DLR Magazin 147 - page 54-55

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REZENSIONEN
VERSTEHEN DURCH FARBEN
UND SYMBOLE
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Wenn es darum geht, komplexe Zusammen-
hänge oder eine große Menge an Informationen kurz und prägnant zu vermitteln,
kommen Infografiken zum Zuge. Die Welt lässt sich nun mal gut in Bildern erklä-
ren. Sandra Rendgen und Nigel Holmes widmen sich in
Understanding the
World – The Atlas of Infographics (TASCHEN Verlag)
der visualisierten Infor-
mation im 20. und 21. Jahrhundert.
Stolze 3,79 Kilogramm schwer, überzeugt das Buch neben seinen beeindruckenden
Maßen und seinem Gewicht vor allem visuell. Der Einsatz von Formen, Farben und
Typografie ist ein Fest, nicht nur für Designer. Begleitet werden die Grafiken stets
von einem Text auf Englisch, Deutsch und Französisch, der Quelle und Erstellungs-
jahr nennt sowie die Hintergründe kurz erklärt. Eine Angabe über die Herkunft der
zugrunde liegenden Daten bleibt allerdings aus. Die fünf Kapitel befassen sich
unter anderem mit den Themen Natur & Umwelt, Wissenschaft & Technik sowie
Wirtschaft & Entwicklung. Jedes Kapitel erhält eine eigene neonfarbige Kodierung
für den schnellen Zugriff.
Eine Visualisierung sollte idealerweise einen komplexen Zusammenhang rasch
verdeutlichen, ohne dass viele erklärende Worte nötig sind. Alle Register des Grafik-
designs zu ziehen, ist dazu nicht immer nötig. Und so sind einige schlichte Grafiken
besonders gelungen. Ein Balkendiagramm, um eine Entwicklung über die Zeit
deutlich zu machen, ein Tortendiagramm, um das Verhältnis verschiedener Größen
darzustellen: Auf einen Blick werden dabei die Aussagen klar – obwohl oder weil
sie sehr einfach gestaltet sind.
Eine reduzierte Optik, die die Information in den Vordergrund stellt und eine Aus-
sage unmittelbar vermittelt, begegnet einem beim Schwelgen durch die Farbwel-
ten dieses Buches aber selten. Auch wird schnell klar, dass einige Themen besser
zur Visualisierung geeignet sind als andere. Bevölkerungszahlen oder der Anteil
erneuerbarer Energien in der Energiebilanz lassen sich per Grafik gut vermitteln.
Mit Daten aus anderen Bereichen gelingt das weniger. Im Kapitel Wissenschaft &
Technik, in dem es auch um Raumfahrt und Erderkundung geht, schießen neben
den ansprechenden Grafiken auch einige über ihr Ziel hinaus. Die Kernaussage ist
dann schwer zu erkennen. Und manch eine Darstellung muss erst gedreht und
gewendet werden, bis sich der Sinn erschließt. Zum Beispiel versucht eine Grafik,
die Leistungsdaten der drei Mars-Rover-Missionen der NASA über drei schmucke
Graphen zu vermitteln, die verschiedene Parameter wie Maße und Höchstge-
schwindigkeit kreuzen; viele Informationen, deren Visualisierung aber nicht die
erwünschte Klarheit bringt, sondern Verwirrung stiftet. Merke: Manchmal würde
eine einfache Tabelle mehr bringen.
Eine Grafik darf auch mal verspielt sein. Und viele Visualisierungen, teilweise auf
üppigen Aufklappseiten, machen wirklich Spaß. Reinen Selbstzweck sollten sie
aber nicht haben. Alles in allem: Ein inspirierendes Buch zum Stöbern und Entde-
cken der Möglichkeiten, aber auch der Grenzen visuell vermittelter Informationen.
ETWAS VOM NICHTS
Keine zehn Pferde (Diogenes)
ist ein Gedicht-
band. Handlich. Handfest. Nicht mehr, nicht we­
niger. Die Lyrik darin wie ein ungeschminktes
Mädchen, natürlich, bodenständig. Verse ohne
schwulstigen Ballast. Otto Jägersberg, Jahrgang
1942, Westfale, Buchhändler, Antiquar, freier Autor,
Filmemacher, schaut einfach auf unsere Welt und
gibt ihr mit ein paar Worten ein zweites Gesicht.
Die kleinen Dinge sind sein Thema. „Drei Brillen“,
„Die neue Waschmaschine“, Steinpilze“... Der
Minimalismus erstaunt, macht Schweres leicht,
amüsiert zuweilen.
Vom Nichts
Am Anfang war das Nichts
Es bestand aus vielen Nichtsen
Sie rieben sich aneinander
Es kam zur Explosion
Weg war das Nichts
Dafür war Raum
Das ist alles
Wenn der Blick auf die kleinen Wunder des All-
tags mal wieder verstellt ist, dieses 200-Seiten-
Büchlein ist ein Weg aus dem Dickicht, Sie lächeln
wieder. Garantiert.
