Sauerstoff für Weltraummissionen aus CO2 herstellen: Experimente LiMo und COLA Zero

Photosynthese ist ein essenzieller Prozess in der Natur. In ihm werden Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser durch das Licht der Sonne zu Glukose umgewandelt. Dabei entsteht auch Sauerstoff, den wir Menschen zum Atmen benötigen. Wollen wir Menschen auf Raumfahrtmissionen zu Mond und Mars schicken, müssen wir dafür sorgen, dass sie ausreichend Sauerstoff für diese Mission haben. Sauerstoff einfach nur zu speichern reicht für lange Missionen nicht aus. Er muss im Raumfahrzeug oder auf einer Basis auf dem Mond oder dem Mars hergestellt werden.

Sauerstoff kann mit (photo-)elektrochemischen Systemen hergestellt werden, die sich aktuell in der Entwicklung befinden. Ähnlich wie bei der Photosynthese soll Wasser unter Lichteinwirkung in seine Bestandteile gespalten werden, also Sauerstoff und Wasserstoff. Neben dem Sauerstoff für Atemluft kann Wasserstoff für die Energieversorgung verwendet werden.

Mit dieser künstlichen Photosynthese kann zudem CO2 aus der Atmosphäre entzogen und in andere wichtige Grundstoffe umgewandelt werden. Die Atmosphäre des Mars besteht größtenteils aus CO2. Auf einer Marsmission stellen sich ähnliche Probleme, wie wir sie auf der Erde aufgrund des steigenden CO2-Anteils in der Atmosphäre haben. CO2 ist eines der klimaschädlichsten Treibhausgase und leistet einen wesentlichen Beitrag zur globalen Erwärmung. CO2 aus der Erdatmosphäre zu entfernen ist eine zentrale Zukunftsaufgabe der Menschheit. Ziel ist, es nicht nur zu entfernen, sondern chemisch in Stoffe zu verwandeln, die einen Nutzen bringen, beispielsweise als Energiespeicher.

Grundlagenforschung zur künstlichen Photosynthese: Das Experiment LiMo

Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR fördert verschiedene Vorhaben zur künstlichen Photosynthese am Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen. Ein Beispiel ist unter anderem das Projekt „Lichtinduzierte Produktion von Brennstoffen und Sauerstoff in Mikrogravitation“ kurz: LiMo. Das Forschungsprojekt wurde von 2021 bis 2024 vom Wissenschaftsteam um Prof. Dr. Katharina Brinkert durchgeführt. LiMo zielte darauf ab, effiziente Methoden zur Sauerstoff- und Brennstoffproduktion unter Schwere­losig­keits­bedingungen zu entwickeln.

In dem Projekt wurden photoelektrochemische Zellen eingesetzt. Sie sind mit Wasser gefüllt, in der Mitte befindet sich ein Halbleiter. Dieser absorbiert Licht, ähnlich wie das Chlorophyll in Pflanzen. Trifft Licht auf den Halbleiter, entstehen geladene Teilchen, die zu Elektrokatalysatoren auf deren Oberfläche befördert werden. Hierdurch wird das Wasser in seine Elemente gespalten: Wasserstoff und Sauerstoff bilden sich als Bläschen und reichern sich an der Elektrode an. In Schwerelosigkeit steigen die Blasen in der Flüssigkeit nicht nach oben. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist die Elektrode also voller Blasen. Das bringt die Reaktion zum Abbruch. Deshalb wurden in LiMo spezielle (photo-)elektrochemische Zellen mit einer Besonderheit entwickelt: Sie nutzen Magneten, die dabei helfen, Sauerstoff- und Wasserstoffblasen von den Elektroden abzutrennen. In diesem Aufbau ist die Experimentzelle mit einer Elektrolyt-Flüssigkeit gefüllt, die magnetische Eigenschaften hat. Sie ist auf Wasserbasis, weswegen sie wie zuvor in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten werden kann. Im Zusammenspiel mit dem Magneten in der Experimentzelle wird eine Kraft erzeugt, die zu einem andauernden Wirbel in der Flüssigkeit führt. Der Wirbel löst die Bläschen von der Elektrode und befördert sie zum Magneten. Das schafft Platz für neue Bläschen an der Elektrode – die Reaktion bleibt dauerhaft bestehen.

Dieser, auch als „magnetische Phasentrennung“ bekannte Effekt, wird neben der Experimentreihe LiMo außerdem im aktuell laufenden Projekt „SolarMag“ näher untersucht. Hier werden Experimente für ein Höhenforschungsraketenflug entwickelt. Im Bremer Fallturm wurden die LiMo-Zellen unter Schwerelosigkeit getestet und ihre Funktionalität bestätigt.

