstrukturen, sogenannten Organoiden. Die Experimente stammen aus den Forschungsbereichen der Gravitationsbiologie, Physiologie, Molekularbiologie und Biomedizin. Sie laufen jeweils über mehrere Wochen und finden in einem niedrigen Orbit um die Erde (Low Earth Orbit, LEO) statt. Die Experimente werden in etwa Smartphone-großen Minilaboren – den Cellbox-Experimentkammern – durchgeführt, die je nach Experimentanforderungen in einem Inkubator für mehrere Tage oder Wochen entweder der Schwerelosigkeit ausgesetzt sind, oder auf einer Zentrifuge normale Erdschwerkraft (1g- Kontrollen) erfahren.
In verschiedenen Experimentkammertypen können Proben kultiviert und mit frischem Nährmedium versetzt werden. Zudem können Proben auch chemisch fixiert werden. Dabei wird die Form und der Zustand der Zellen zu einem bestimmten Zeitpunkt „eingefroren“. Alle Experimentkammern werden nach dem mehrwöchigen Aufenthalt in der Schwerelosigkeit auf die Erde zurückgebracht und in den Heimatlaboren der Wissenschaftlerteams untersucht.
Zwei Missionen mit acht neuen Experimenten
Das Cellbox-Programm wird aktuell bereits zum vierten, beziehungsweise fünften Mal durchgeführt. Die Missionen Cellbox-4 und Cellbox-5 werden 2026 über einige Wochen in einem Raumfahrzeug um die Erde kreisen. Dabei werden acht Teams deutscher Hochschulen biologische und biomedizinische Experimente durchführen.
Wissenschaftliche Leitung | Hochschule | Experiment |
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Andreas Blaeser | Technische Universität Darmstadt | cOSmicStrain: Biofabrication of Bone Tissue Substitutes in Microgravity by Mechanical Stimulation |
Maik Böhmer | Goethe-Universität Frankfurt am Main | Calcium signaling in neurons and muscle cells in response to changes in gravity after short- and longterm adaptation in space |
Volker Busskamp | Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn | Investigation of human neuromuscular junctions and myelination under prolonged microgravity conditions |
Nils Cordes | Technische Universität Dresden | Influence of microgravity and cosmic rays on human and mouse tissue functionality through modifications of extracellular matrix, transcriptome and chromatin accessibility |
Daniela Grimm | Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg | Transcriptional and epigenetic effects of real microgravity and space radiation on human prostate carcinoma spheroids |
Maria Moreno-Villanueva | Universität Konstanz | The role of IL-6 in the interplay between DNA repair, immune response and energy metabolism under space conditions |
Francesco Pampaloni | Goethe-Universität Frankfurt am Main | COSMOS: Culture Of Spheroids in Microgravity for endocrine Organoid Study |
Insa Schroeder | GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung Darmstadt | Human brain organoids in the Cellbox: are neuroplastic changes in the astronauts´ hippocampus a show-stopper for long-term missions? (HippoBox) |
Unterstützt werden die Cellbox-4 und Cellbox-5 Missionen von dem jungen Unternehmen yuri GmbH aus Meckenbeuren, das für die Vorbereitung, Missionsplanung und Unterstützung der Wissenschaftsteams verantwortlich ist. Dies soll Innovationen fördern und einen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten.
Die Missionen Cellbox-4 und 5 werden, anders als ihre Vorgänger, nicht auf der Internationalen Raumstation ISS durchgeführt werden. Da ihre Lebensdauer begrenzt ist, werden aktuell neue Möglichkeiten eruiert, Forschung und Technologiedemonstrationen im Erdorbit durchzuführen. Das Cellbox-Programm soll dazu beitragen, deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dauerhaft einen Zugang zum All über das Ende der ISS hinaus zu ermöglichen.
Medizinische Forschung mit dem Cellbox-Programm
Das Cellbox-Programm wurde 2011 von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR ins Leben gerufen und startete mit der Mission SIMBOX im Oktober 2011 mit der chinesischen Raumkapsel Shenzhou-8. Mit an Bord waren biologische und biomedizinische Experimente mit Pflanzen, kleinen Organismen und Krebszellen, die 17 Tage lang den Bedingungen des Weltalls ausgesetzt wurden.
Mit SpaceX-3 wurde im April 2014 Cellbox-1 zur Internationalen Raumstation (ISS) gebracht und in zwei Experimenten Krebs- und Immunzellen in der Schwerelosigkeit prozessiert. Auf der Cellbox-2 Mission im Dezember 2017 und der Cellbox-3 Mission im November 2022 wurden Immun-, Nerven-, Krebs- und Muskelzellen auf der ISS der Schwerelosigkeit ausgesetzt und anschließend untersucht.
Die Cellbox-Missionen werden im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) durchgeführt.