Cordula Tegen
HIGGS AUF DEM KLAPPSTUHL
Für Außenstehende ist der „Large Hadron
Collider“, der größte Teilchenbeschleuniger der
Welt, am Schweizer Cern nur eine Maschine, mit
der Wissenschaft betrieben wird. Die Bilder, die
man kennt, zeigen große Apparaturen und kilo-
meterlange Gänge mit Rohren und Leitungen.
Die DVD
Particle Fever. Die Jagd nach dem
Higgs“ (polyband)
hingegen macht erlebbar,
was der LHC für die Wissenschaftler bedeutet.
Selten sieht man Physiker emotionaler, selten
wird so deutlich, mit welchem Engagement sie
nach Erkenntnis suchen. Dabei ist der Film ganz
bei seinen Protagonisten, begleitet sie über Jahre,
zeigt kommentarlos die Aufregung im Kontroll-
raum, als zum ersten Mal der Teilchenbeschleu­
niger in Betrieb geht, lässt diejenigen zu Wort
kommen, die einen kleinen Schritt näher an die
Erkenntnis gelangen. Das alles ist dabei authen-
tisch, denn die Kamera verfolgt in dieser Repor­
tage den Lauf der Dinge – und selbst die Inter-
views wirken natürlich und ungestellt.
Gibt es das Higgs-Teilchen, das sogenannte Gottesteilchen, das die Welt zusammenhält?
Der Film aus den USA zeigt Gänsehaut-Momente wie die Verkündung der ersten Ergeb-
nisse in Anwesenheit von Physiker Peter Higgs, der sich wie einer von vielen im Hörsaal
aufs Klappstühlchen gesetzt hat. Im Hörsaal ist die Spannung spürbar, weltweit verfol-
gen Wissenschaftler am Laptop den Livestream, und einer steht vor verschlossener
Hörsaal-Tür, er kam zu spät zur Verkündung ... Aber auch Rückschläge, Probleme mit
der Anlage und Wissenschaftler in Ratlosigkeit werden gezeigt.
„Particle Fever“ ist kein Film, der die Teilchenphysik bis ins Detail erklärt. Stattdessen
menschelt es enorm – und das ist gut, denn es zeigt, dass rationale Wissenschaft oft mit
viel Herz und Seele verbunden ist.
LINKTIPPS
VORLESUNGEN FÜR ALLE
Verlinkungen zu über 8.500 englisch-
sprachigen Vorlesungen und 750
Online-Kursen von renommierten Uni-
versitäten sind hier zu finden. Akade-
misches Wissen wird so kostenlos zu-
gänglich. Von Kunstgeschichte über
Biologie, Mathematik und Management
bis hin zu Psychologie sind die verschie-
densten Gebiete vertreten und man wird
schnell fündig, ob bei der gezielten Suche
oder beim Stöbern.
DAS WISSEN DES WEB
/
„Ungefähr 846.000 Ergebnisse (0,42 Sekun-
den)“, dies ist die Antwort, wenn man mit
Google die Distanz zwischen Erde und Pluto
herausfinden will. Welche dieser Webseiten
man für seine Antwort nutzt, bleibt einem
selbst überlassen. Anders der „Computational
Knowledge-Engine“ Wolfram|Alpha: Er berech-
net seine Antwort, indem er auf Algorithmen
und seinen expandierenden Wissensspeicher
zugreift. Seine Antwort: „32,02 au (astronomical
units)“. – Ein direkterer Weg zum Wissen.
AUGE IN AUGE MIT ISS, SATELLITEN UND CO.
Dem spannenden Thema erdnaher Orbit nähert
sich das Projekt „Heavens Above“. Es macht
abstrakte Daten der künstlichen Erdtrabanten
greifbar. Mit der 3D-Animation bekommt der
Besucher ein Gespür dafür, wie schnell die ISS
wirklich ist und was sie im Augenblick „sieht“.
Die WebGL-Visualisierung ihrer Flugbahn ist
auch über das DLR-Portal verlinkt. Noch inter­
aktiver ist die verbesserte mobile App: Einfach
das Smartphone gen Nachthimmel richten und
es unterstützt das „Lesen“ des Firmaments.
NETZWERK LUFT- UND RAUMFAHRT
Die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raum-
fahrt (DGLR) ist eine wissenschaftlich-tech­
nische Vereinigung für alle Luft- und Raum-
fahrt-Interessierten in Deutschland. Ihre
Website gibt einen Überblick zu diesbezüg­
lichen Entwicklungen und Veranstaltungen.
Hier präsentieren sich regionale Ansprech-
partner der DGLR sowie Experten für die
einzelnen Wissensgebiete.
ALTERNATIV PRÄSENTIEREN
PowerPoint-Präsentationen für Vorträge
haben sich fest etabliert. Vortragen-
den, die einen anderen Weg wählen
wollen, bietet „Prezi“ eine kosten-
freie Alternative. Statt entlang einer
festgelegten Reihenfolge von Folien
bewegt sich der Referent auf einem
„interaktiven Whiteboard“ hin
und her, kann hinein- und hinaus­
zoomen und bietet dem Audi­
torium so einen anderen Blick
auf seine Ideen.
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