Schematische Illustration der Experimentzellen des Projekts LiMo
Im Projekt LiMo wurde eine Technologie entwickelt, mit der Wasser in Schwerelosigkeit in seine Bestandteile zerlegt wurde. Eine Experimentzelle ist je nach Experiment mit unterschiedlichen Flüssigkeiten gefüllt und beinhaltet zwei Elektroden und einen Magneten. Das Diagramm oben links zeigt das verhalten einer Experimentzelle in Schwerelosigkeit. Mit einem Magneten wird ein konstanter Strom in der Zelle erzeugt, ohne Magnet sinkt er langsam ab. Die Grafik unten links illustriert, wie zwei magnetische Kräfte in einer Experimentzelle genutzt werden: Abstoßung (Diamagnetismus) und Kreisbewegung (Lorentzkraft). An der Elektrode (rot) sammeln sich Sauerstoffbläschen (O2, grün) aus dem Wasser in der Zelle. Sie werden weg zum Magneten (blau) gelenkt. Für die kontrollierte Nutzung dieser Effekte wurden zwei Zellen entwickelt: In der ersten Zelle (oben rechts) wird Wasser vom Magneten abgestoßen. Wasserstoff (H2, blau) und Sauerstoff (O2, grün) fließen zu den Magneten, während das Wasser (nicht dargestellt) weg vom Magneten gedrängt wird. In der zweiten Zelle, dem sogenannten „Magnetohydrodynamic Drive“, wird eine Flüssigkeit durch die magnetische Lorentzkraft in eine Strudelbewegung versetzt. So trennen sich Wasserstoff (H2, blau) und Sauerstoff (O2, grün) voneinander und sammeln sich jeweils im Zentrum der Zelle, wo sie dann abgepumpt werden können.
Credit:

Ömer Akay

Von Flüssigkeiten zu Gasen: Experiment COLA Zero

In LiMo wurde gezeigt, wie eine magnetische Phasentrennung unter Schwerelosigkeit generell funktionieren kann. Waren die LiMo-Experimentzellen jedoch noch mit Flüssigkeit gefüllt, ist der nächste Schritt, gasförmiges CO2 in seine Bestandteile zu trennen.

Daher wurden die LiMo-Zellen mit gasförmigem CO2 statt Flüssigkeit gefüllt und im Fallturm getestet. Es zeigte sich, dass das CO2 zu anderen Kohlenstoffverbindungen umgewandelt werden kann. Hierzu müssen nur andere Elektroden (sogenannte poröse Elektroden) als in Flüssigkeit verwenden. Jedoch ist bislang generell wenig erforscht, wie sich Gase in elektrochemischen Zellen bei Reaktionen in Schwerelosigkeit oder reduzierter Schwerkraft wie auf dem Mond oder dem Mars verhalten. Dies wird nun im Projekt COLA Zero. (Light-Assisted CO2 Reduction and Recycling in Zero gravity) untersucht. Zudem soll die elektrochemische Reduktion von CO2 zu Kohlenstoffmonooxid CO und anderen Kohlenwasserstoffen getestet werden. Die Herausforderung dabei ist, dass möglichst wenig Nebenprodukte entstehen sollen. Außerdem soll die Reaktion in Schwerelosigkeit funktionieren. Zudem ist nicht nur die Sauerstoffgewinnung Ziel, sondern auch das „Recyceln“ des CO2-Gases, d.h., seine (Zurück)Verwandlung in Brennstoffe und andere „nutzbare“ Chemikalien. Auch hier soll der magnetische Wirbel aus LiMo angewendet und zur Ablösung der Gasblasen eingesetzt werden. COLA Zero findet ebenfalls am ZARM statt und soll bis 2027 laufen.

Dadurch leistet das Wissenschaftsteam einen wichtigen Beitrag zum fundamentalen Verständnis der Interaktion von gasförmigem CO2 mit Elektroden – im Allgemeinen, in Schwerelosigkeit und unter reduzierter Schwerkraft. Auch werden dadurch neuartige, effizientere photoelektrochemische Zellen für die Reaktion entwickelt. Diese Herangehensweise ermöglicht eine Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse sowohl in zukünftigen Mond- und Marsmissionen als auch auf der Erde.

Kontakt

Dr. Feray Ünlü-Beqiraj

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Forschung und Exploration
Königswinterer Straße 522-524, 53227 Bonn