Visualisierung der retinalen Mikrozirkulation in der Schwerelosigkeit

In der Schwerelosigkeit herrschen besondere Umgebungsbedingungen, welche ausgeprägte Veränderungen des Organismus vielfältigster Art, beispielsweise im Herzkreislauf – oder okulozerebralen System, verursachen. Ein intakter Kreislauf und eine intakte Sehkraft sind grundlegende Voraussetzungen für die häufig konzentrationsintensiven Tätigkeiten von Astronauten. Eine effektive Durchblutung aller Organe ist für die stetige Leistungsfähigkeit des Menschen unabdingbar. In den letzten Jahren rückte eine Krankheitsentität, welche unter dem Begriff des „Spaceflight Assosciated Neuro-ocular Syndrome“, kurz „SANS“ zusammengefasst wird, in den Forschungsfokus der Weltraummedizin. Dieses Syndrom tritt insbesondere nach längeren Weltraummissionen auf und umfasst Symptome wie eine eingeschränkte Sehkraft, Gesichtsfeldausfälle und Kopfschmerzen. Trotz intensiver Forschung und unterschiedlichsten Hypothesen ist der exakte Mechanismus der Entstehung von SANS weiterhin unklar.

Die Organdurchblutung findet in der Mikrozirkulation statt und bezeichnet den Teil des menschlichen Blutkreislaufs, der sich in den kleinsten Blutgefäßen findet. Auf dieser Ebene finden der Gasaustausch und der Austausch lebenswichtiger Nährstoffe statt. Idealerweise werden Einschränkungen in der Durchblutung und insbesondere auch in der Mikrozirkulation bereits frühzeitig erkannt, bevor eine tatsächliche gesundheitliche Einschränkung oder Gefahr besteht. Ziel des aktuellen Versuchsaufbaus ist die Untersuchung der Durchblutung der kleinsten Blutgefäße der Netzhaut (lateinisch: Retina), um Schlussfolgerungen auf die Augendurchblutung im Verhältnis zum Gesamtkreislauf ziehen zu können.

Zur Messung der Mikrozirkulation benutzen wir die dynamische Gefäßanalyse mittels Intravitalmikroskopie durch eine funktionell erweiterte Funduskamera, wie sie beispielsweise bei augenärztlichen Untersuchungen genutzt wird. Diese ermöglicht eine unmittelbare Darstellung des retinalen Kapillarnetzwerks, also des Gefäßnetzwerkes des Augenhintergrundes. Wir konnten bereits signifikante Veränderungen der Gefäßdiameter der Augengefäße unter Schwerelosigkeitsbedingungen nachweisen. In der diesjährigen Parabelflugkampagne werden wir im Rahmen der Untersuchungen der Augenhintergrundgefäße visuelle Stimuli (so genannte Flicker-Sequenzen) einsetzen und die endotheliale Gefäßantwort, also die Reaktion der Zellschicht an der Innenfläche der Blutgefäße, zu messen. Zudem werden wir die Druckverhältnisse im Augapfel erfassen; ergänzt werden diese Untersuchungen durch unterschiedliche Parameter des Herzkreislaufsystems (wie die Herzfrequenz, der Blutdruck und die Sauerstoffsättigung).

Grundsätzliches Ziel unseres Experiments ist es dazu beizutragen das Verständnis für (patho)physiologische Veränderungen, insbesondere der Mikrozirkulationsregulation im Auge, unter Schwerelosigkeitsbedingungen zu verbessern und zusammenhängende Mechanismen und Anpassungsprozesse, insbesondere vor dem Hintergrund der Entstehung von SANS, aufzudecken. Relevanz werden die Erkenntnisse für die Physiologie und Medizin auf der Erde sowie für Jetpiloten und Astronauten haben.