FLUMIAS

DLR

Mikroskopische Beobachtung von lebenden Zellen im Weltraum

Wie sich lebendige Zellen in Schwerelosigkeit verändern ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg kommender Explorationsmissionen mit Langzeitaufenthalten auf Mond, Mars und längerfristig weiteren Planeten und Monden unseres Sonnensystems. Durch veränderte Schwerkraftbedingungen ausgelöste Prozesse zu verstehen ist daher einer der Grundpfeiler für die Raumfahrtaktivitäten der kommenden Jahrzehnte. Von der Grundlagenforschung in den Bereichen Zellbiologie, Molekularbiologie, Biomedizin und Pflanzenphysiologie profitieren aber auch die Menschen auf der Erde: Mit FLUMIAS sollen beispielsweise neurodegenerativen Erkrankungen, Immunschwäche oder die Entstehung von Tumoren tiefergehend erforscht und neue Ansätze für Heilmittel und -Methoden entwickelt werden.

Logo des Experiments

Hochauflösende Fluoreszenzmikroskopie ist eine grundlegende Methode, um den räumlichen Aufbau von Zellstrukturen, Organen und Organismen zu erforschen. Besonders für die Beobachtung von dynamischen Prozessen, wie zum Beispiel dem Umbau des Zellskeletts (der Grundstruktur der Zelle), werden lebende Zellen mikroskopiert. Anhand der Live-Cell-Imaging Methode (Lebend-Zellbeobachtung) werden mit speziellen Farbstoffen oder fluoreszierenden Proteinen spezifische Zellstrukturen sichtbar gemacht.

Obwohl insbesondere die räumliche Struktur von Zellen und ihre Veränderung in der Schwerelosigkeit von großem Interesse für die Forschung im Weltraum ist, konnten dynamischen Prozesse dort bisher nur eingeschränkt untersucht werden. Bis jetzt stand für diese Art von Experimenten auf der Raumstation kein geeignetes Gerät zur Verfügung. Zellen wurden auf die Raumstation gebracht, dort nach einem Experiment fixiert, und erst nach der Rückkehr zur Erde mikroskopisch oder mit anderen Methoden analysiert. Dies bedeutete für die Forschung, dass lediglich Momentaufnahmen untersucht werden konnten.

FLUMIAS kann dagegen hochauflösende Bilder von lebenden Zellen im All über mehrere Tage oder Wochen aufnehmen. Eine Besonderheit der Anlage ist die integrierte Zentrifuge: das Mikroskop ist auf einer sich drehenden Plattform montiert. So kann während des Mikroskopierens die Schwerkraft „an“ und „ab“ geschaltet oder variiert werden. Forschende können damit besonders schnelle Zellreaktionen direkt beobachten und Schwellenwerte von durch Schwerkraftänderungen ausgelöste Reaktionen bestimmen. Per Computer entstehen aus den Bildern später 3D-Modelle oder kurze Filmaufnahmen.

Sechs Experimente in einer ISS-Mission

Bis zu sechs austauschbare Experimentblöcke mit unterschiedlichen Experimenten können in der FLUMIAS-Anlage untergebracht und in einer Mission durchgeführt werden. Zur Ausstattung der Experimentblöcke gehören neben Komponenten des eigentlichen Mikroskops nicht nur die biologischen Proben, sondern auch Fluidsysteme für die Versorgung mit Nährmedien und Fluoreszenzfarbstoffen. So ist sichergestellt, dass die lebenden Zellen über Tage und Wochen mit frischer Nährlösung versorgt werden und immer die perfekten Temperaturbedingungen herrschen.

Die hochtechnisierte Anlage kommt mit minimaler Crew-Interaktion aus. Experimente werden in Laboren am Boden vorbereitet und in die Experimentblöcke integriert. Nach dem Transport zur ISS müssen die Crewmitglieder an Board lediglich die Experimentblöcke im Magazin der Anlage installieren. Danach können alle Vorgänge vom Kontrollzentrum gesteuert werden. Die Lebenserhaltungsfunktionen der Experimentblöcke in ihrer Warteposition im Magazin, der Transfer auf die Zentrifuge, sämtliche Mikroskopiervorgänge – alles wird vom Personal am Boden gesteuert und kontrolliert. Auch können Vorschaubilder von dem, was das Mikroskop aufnimmt, direkt zum Boden gesandt und dort von den beteiligten Wissenschaftlergruppen bewertet werden.

FLUMIAS ist als Multi-User-Anlage konzipiert

Die Anlage wird den Anforderungen einer Vielzahl von wissenschaftlichen Fragestellungen gerecht. Durch die individualisierbaren Experimentblöcke können unterschiedlichste Experimente in einer Mission geflogen werden. Bereits in der ersten Nutzungsphase sind nicht nur zellbiologische Versuche geplant, sondern auch Experimente aus diversen anderen Bereichen wie z.B. Neurophysiologie, Mikrobiologie, Pflanzenphysiologie und Physik.
Die erste AO wurde im Jahr 2020 veröffentlicht, 10 Experimente wurden ausgewählt. Die nächste AO ist in Planung. Der Betrieb der Anlage beginnt voraussichtlich 2025.

Kontakt

Dr. Anna Catharina Carstens

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Forschung unter Weltraumbedingungen
Königswinterer Str. 522-524, 53227 Bonn